Essen. In Essener Lampengeschäft ziehen Studierende und junge Manager ein. Fördermittel machen den Umbau auch in anderen Städten bezahlbar.

In den Innenstädten des Ruhrgebiets stehen immer mehr Ladenlokale leer, am Abend wirken viele Flaniermeilen wie ausgestorben. Der Umbau der oberen Etagen von Geschäftshäusern zu Wohnungen soll wieder mehr Leben in die Citys bringen. In Essen macht ein größeres Projekt bereits gute Fortschritte.

Eckhard Brockhoff gilt nicht nur als der größte Immobilienmakler im Ruhrgebiet. Er kennt sich auch gut in den Innenstädten aus. „Die Ruhrgebietsstädte sind overshopped“, predigt der Unternehmer schon seit Jahren und meint damit das Missverhältnis der Einzelhandelsfläche zur geringen Kaufkraft im Revier. „Im Gegensatz zu München oder Hamburg laufen hier nur noch Billigläden gut. Selbst die haben ihre Schwierigkeiten“, stellt Brockhoff fest und spricht aus, was vielleicht viele Menschen denken: „Wer geht denn abends noch freiwillig durch die Essener Innenstadt? Sie ist wie ausgestorben.“

Brockhoff: „Die Essener Innenstadt ist abends wie ausgestorben“

Für die Flaute hat der Makler auch eine Erklärung. „Viele Ladenlokale oder ganze Gebäude stehen leer. Auf der Viehofer Straße in Essen, im Umfeld des Konzerthauses in Dortmund oder auf dem Sonnenwall in Duisburg wird es keinen florierenden Handel mehr geben“, prophezeit Brockhoff und fordert: „Es braucht neue Dinge.“

Sein Ansatz: „Mehr als die Hälfte der Obergeschosse in den Fußgängerzonen stehen leer. Sie wurden früher als Lagerflächen genutzt und werden längst nicht mehr benötigt. Diese Obergeschosse kann man mit Leben füllen, indem man sie zu Wohnungen umbaut.“ Moderne Büros seien in Gebäuden, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, wegen der geringen Raumhöhe kaum darstellbar.

Der Essener Immobilien-Makler Eckhard Brockhoff ist davon überzeugt, dass es im Ruhrgebiet zu viel Fläche für den Einzelhandel gibt.
Der Essener Immobilien-Makler Eckhard Brockhoff ist davon überzeugt, dass es im Ruhrgebiet zu viel Fläche für den Einzelhandel gibt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wie das Projekt Belebung funktionieren kann, ist gerade auf der Viehofer Straße in Essen zu beobachten. Hier hat unlängst nicht nur das traditionsreiche Lederwaren-Geschäft Brecklinghaus aufgegeben. Auch Leuchten Kaiser ist geschlossen. Das große Gebäude, in dem über Jahrzehnte auf mehreren Etagen Lampen verkauft wurden, hat der Wittener Unternehmer Martin Sesjak gekauft. Bundesweit bekannt wurde der Geschäftsmann als Gründer eines Dienstleisters, der Unternehmen mit Kaffeemaschinen ausstattet. „Nachdem ich Fresh at Work an Melitta verkauft habe, beschäftige ich mich mit Immobilien und baue unter anderem Wohnungen. Ich habe mich schon mehrfach selbst neu erfunden“, sagt Sesjak.

Wittener Unternehmer Sesjak will 13 bis 14,5 Millionen Euro investieren

Seit Herbst 2023 gehört ihm auch das Gebäude von Leuchten Kaiser. „Geplant sind 84 Apartments auf Hotel-Niveau mit einem Concierge-Angebot rund um die Uhr“, gibt der Investor Einblicke in seine Pläne. „In dem Gebäude sollen Studierende und Young Professionals, also junge Talente der umliegenden Konzerne wohnen.“ Essen ist nicht nur die Stadt der Konzerne. Fußläufig von der Viehofer Straße ist auch der Campus der Universität Duisburg-Essen zu erreichen.

Modell Viehofer Strasse
So soll die neue Studierenden-Residenz an der Viehofer Straße in Essen nach dem Umbau aussehen. © MAAS & PARTNER Architekten mbB

Sesjak hofft auf eine rasche Baugenehmigung, „um 18 Monate später an dieser schwierigen Stelle in der Essener Innenstadt ein Leuchtturmprojekt eröffnen zu können. Damit könnte eine Schmuddelecke beseitigt werden“. Der Umbau und die energetische Sanierung des ehemaligen Kaufhauses sind aber teuer. „Ich kalkuliere mit Kosten zwischen 13 und 14,5 Millionen Euro – inklusive Ankauf des Gebäudes“, sagt der Wittener. Eine Summe, die ein Investor allein nur schwer stemmen kann. „Das Projekt rechnet sich nur, weil es verschiedene Fördertöpfe und Tilgungszuschüsse gibt“, so Sesjak.

Die unterschiedlichen Förderprogramme sind die große Hoffnung der Immobilien-Branche, um den weiteren Niedergang der Innenstädte zu stoppen. Einen guten Überblick über die Zuschusstöpfe hat der Projektentwickler Maas & Partner aus Münster, der auch bei Leuchten Kaiser in Essen mit ihm Boot ist.

Martin Sesjak hat sein Wittener Unternehmen Fresh at Work an Melitta verkauft und investiert nun in Immobilien.
Martin Sesjak hat sein Wittener Unternehmen Fresh at Work an Melitta verkauft und investiert nun in Immobilien. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

„Neubauten rechnen sich im Regelfall nicht mehr“, sagen Tobias Stegemann und Andreas Krys. Die Spezialisten setzen deshalb auf die „Transformation von Bestandsimmobilien unter Berücksichtigung staatlicher Subventionen“. Damit entwickeln Maas & Partner auch ehemalige Galeria-Warenhäuser. Pilotprojekt war der Kaufhof in Krefeld.

„Wir als Makler können die Eigentümer nur ermutigen: Macht was aus euren Immobilien oder verkauft sie an jemanden, der sie dann saniert.“

Eckhard Brockhoff
Immobilienmakler

„Mehrgeschossige Einzelhandelsimmobilien funktionieren nicht mehr“, sagen Stegemann und Krys. Deshalb sei auch in Essen nur im Erdgeschoss eine kommerzielle Nutzung etwa mit einem Sportstudio und einem Café geben. Die Etagen darüber sind für möbilierte Appartments vorgesehen.

Eigentümer Sesjak und Makler Brockhoff sind davon überzeugt, dass das Beispiel Leuchten Kaiser Schule machen werde. „Ich bin davon überzeugt, dass es eine Sogwirkung geben wird, sobald der erste Eigentümer mit dem Umbau begonnen hat“, sagt Brockhoff und nennt als positives Beispiel die Huyssenallee in Essen, die auf diese Weise heute „wieder sehr gut“ funktioniere. Sein Appell: „Wir als Makler können die Eigentümer nur ermutigen: Macht was aus euren Immobilien oder verkauft sie an jemanden, der sie dann saniert.“

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