Essen. Das Ringen um das fast vollendete Eon-Kraftwerk hält an. Rot-Grün will einen Kompromiss finden, doch die Positionen liegen weit auseinander.
Im Streit um die Zukunft des Kohlekraftwerkes Datteln wollen SPD und Grüne in NRW in der kommenden Woche einen Kompromiss finden, wie das weitere Genehmigungsverfahren für das fast fertige Eon-Kraftwerk gestaltet werden soll.
Nach einem Gespräch zwischen den Fraktionsspitzen beider Parteien am Wochenende sind sich alle einig, dass sie vor einer Genehmigung des Baus noch offene Fragen zum Planungsrecht klären müssen. Weiter sind sich die Parteien einig, dass unabhängige Gutachter eingeschaltet werden sollen, die gemeinsam ausgewählt werden.
Offen ist jedoch, wann die Gutachter beauftragt werden sollen. Die SPD will dies erst tun, wenn die Grünen der grundsätzlichen Eröffnung des Planungsverfahrens zustimmen. Die Grünen drängen die SPD dagegen darauf, erst die offenen Fragen zu klären und dann ein Planungsverfahren zu eröffnen. Dies sieht wie eine Nebensächlichkeit aus. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Offiziell sagt der federführende Fraktionssprecher der Grünen im Regionalverband Ruhr, Martin Tönnes: „Wir arbeiten an einem Kompromiss.“ Eine Koalitionskrise sei nicht in Sicht. SPD-Verhandlungsführer Thomas Eiskirch meint, es sei nur noch eine Frage von wenigen Tagen, bis man sich auf eine gemeinsame Position geeinigt habe.
Grüne spielen auf Zeit
Doch es gibt einen wichtigen Unterschied beider Standpunkte: So lange das Verfahren zur nachträglichen Anpassung der Landesplanung an das Kohlekraftwerk nicht eröffnet ist, laufen keine Fristen, in denen der Bau genehmigt werden kann. Das heißt, so lange die Grünen die Eröffnung des Planungsverfahrens blockieren, bleibt das Eon-Kraftwerk ein Schwarzbau, der nicht ans Netz gehen darf. Jeder Monat, der so ins Land geht, kostet Eon viel Geld.
Intern heißt es bei den Grünen, sie wollen das Verfahren verzögern, bis der Stromkonzern das Kraftwerk aufgibt. Wenn es sein muss, könne man Jahre lang auf Zeit spielen. Ehe das Verfahren nicht eröffnet ist, könnten weder das Land noch der Regionalverband Ruhr (RVR) schadensersatzpflichtig werden.
Tatsächlich gibt es zahlreiche Hebel, um das Verfahren zu verzögern. Das entscheidende Planungsverfahren muss der RVR einleiten. Dieser wird von einer Koalition aus SPD und Grünen beherrscht. Erst wenn hier die Änderung der so genannten Raumplanung eingeleitet worden ist, kann das Land einer Änderung der Landesziele zu Gunsten des Kohlekraftwerkes zustimmen und die Stadt Datteln die konkreten Bauplanungen vor Ort für die Anlagen nachträglich gerichtsfest machen. Fast jede Entscheidung kann vor Gericht angegriffen werden. Für die SPD ist die Lage denkbar schlecht. Sollte die Anlage nicht nachträglich genehmigt werden, müsste Eon seine Investitionen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro verloren geben und die fertigen Bauteile abreißen. Die SPD stünde öffentlich als Gegnerin der Industrie da.
Verkürzung der Laufzeit als Kompromissangebot
Sollten die Sozialdemokraten aber auf die Einleitung des Planungsverfahrens bestehen, drohen die Grünen mit einem Bruch der Koalition im Regionalverband – und könnten damit den Sturz der NRW-Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft (SPD) herbeiführen.
In dieser Zwangslage kommen manche SPD-Größen auf seltsame Ideen, wie auch intern beklagt wird. So verkündete der Fraktionschef der SPD im Landtag, Norbert Römer, über den „Spiegel“, eine Verkürzung der Laufzeit für das Kraftwerk Datteln könne die Genehmigung erleichtern. Andere am Verfahren beteiligte SPD-Größen aus dem Revier sagten dazu: „Das ist naiv.“ Gerade hätten die Energiekonzerne beim Atomkonsens gezeigt, dass sie keine verlässliche Partner beim Abschalten von Anlagen sind. Niemand dürfe ihnen bei der Verkürzung der Laufzeiten von Kohlekraftwerken trauen.