Essen. Mieterschützer kritisieren „Spionage“-Funktionen bei neuen Vonovia-Rauchmeldern. Was der Dienstleister Techem dazu sagt.

Der größte deutsche Vermieter Vonovia setzt seit dem vergangenen Jahr auf Rauchwarnmelder, die mehr können als Alarm zu schlagen, wenn es brennt. Während Mieterschützer vor den zusätzlichen „Spionage“-Funktionen warnen, sehen der Anbieter Techem und Vonovia in dem neuen Modell „Multisensor Plus“ die Zukunft. Manche Wettbewerber bleiben aber auch skeptisch.

Seit Frühjahr 2013 sind Rauchwarnmelder in Nordrhein-Westfalen in Neubauten Pflicht, seit Ende 2016 auch in Bestandsgebäuden. Da die Batterien nicht endlos halten, sieht das Gesetz eine Erneuerung der Geräte nach zehn Jahren vor. Im vergangenen Jahr begann die erste große Austauschwelle – für den Bochumer Dax-Konzern mit seinen rund 470.000 Wohnungen in Deutschland ein Großprojekt.

Multisensor Plus wurde seit 2020 entwickelt

Vonovia und der Dienstleister Techem, der nicht nur Heizungen abliest, sondern unter anderem auch Rauchmelder betreibt, kamen bereits im Jahr 2020 auf die Idee, dass die neue Generation zusätzliche Funktionen haben sollte. Von „Mehrwert“ ist Rede. Nach rund vierjähriger Entwicklung kam der „Multisensor Plus“ dabei heraus und wurde zunächst unter erste Decken in Vonovia-Wohnungen in Hessen und Baden-Württemberg und inzwischen auch in NRW geschraubt.

Das Gerät schlägt nicht nur bei Rauchentwicklung an, sondern auch bei hohen Kohlenmonoxid-Konzentrationen und bei großer Hitze. Neu ist auch ein Sensor, der die Luftfeuchtigkeit im Raum misst. Nach Angaben von Techem gibt der Rauchmelder einen „Lüftungshinweis“, sollte die Luftfeuchtigkeit über einen längeren Zeitraum hoch sein. Diese „Komfortfunktionen“ unterstützten „ein gesundes Raumklima und tragen zur Prävention feuchtigkeitsbedingter Schäden bei“, teilt Techem auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Techem betont Einhaltung der Datenschutz-Bestimmungen

Mieterschützer wittern darin allerdings die Gefahr, dass Vonovia Mieterinnen und Mieter für etwaige Schimmel-Probleme in der Wohnung verantwortlich machen wolle. Techem betont dagegen, alle Datenschutzbestimmungen einzuhalten. „Die Geräte sind nicht mit dem Internet verbunden“, erklärt das Unternehmen. Die Daten würden in Form von „verschlüsselten Telegrammen“ über das Mobilfunknetz an Techem gesendet. „Dadurch ist es nicht möglich, aus den Datentelegrammen heraus Informationen irgendeiner Art zu Montageorten der einzelnen Geräte herauszuziehen. Auch sind Informationen zu konkreten Wohnungen nicht durch Außenstehende interpretierbar“, teilt Techem mit. 

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Ohnehin werden die Sensoren nur tätig, wenn sie im Vorfeld auf ausdrücklichen Wunsch der Mieterinnen und Mieter aktiviert worden sind. In diesem Punkt hatte Vonovia bereits vor einigen Wochen auf heftigen Protest von Mieterschützern reagiert und auf die ursprüngliche Regelung verzichtet. Danach mussten die Mieter aktiv widersprechen, wenn sie die Zusatzfunktionen nicht nutzen wollten. Techem versichert zudem, dass ein erneutes Einschalten aus der Ferne nicht möglich sei. „Mietende haben also zu jeder Zeit die volle Kontrolle über den Datenfluss sowie deren Verarbeitung“, heißt es.

Höhere Kosten für Vonovia-Mieter durch Rauchwarnmelder

Das Grummeln geht trotzdem weiter. Denn auf die Mieterinnen und Mieter, in deren Wohnungen der intelligente Multisensor Plus eingebaut wird, kommen höhere Kosten zu. Zum Preis des Geräts – auch im Vergleich zu normalen Rauchwarnmeldern – wollte sich Techem auf Anfrage unserer Redaktion nicht konkret äußern. Der Multisensor Plus liege „in einem leicht höheren Preissegment als bereits bestehende Lösungen“, teilte der Energiedienstleister lediglich mit.

Einen Teil der Modernisierungskosten, die bei der Installation der Rauchwarnmelder anfallen, können Vermieter auf die Kaltmiete umlegen. Vonovia macht davon Gebrauch. In einer Siedlung in Essen etwa soll die Umlage für vier Geräte 3,42 Euro pro Monat betragen. Hinzu kommen 1,17 Euro für die Betriebskosten der Rauchwarnmelder.

Der Multisensor Plus wird auch in Küchen installiert

Die Kosten steigen auch, weil Vonovia im Gegensatz zur bisherigen Praxis die Geräte auch in Küchen installiert. Die Landesbauordnung NRW schreibt Rauchwarnmelder nur in Schlafräumen, Kinderzimmern und Fluren vor. Techem argumentiert, dass Küchen „zu einem der risikoreichsten Bereiche des Hauses“ gehörten. Damit der Multisensor Plus nicht gleich beim Braten eines Spiegeleis Alarm auslöst, wird in der Küche die Rauchmeldefunktion deaktiviert und nur die Temperaturmessung scharf gestellt.

Bislang hat Techem den Multisensor Plus exklusiv in Vonovia-Wohnungen eingebaut. Seit Mitte Dezember stellt der Dienstleister den smarten Rauchwarnmelder auch anderen Immobilien-Unternehmen zur Verfügung. Zu der Frage, wie groß das Interesse bei Vermietern ist, wollte sich Techem nicht äußern. Laut der Homepage betreibt Techem aktuell 10,3 Millionen Rauchwarnmelder.

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