Essen. Thyssenkrupp-Chef López kann Fortschritte vorweisen, aber der Konzern ist noch in der Verlustzone. Im Fokus steht die Stahlsparte.

Bei der Sanierung des angeschlagenen Essener Stahl- und Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp kann Vorstandschef Miguel López Fortschritte vorweisen. Unter dem Strich aber verbucht das Unternehmen in der aktuellen Zwischenbilanz erneut rote Zahlen. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2024/2025 verzeichnet Thyssenkrupp eigenen Angaben zufolge einen Fehlbetrag von 33 Millionen Euro. Damit kann das Management die Verluste in den Monaten Oktober bis Dezember 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als ein Minus von 305 Millionen Euro anfiel, zumindest deutlich eindämmen.

López, der im Juni 2023 die Führung des Unternehmens übernommen hat, urteilt, Thyssenkrupp habe sich „in einem insgesamt schwierigen Marktumfeld behauptet“. Das Ziel sei, „die Wettbewerbsfähigkeit der Geschäfte weiter zu stärken“. Insbesondere in der Stahlsparte von Thyssenkrupp ist die Unruhe groß. Ende vergangenen Jahres hat das Management angekündigt, rund 11.000 Arbeitsplätze abbauen oder ausgliedern zu wollen. López erklärt nun, er erwarte „intensive Monate“.

Zu den Plänen des Thyssenkrupp-Chefs gehört, die Stahlsparte aus dem Konzern auszugliedern und „als eigenständiges und leistungsstarkes Stahlunternehmen neu aufzustellen“. Mit dem tschechischen Geschäftsmann Daniel Kretinsky führt das Thyssenkrupp-Management seit einigen Monaten Gespräche über die Bildung eines Stahl-Gemeinschaftskonzerns, an dem beide Seiten jeweils die Hälfte der Anteile halten sollen. 20 Prozent an Thyssenkrupp Steel hat Kretinsky bereits gekauft.

Der scheidende Thyssenkrupp-Finanzchef Jens Schulte berichtet, der Revierkonzern stehe „in gutem Kontakt“ mit dem Milliardär. Die Verhandlungen mit Kretinsky sollen aber erst intensiver werden, wenn es eine Einigung mit den Arbeitnehmervertretern zu den geplanten Einschnitten in der Stahlsparte gebe.

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Am Abgrund – Die Thyssenkrupp-Story

Im Ringen um die Arbeitsplätze in der Stahlsparte gerät das Werk Kreuztal-Eichen im Siegerland in den Fokus. „Mit den Plänen für die Werksschließung in Eichen überschreitet der Stahl-Vorstand ganz klar eine rote Line. Das muss wieder vom Tisch“, sagt der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler, der auch Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel ist, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Dem Management sollte klar sein: Eine Schließung des Werks Eichen wäre für Thyssenkrupp Steel kein Game-Changer. Die damit verbundenen Einsparungen fallen kaum ins Gewicht.“ Rund 600 Menschen sind in dem Stahl-Weiterverarbeitungswerk im Siegerland beschäftigt.

Hunderte Menschen sind Ende vergangenen Jahres bei einem Fackelmarsch auf die Straße gegangen, um für einen Erhalt des Werks zu demonstrieren. Der örtliche Thyssenkrupp-Betriebsratsvorsitzende Helmut Renk betont, der Standort sei in den vergangenen Jahren meistens profitabel gewesen. Auch strategisch könne das Werk im Siegerland eine wichtige Rolle für Thyssenkrupp spielen, da es nicht so stark von der schwächelnden Autoindustrie abhängig sei wie andere Standorte. In Kreuztal-Eichen werden nach Angaben des Betriebsrats Stahlprodukte beschichtet und verzinkt, die später nicht nur in Autos, sondern auch in Haushaltsgeräten verbaut werden. Auch Garagentore und andere Produkte für die Bauindustrie werden hergestellt.

