Duisburg/Essen. Arcelor-Mittal beendet einen jahrelangen Liefervertrag mit Thyssenkrupp Steel. Die Folgen für ein Werk in Duisburg sind gravierend.
Nicht nur für die Belegschaft von Thyssenkrupp Steel, sondern auch für viele Beschäftigte von Arcelor-Mittal in Deutschland sind es unruhige Zeiten. Es ist unklar, wie es am Duisburger Standort des global agierenden Stahlriesen weitergeht. Fest steht jedenfalls, dass eine wichtige, jahrzehntelange Geschäftsverbindung von Arcelor-Mittal zu Thyssenkrupp in naher Zukunft aufgelöst wird – mit erheblichen Folgen für das Duisburger Werk mit fast 1000 Beschäftigten.
Seit 1997 versorgt Thyssenkrupp Steel den im Duisburger Stadtteil Ruhrort gelegenen Standort von Arcelor-Mittal mit Roheisen im Umfang von knapp einer Million Tonnen pro Jahr. Einen entsprechenden Liefervertrag, der bis Ende September 2027 läuft, habe Arcelor-Mittal nun gekündigt, teilte Thyssenkrupp Steel auf Anfrage mit. „Leider sind unsere jüngsten Gespräche mit Thyssenkrupp über den Vertrag zur Lieferung von Roheisen nicht zu einem positiven Abschluss gekommen“, heißt es bei Arcelor-Mittal. Der milliardenschwere multinationale Konzern stellt sich auf ein Ende der Lieferungen von Thyssenkrupp Steel in etwas mehr als zweieinhalb Jahren ein. Doch was wird dann aus dem traditionsreichen Stahlstandort in Duisburg-Ruhrort?
In einem Schreiben an die Belegschaft von Arcelor-Mittal, über das zuerst die FAZ berichtet hat, bemühen sich Standortchef Cem Kurutas und der örtliche Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Kleber, die Verunsicherung der betroffenen Beschäftigten in Grenzen zu halten. „Wir verstehen, dass diese Informationen möglicherweise unerwartet kommen“, schreiben die beiden in dem Brief, der auch unserer Redaktion vorliegt. Das Management arbeite aber „hart daran“, eine Lösung zu finden, „um die langfristige Zukunft des Standorts zu sichern“.
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Die Kündigung des Vertrags mit Thyssenkrupp Steel begründet Arcelor-Mittal mit zu hohen Kosten für den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2). Die in einem neuen Vertrag geforderten deutlich höheren CO2-Kosten seien für Arcelor-Mittal nicht tragbar. „Eine derart hohe Kostensteigerung würde unsere Bemühungen, das Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten, erheblich beeinträchtigen“, heißt es in dem Brief an die Belegschaft.
Arcelor-Mittal erwägt Bau eines Elektroofens in Duisburg
Bis zum Ende des Vertrags mit Thyssenkrupp Steel im September 2027 werde die Produktion von Arcelor-Mittal in Duisburg „normal weiterlaufen“, betonen Standortchef und Betriebsrat in dem Schreiben. Mit Produkten aus Duisburg beliefert Arcelor-Mittal vor allem Kunden aus der Auto- und Maschinenbauindustrie.
In Duisburg betreibt der Stahlriese keinen eigenen Hochofen, sondern erhält das Roheisen komplett von Thyssenkrupp. Das Management prüfe derzeit „eine Reihe alternativer Optionen zur Versorgung der Walzwerke“ in Ruhrort, teilt Arcelor-Mittal auf Anfrage mit. Eine Möglichkeit sei der Bau eines Elektroofens. In dem Ofen könnte unter anderem Eisenschwamm aus Hamburg oder von anderen Standorten verarbeitet werden.
Konzern hofft auf staatliche Hilfen für Investition in Duisburg
Für den Bau des Elektroofens hofft Arcelor-Mittal auf finanzielle Unterstützung aus der Staatskasse. Einen Antrag auf eine Teilfinanzierung durch den Bund und das Land NRW habe Arcelor-Mittal bereits eingereicht. Wenn es – vermutlich im September nächsten Jahres – Klarheit zu einer Mittelvergabe gebe, werde der Konzern eine „endgültige Investitionsentscheidung“ treffen. Entscheidend seien in diesem Zusammenhang auch „wettbewerbsfähige Energiepreise in Deutschland“.
Arcelor-Mittal rechnet früheren Angaben zufolge mit einem Investitionsvolumen von knapp 300 Millionen Euro für das Vorhaben in Duisburg. „Als Unternehmen allein können wir den Bau der neuen Anlagen nicht finanzieren“, sagte Standortchef Cem Kurutas vor wenigen Monaten. „Ohne staatliche Fördermittel wäre der Standort auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig.“
Standortchef schon vor Monaten: „Uns läuft die Zeit davon“
Schon im Januar 2024 betonte Kurutas im Gespräch mit unserer Redaktion, wie wichtig eine rasche Entscheidung sei, um die Zukunft des Standorts zu sichern. „Uns läuft die Zeit davon“, sagte Kurutas. „Die Bauzeit für einen Elektroofen liegt bei etwa drei Jahren. Daher ist es wichtig, dass wir mit unserem Projekt möglichst schnell starten können.“
Dass Arcelor-Mittal die Verbindung zu Thyssenkrupp kappen könnte, spielte schon bei der Hauptversammlung des Revierkonzerns im vergangenen Februar in Bochum eine Rolle. Auf Nachfrage erklärte Thyssenkrupp-Chef Miguel López, der Roheisen-Liefervertrag sei von Arcelor-Mittal noch nicht gekündigt worden. „Sollten sich diese Gegebenheiten ändern“, so López, werde sich Thyssenkrupp Steel „flexibel anpassen“.
Thyssenkrupp Steel will zwei Hochöfen in Duisburg stilllegen
Im November hat Thyssenkrupp tiefe Einschnitte in der Stahlsparte angekündigt. Durch Stellenabbau und Job-Ausgliederungen will sich das Unternehmen bis zum Jahr 2030 von rund 11.000 Arbeitsplätzen trennen. Zwei von vier Hochöfen stehen vor dem Aus – der Hochofen 8 und der benachbarte „9er“. Die Produktionskapazitäten will Thyssenkrupp Steel von derzeit 11,5 auf ein Zielniveau von 8,7 bis 9 Millionen Tonnen senken.
Die Vertragskündigung von Arcelor-Mittal habe keine Folgen für das Hochofen-Konzept, betont das Management von Thyssenkrupp Steel. Nach einer Stilllegung der Hochöfen 8 und 9 würden „die verbleibenden Hochöfen 1 und 2 ausreichend durch unseren Eigenbedarf an Roheisen ausgelastet“, so das Unternehmen.
Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp Steel sehen den Hochofen-Plan kritisch. Standort-Betriebsratschefs Ali Güzel warnt den Vorstand davor, „den größten Stahlstandort Europas kurz und klein schlagen zu wollen“. Es sei auch „technisch nicht sinnvoll“, die Hochöfen 8 und 9 in Duisburg-Hamborn abzuschalten, kritisiert Güzel. „Hier handelt es sich um die modernsten Anlagen, die wir haben“, sagt er.
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