Dortmund. Vonovia-Mieter sollen plötzlich für Ausstattungen in der Wohnung zahlen. Mieterverein spricht von „fragwürdigen Fantasiezuschlägen“.
Mieterschützer werfen dem Wohnungsriesen Vonovia vor, „neue Fantasiezuschläge“ für Mietererhöhungen zu fordern, die nicht gerechtfertigt und „rechtlich fragwürdig“ seien. Konkret geht es um Anschlüsse für die Waschmaschine, Handtuchheizkörper und Jalousien, die längst in den Wohnungen vorhanden seien. Die Mieterschützer sprechen von „sehr vielen Fällen“. Vonovia weist die Vorwürfe zurück.
Der Dortmunder Mietspiegel gilt als der „Mercedes unter den Mietspiegeln“. So sieht es zumindest Martin Grebe. Der Jurist des Mietervereins Dortmund arbeitet seit 15 Jahren an der Erstellung des Zahlenwerks mit. „Er hat eine hohe Qualität und Anerkennung. Mieter und Vermieter können darauf vertrauen“, schwärmt Grebe. Im Januar ist in Dortmund eine Fortschreibung des Mietspiegels in Kraft getreten, die eine Erhöhung der Mieten um durchschnittlich fünf Prozent ermögliche.
Mieterverein Dortmund: Vonovia-Zuschläge sind „rechtlich fragwürdig“
Nach den ersten Wochen liegen dem Mieterverein nun aber zahlreiche Schreiben des Bochumer Dax-Konzerns Vonovia vor, in dem er Erhöhungen zum Teil weit über dem Rahmen des Mietspiegels ankündigt. Anwalt Grebe nennt sie nach einer ersten Einschätzung „rechtlich fragwürdig“. Denn das Unternehmen erhebe in diesem Jahr erstmals Zuschläge, die als Kriterien im Dortmunder Mietspiegel gar nicht vorgesehen seien.
So soll ein Mieter in der südlichen Innenstadt für den Handtuchheizkörper in seiner Wohnung - erbaut im 2017 - plötzlich einen monatlichen Zuschlag von knapp 14 Euro bezahlen. In mehreren Fällen, so der Mieterverein, verlange Vonovia je nach Baujahr neun bis zwölf Cent pro Quadratmeter und Monat für einen „Waschmaschinenanschluss inklusive -stellplatz“. In Dortmund-Huckarde soll ein Mieter demnach neun Cent pro Quadratmeter mehr zahlen, weil er in einem „bevorzugten Stadtteil“ lebe. Der Mietspiegel sehe für Huckarde aber ausdrücklich keinen Zuschlag vor.
Mehr Miete für den Waschmaschinen-Anschluss und die Handtuchheizung
Und in Dortmund-Westerfilde soll eine Mieterin 30 Cent pro Quadratmeter für manuell zu bedienende Rolläden bezahlen. Dabei habe den Einbau ihre Versicherung bezahlt, weil häufig in die Wohnung eingebrochen worden sei, erklärt die Mieterin selbst. Und: Der Mietspiegel sieht Aufschläge allein für elektrische Rolläden vor.
Markus Roeser vom Mieterverein Dortmund spricht von „Tricks“, die Vonovia anwende, um den vom Mietspiegel vorgesehenen Mittelwert zu überspringen. „Das führt zu massiver Unsicherheit“, kritisiert er. Denn die Mieter, die in diesen Tagen mit neuartigen Zuschlägen konfrontiert werden, haben gerade einmal acht Wochen Zeit, um den Mieterhöhungen zuzustimmen oder zu widersprechen. Die Mieterschützer empfehlen, die neu eingeforderten Zuschläge genau zu prüfen und ihnen nicht leichtfertig zuzustimmen.
Deutscher Mieterbund: „Fantasiezuschläge sind kein Einzelfall“
Monika Hohmann, Sprecherin des Mieterbeirats in Dortmund-Westerfilde, ist selbst eine Mieterhöhung in Höhe von 84,17 Euro ab 1. April ins Haus geflattert. Sie hat bereits telefonisch protestiert, und dennoch übe Vonovia weiter Druck auf sie aus. „In der Mieter-App werde ich täglich aufgefordert, die Mieterhöhung zu unterschreiben“, sagt Hohmann. „Das ärgert mich.“ Sollte das Wohnungsunternehmen nicht einlenken, werde sie vor Gericht ziehen.
Mit „Fantasiezuschlägen“ werden nach Angaben des Mieterbunds NRW aktuell längst nicht nur Vonovia-Kunden in Dortmund und Umgebung konfrontiert. „Das ist kein Einzelfall“, meint Maximilian Fuhrmann, der sich beim Deutschen Mieterbund insbesondere mit den Wohnungsriesen beschäftigt. „Vonovia braucht Geld“, sagt er im Hinblick auf die Übernahme des Berliner Konzerns Deutsche Wohnen. Vor zwei Wochen hatte Vonovia auch noch die letzten Aktien des einstigen Rivalen übernommen. Sprecherin Nina Henckel dagegen betont im Gespräch mit unserer Redaktion: „Der Zusammenschluss mit der Deutsche Wohnen wird nicht durch die Mieten finanziert, sondern durch Geld der Eigentümer in Form von mehr Eigenkapital.“
Vonovia verlangt höhere Nebenkosten für neue Rauchwarnmelder
Das Bochumer Unternehmen „erfinde“ nicht nur wohnwertsteigernde Zuschläge, sondern schlage auch bei den Nebenkosten zu. Als Beispiele nennt der Mieterschützer die Wartung von Brandschutztüren, deren Kosten neuerdings auf die Mieter umgelegt würden. Aber auch das Aufregerthema Rauchwarnmelder, die auch Kohlenmonoxid, Feuchtigkeit und Wärme messen können und die Nebenkosten-Abrechnungen zusätzlich belasteten.
Vonovia-Sprecher Matthias Wulff kontert die Darstellung der Mieterschützer. „Den Vorwurf, Fantasiezuschläge für höhere Mieten zu verlangen, weisen wir zurück“, sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. „Wir unterstützen den Mietspiegel in Dortmund und haben gemeinsam mit Vertretern von Stadt und Mieterverein an seiner Erstellung mitgearbeitet. Er ist unser Maßstab für die Ermittlung der Miethöhe bei Vonovia.“
Vonovia: Einzelne Wohnungen werden individuell bewertet
Der Sprecher verweist aber auch auf Ausnahmen. „Zur Anwendung des Mietspiegels gehören weitere Regelungen, die dabei helfen, einzelne Wohnungen individuell zu bewerten. Dabei können im übrigen auch Wertminderungen herauskommen“, so Wulff. Aus Kreisen von Vonovia verlautet zudem, dass Mieter für bestimmte Ausstattungen bislang keine Zuschläge hätten zahlen müssen, sie aber jetzt erhoben würden. Das Unternehmen bittet die Mieter und die Mietervereine, bei strittigen Fragen Kontakt zu Vonovia aufzunehmen.
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