Giesler: „So wie bisher kann es bei Thyssenkrupp Steel nicht weitergehen“

Die IG Metall knüpft Verhandlungen über mögliche Einschnitte in der Thyssenkrupp-Stahlsparte an Bedingungen. „Unsere Tür steht offen“, sagt Giesler. „Die Voraussetzung für Verhandlungen ist aber, dass betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen ausgeschlossen sind.“ Auch Giesler erklärt, es gebe Handlungsbedarf. „So wie bisher kann es bei Thyssenkrupp Steel nicht weitergehen. Wir müssen etwas verändern, damit das Unternehmen nicht gegen die Wand fährt.“

Diese Worte dürften vom Management positiv aufgefasst werden. Schließlich ist der Vorstand darauf angewiesen, mit den Arbeitnehmervertretern eine Einigung zu erzielen, um Veränderungen in den Betrieben und in der Duisburger Stahl-Hauptverwaltung umzusetzen. Kurz vor Weihnachten gab es bei Volkswagen einen Kompromiss von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite nach einem heftigen Konflikt, der mit der Lage bei Thyssenkrupp vergleichbar war. Bei VW wird nun auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichtet, aber der Stellenabbau ist beträchtlich. Offizielle Verhandlungen zum Sparpaket für Thyssenkrupp Steel laufen noch nicht. Es gebe aber einen „Informationsaustausch“, sagt Thyssenkrupp-Finanzvorstand Schulte.

Der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler sagt mit Blick auf Thyssenkrupp Steel: „Wir müssen etwas verändern, damit das Unternehmen nicht gegen die Wand fährt.“
Der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler sagt mit Blick auf Thyssenkrupp Steel: „Wir müssen etwas verändern, damit das Unternehmen nicht gegen die Wand fährt.“ © dpa | Fabian Strauch

Giesler betont, erst im Sommer 2024 habe das Thyssenkrupp-Management eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der betriebsbedingten Kündigungen und Standortschließungen in der Stahlsparte eine Absage erteilt worden sei. „Zu diesem verabredeten Konsens müssen wir wieder zurückkehren“, so Giesler.

IG Metall: „Keine finanzielle Basis für Verselbstständigung von Thyssenkrupp Steel“

Mit Blick auf die Vorstandspläne für die Stahlsparte äußert sich Giesler zunächst einmal skeptisch. „Wir haben noch viele Fragen zu den Plänen des Vorstands. Die Pläne zur Schließung von zwei Hochöfen können wir technisch noch nicht nachvollziehen“, sagt er. „Das Outsourcing, das der Vorstand plant, ergibt an vielen Stellen keinen Sinn. Auch die Frage, wie der Stahl künftig finanziert werden soll, ist nach wie vor ungeklärt. Der Vorstand muss also noch jede Menge Informationen liefern.“ Für eine Ausgliederung der Stahlsparte gebe es noch keine Grundlage, so Giesler: „Derzeit sehe ich keine finanzielle Basis für eine Verselbstständigung von Thyssenkrupp Steel.“

Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López hatte bei seinem Amtsantritt im Juni 2023 einen Vertrag bis Ende Mai 2026 erhalten.
Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López hatte bei seinem Amtsantritt im Juni 2023 einen Vertrag bis Ende Mai 2026 erhalten. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Thyssenkrupp-Vorstandschef López hat bei seinem Amtsantritt im Juni 2023 einen Drei-Jahres-Vertrag bis Ende Mai 2026 erhalten. Auch angesichts heftiger Kritik einiger Aktionäre bei der Hauptversammlung steht der Manager unter Erfolgsdruck.

Dass Thyssenkrupp unter dem Strich weiterhin rote Zahlen schreibt, begründet der Vorstand unter anderem mit Kosten, die zunächst einmal für die Sanierung des Konzerns anfallen – Geld für Abfindungen beispielsweise. Ohne die finanziellen Rückstellungen in der Bilanz für die Restrukturierung, immerhin rund 42 Millionen Euro, „wäre das Ergebnis sogar leicht positiv“ ausgefallen, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens zur Quartalsbilanz.

„Effizienzsteigerung und Kostensenkung“

Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern – in der Bilanzsprache kurz Ebit genannt – verbessert sich bei Thyssenkrupp im ersten Quartal des aktuellen Geschäftsjahres auf 102 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum ist noch ein Minus von 185 Millionen Euro entstanden. „Besonders die Steigerung des Ebit verdeutlicht, dass unsere strukturellen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung erste Erfolge zeigen. Daran werden wir auch künftig konsequent arbeiten“, betont Thyssenkrupp-Finanzvorstand Schulte.

Die Zahl der Beschäftigten im Konzern ist mittlerweile deutlich unter die Marke 100.000 gerutscht. Zum Stichtag 31. Dezember 2024 gehörten 97.360 Menschen zur Thyssenkrupp-Belegschaft – ein Jahr zuvor waren es noch 99.973.

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