Essen. Das Ruhrgebiet sei „overshopped“ und habe zu viele Einkaufszentren, sagt Immobilienmakler Brockhoff. Über die Konsequenzen spricht er im Podcast.

Auf der langen Referenzliste des Essener Immobilienmaklers Eckhard Brockhoff fehlt kaum ein namhaftes Handelsunternehmen, dem er noch kein Ladenlokal vermittelt hat. Der 63-Jährige kennt die Einzelhandels- und Gastronomieszene im Ruhrgebiet wie seine Westentasche. Sein Urteil nach zwei Jahren Corona-Pandemie hat deshalb Gewicht. „Es tut mir weh zu sehen, dass der Einzelhandel überall zurückkommt. In Wien oder Heidelberg gibt es keinen leeren Laden mehr. Nur im Ruhrgebiet sind die Städte noch immer nicht wieder voll. Die Leute haben das Geld nicht“, sagt der Experte.

In der neuesten Ausgabe des WAZ-Podcasts „Die Wirtschaftsreporter“ wirft Brockhoff einen ernüchternden Blick auf die Innenstädte und Stadtteilzentren zwischen Dortmund und Duisburg. „Die Menschen, die Geld haben, gehen nicht im Ruhrgebiet einkaufen. Sie haben die Bindung an die Innenstädte verloren“, sagt der Immobilienmakler. Mülheim etwa habe zwar „die höchste Porsche-Dichte“. Zum Einkaufen führen die Menschen aber „nach Düsseldorf, Köln oder wo auch immer hin“, weil auf der Schloßstraße in der Mülheimer City – aber auch andernorts im Revier – schlichtweg die Fachgeschäfte nicht mehr da seien. „Das ist traurig“, so Brockhoff. „Im Ein-Euro-Shop wollen sie nicht kaufen.“

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Auf der anderen Seite gebe es im hiesigen Ballungsraum zu viel Einzelhandelsfläche. „Das ganze Ruhrgebiet ist overshopped. Wir haben viel zu viele Einkaufszentren“, urteilt der Makler. Allein im Advent kämen Busse mit Niederländern ins Revier, um die hiesigen Weihnachtsmärkte zu besuchen. „Das ist es aber auch.“ Ansonsten seien die Prognosen trügerisch gewesen, dass das Revier Kundinnen und Kunden von außen anziehe. Gerade einmal die Dortmunder Innenstadt profitiere noch vom Einzugsgebiet Münster- und Sauerland.

„Passagen haben keine Existenzberechtigung mehr“

„Kleinere Einkaufszentren und Passagen sind heute schon gar nicht mehr zu vermieten, wenn die Verträge auslaufen. Sie haben keine Existenzberechtigung mehr. Und bei größeren wird es immer schwieriger“, meint Brockhoff und verweist auf die USA, wo Malls bereits zu Logistikzentren umgebaut würden.

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Der Makler sieht aber auch die Vielzahl der für den Verkehr gesperrten Zonen kritisch. „Schauen Sie sich die Bahnhofsstraße in Herne an, die ist einfach zu lang für die Einwohnerzahl, die wir da haben.“ Auch in Essen gebe es „viel zu viele Fußgängerzonen“. Sie müsse man zugunsten des Verkehrs zurückbauen. „Einkaufen ist eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen von uns Deutschen. Wir wollen verweilen, bummeln, Kaffee trinken. Die Plätze müssen aufgewertet werden, die Innenstädte grüner werden“, fordert Brockhoff.

Rhein-Ruhr-Zentrum: Brockhoff zeigt sich skeptisch

Die Eigentümer des Rhein-Ruhr-Zentrums in Mülheim haben ihren Plan, das Center für 200 Millionen Euro zu modernisieren, bereits in Frage gestellt. Auch Brockhoff blickt skeptisch auf den großen Handels- und Freizeitstandort mit dem leerstehenden ehemaligen Stinnes-Hochhaus gleich an der Autobahn A 40: „Trotz der exponierten Lage und der vielen Parkplätze, die das Rhein-Ruhr-Zentrum hat, ist es schwierig, die Ladenflächen zu vermieten. Es gibt nicht genügend Mieter, die auskömmliche Mieten bezahlen, mit denen die Sanierung finanziert werden kann“, sagt der Immobilienexperte. „Die tun sich schwer, das Ding zu vermieten.“

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Die Lage des benachbarten Centro beurteilt er besser. „In Oberhausen läuft es, die haben es einfach drauf. Die haben immer wieder nachinvestiert. Im Rhein-Ruhr-Zentrum ist jahrelang nichts geschehen. Ein Center muss ständig aufgehübscht werden.“

„Wir werden künftig deutlich weniger Baukräne sehen“

Die stark steigenden Baukosten dürften aber Investitionen erschweren – nicht nur im Einzelhandel. „Wir werden künftig deutlich weniger Baukräne sehen, weil es sich schlichtweg nicht mehr rechnet, neu zu bauen“, prophezeit Brockhoff. Die Entwicklung hemme nicht nur den Neubau von Wohnungen, sondern auch den Büromarkt. „Die Entwicklung wird nicht aufzuhalten sein, dass die Mieten steigen werden. Die Mieten müssen steigen und sie werden steigen – sowohl im Wohnungs-, als auch im Gewerbebereich. Wenn das nicht passiert, passiert in der Branche gar nichts mehr“, meint der Essener Unternehmer.

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Mit 64 Jahren denkt Brockhoff allmählich an den Ruhestand. Zum Jahresbeginn ist der österreichische Immobilienkonzern Soravia mit 41 Prozent bei der Brockhoff GmbH eingestiegen. Soravia entwickelt gerade die ehemalige Tengelmann-Zentrale in Mülheim zu einem Gewerbe- und Wohnpark. In den nächsten Jahren sollen die Wiener die Mehrheit in dem Essener Maklerbüro übernehmen, das seine Geschäfte zu 75 Prozent im Ruhrgebiet macht. Fünf Prozent wolle eine Mitarbeiterin halten, erzählt Brockhoff, 20 Prozent will er in eine Stiftung einbringen. „Da bin ich im Gespräch mit der EBZ Business School, einen Lehrstuhl für Innenstadt-Entwicklung einzurichten. So etwas gibt es noch nicht.“

>>> Vom Stoffhändler zum Immobilienmakler

Im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ erzählt Eckhard Brockhoff, wie er zum Geschäft mit Immobilien kam. „Mein Vater war Personalchef bei der Krupp Stahl AG und wollte, dass ich eine Banklehre mache.“ Brockhoff studierte anschließend Jura und jobbte nebenbei beim renommierten Wattenscheider Modeunternehmen Steilmann.

Als der Student sah, dass überschüssige Stoffe einfach verbrannt wurden, kam er auf die Idee, sie zunächst auf Wochenmärkten und später in fünf Filialen zu verkaufen. Als Brockhoff die Kette wieder abgeben wollte, bekam er Kontakt zu einer Vermietungsfirma, die in schließlich hauptberuflich in die Immobilienwirtschaft brachte.

Die herausgekaufte Abteilung für die Vermietung von Läden mit zehn Leuten war schließlich die Keimzelle für die heutige Brockhoff GmbH mit 16 festangestellten Immobilien-Fachleuten.