Bochum. Mieterschützer fordern Vonovia auf, den Einbau neuartiger Rauchmelder zu stoppen. Warum sie vor einem „gigantischen Datenreich“ warnen.

Der Plan von Vonovia, zunächst in Hessen und Baden-Württemberg Rauchmelder mit Überwachungsfunktion einzubauen, hat eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Mieter-Bündnisse aus ganz Deutschland fordern nun Konzernchef Rolf Buch auf, sofort auf die neue Technik zu verzichten. Dabei hat der Bochumer Dax-Konzern bereits reagiert.

Die „Multisensor Plus“-Rauchmelder können nach Angaben des Herstellers nicht nur Rauch in der Wohnung identifizieren, sondern auch Hitze, erhöhte Luftfeuchtigkeit und Kohlenmonoxid. „Oder wie wir sagen: Er gibt Ihrer Wohnung mehr Sinne.“, heißt es vielsagend in der Beschreibung des Anbieters Techem. Denn genau hier setzt die Kritik der Kundinnen und Kunden von Vonovia und der Mieterschützer an. Denn die Daten sollen an die Vonovia-App übermittelt werden, um den Mietern einen Eindruck über ihr Lüftungs- und Heizverhalten zu geben.

Mieterbündnis: „Unverhältnismäßige Eingriffe in die Privatsphäre“ durch Vonovia

„Diese ,Spionagefunktion‘ lehnen wir grundsätzlich ab. Denn es handelt sich um unverhältnismäßige Eingriffe in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre der Mieterinnen und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, heißt es scharf in einem Brief des Mieterbündnisses an Vonovia-Chef Rolf Buch. Es befürchtet, dass die gespeicherten Daten „bei einem Streit um Schimmelursachen im Zweifel gegen die MieterInnen verwendet werden“. Zudem gebe es „unnötige elektromagnetische Wellen“ in den Wohnungen..

Mieter in Hessen und Baden-Württemberg, die bereits mit den Multisensoren ausgestattet sind, fühlen sich überdies vom nächtlichen Blinken der Rauchmelder im Schlafzimmer gestört. Die Debatte um die Geräte treibt aber auch Blüten: So verbreitete sich das Gerücht, dass Vonovia sogar ermitteln könne, wer in den Wohnungen Sex hat. Mieterschützer warnen vor einem „immer gigantischeren Datenreich“, das sich der Bochumer Immobilienriese auch durch die Rauchmelder aufbaue.

Vonovia: Zusatzfunktionen am Rauchmelder müssen aktiv eingeschaltet werden

Als der Brief des Mieterbündnisses bei Rolf Buch einging, hatte der Konzern aber bereits eine Kurskorrektur vorgenommen. „Das Senden der Klimadatenfunktion wird nur mit vorliegender Einwilligung aktiviert und bleibt ansonsten beim Einbau ausgeschaltet“, sagt Vonovia-Sprecher Matthias Wulff auf Anfrage unserer Redaktion. Die Lüftungsempfehlung per LED bleibt ebenso aktiv wie die weiteren Sicherheitsfunktionen. Bislang galt die Regel, dass Mieterinnen und Mieter aktiv widersprechen mussten. Ansonsten waren die „Überwachungsfunktionen“ automatisch scharf gestellt.

„Wir nehmen die Bedenken sehr ernst“, erklärt Wulff das Vorgehen. Ohnehin sei die Installation der Multisensoren von Techem in einem Teil der 60.000 Wohnungen in Hessen und Baden-Württemberg ein Pilotversuch. Erst danach werde Vonovia entscheiden, ob diese Art der Rauchmelder in allen rund 470.000 deutschen Wohnungen des Dax-Konzerns sukzessive zum Einsatz kommen sollen. Gleichwohl verteidigt das Unternehmen die neue Technik. „Rauchwarnmelder retten Leben“, erklärt Wulff. „Ein wichtiger Aspekt für die Zufriedenheit beim Wohnen sind Sicherheit und Wohnkomfort. Solche Multisensor-Geräte werden in Zukunft der neue Standard.“

Mietern reicht Einlenken von Vonovia nicht aus

Das Einlenken von Vonovia reicht dem Mieterbündnis aber nicht aus. „Denn es werden auf jeden Fall die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, die Daten zu erfassen, abzuspeichern und weiterzuverwenden. Jederzeit können diese Funktionen aktiviert und dazu genutzt werden, eine große Masse von Mieterinnen informationell auszubeuten“, heißt es in dem Brief an Konzernchef Buch.

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