Duisburg/Essen. Arcelor-Mittal will das Stahlwerk in Duisburg mit 1000 Beschäftigten umbauen. Es gibt aber Voraussetzungen, sagt der Standortchef im Interview.
Um eine klimafreundliche Produktion zu erreichen, muss der Stahlstandort von Arcelor-Mittal in Duisburg umgebaut werden. Die Voraussetzung für millionenschwere Investitionen in das Werk, in dem derzeit knapp 1000 Beschäftigte arbeiten, sei allerdings staatliche Unterstützung in beträchtlichem Umfang, sagt Paul Tetteroo, der Chef von Arcelor-Mittal in Duisburg, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich will an dieser Stelle nicht um den heißen Brei herumreden: Ohne staatliche Fördermittel wäre der Standort auf Dauer massiv bedroht“, betont Tetteroo. Hier lesen Sie unser Interview im Wortlaut:
Herr Tetteroo, die Stahlindustrie in Deutschland steht vor einem gewaltigen Umbau. Für die Produktion von klimaneutralem Stahl sind neue Anlagen und millionenschwere Investitionen erforderlich. Kann ArcelorMittal das in Duisburg schaffen?
Tetteroo: Ja, wir sind dazu bereit, aber wir brauchen neben einem unkomplizierten Genehmigungsverfahren auch staatliche Unterstützung. Als Unternehmen allein können wir den Bau der neuen Anlagen nicht finanzieren. Wir reden hier – bezogen auf die Stahlindustrie insgesamt – von einem historischen Strukturwandel. Auch in Duisburg wollen wir im Laufe der nächsten Jahre die komplette Produktion klimaneutral gestalten.
Bislang bekommen Sie das Roheisen, das Sie in den Stahlwerken von Arcelor-Mittal in Duisburg-Ruhrort verarbeiten, aus den benachbarten Hochöfen von Thyssenkrupp. Bleibt diese Verbindung zu Thyssenkrupp bestehen?
Tetteroo: Nein, es geht schließlich darum, die Hochöfen zu ersetzen. Wir wollen dies tun, indem wir in Ruhrort künftig Eisenschwamm von unserem Standort in Hamburg einsetzen. Das Material soll dort in einer Direktreduktionsanlage hergestellt werden – in Zukunft mit Wasserstoff und grünem Strom aus Windkraftanlagen. Bei diesem Verfahren wird dem natürlich vorkommenden Eisenerz mit Hilfe von Wasserstoff der Sauerstoff entzogen. Dabei entstehen Wasser und Eisen. Eisen bildet das wichtigste Element bei der Stahlherstellung. Der Eisenschwamm kann per Bahn mit Spezialzügen von Hamburg nach Duisburg transportiert werden. Wir wollen auf unserem Gelände in Ruhrort einen neuen Elektrolichtbogenofen bauen, um das Material einzuschmelzen und zu verarbeiten. Dafür brauchen wir unbedingt den Anschluss zum 380-Kilovolt-Netz, das bisher nur in Walsum über den Rhein ankommt. Eine zeitnahe Genehmigung und zügige Erweiterung nach Beeck ist sehr wichtig für uns.
Wie hoch ist das Investitionsvolumen in Duisburg – und welchen Anteil erhoffen Sie sich vom Staat?
Tetteroo: Wir rechnen mit einer Investition für die gesamte Anlage von mehr als 250 Millionen Euro. Die finanzielle Unterstützung soll etwa die Hälfte der Investitionskosten betragen. Die Fördergelder, die wir uns von Deutschland und der Europäischen Union erhoffen, sind für den Bau eines Elektrolichtbogenofens auf dem Gelände von Arcelor-Mittal in Duisburg gedacht, außerdem für den Bau logistischer Anlagen und einer Verladestation auf unserem Werksgelände. Unsere Stranggießanlage und unsere Walzwerke könnten wir bei diesem Konzept ohne größere Anpassung auch in Zukunft betreiben.
Soll es sich um eine einmalige Anschubfinanzierung vom Staat handeln?
Tetteroo: Wir werden nicht nur bei den Baukosten Förderung benötigen, sondern auch eine Förderung bei den Produktionskosten, bis der Markt für grünen Stahl vorhanden ist. Denn CO2-neutraler Stahl wird deutlich teurer sein als herkömmlich produzierter Stahl. Wir beliefern mit unserem Draht und unseren Schmiedestücken vor allem Kunden aus der Autoindustrie, diese wollen ebenfalls zu wettbewerbsfähigen Preisen einkaufen.
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Wann soll der Umbau in Duisburg-Ruhrort beginnen?
Tetteroo: Wenn wir die Fördermittel wie geplant zeitnah in diesem Jahr zugesagt bekommen, können wir mit dem Bau demnächst beginnen und ab dem Jahr 2025 produzieren, wenn alles nach Plan läuft. Die Vorbereitungen haben bereits begonnen, denn es sind nur noch drei Jahre Zeit. Aktuell warten wir noch auf das grüne Licht der Europäischen Union, bevor wir beginnen können.
Sie beschäftigen knapp 1000 Mitarbeitende an ihrem Standort. Was wäre, wenn es nicht zu einer staatlichen Unterstützung kommt? Gehen dann bei Arcelor-Mittal in Duisburg die Lichter aus?
Tetteroo: Ich will an dieser Stelle nicht um den heißen Brei herumreden: Ohne staatliche Fördermittel wäre der Standort auf Dauer massiv bedroht.
Aus welchen Töpfen sollen die Fördergelder kommen?
Tetteroo: Aus einem Dekarbonisierungsfonds des Bundesumweltministeriums. Die Genehmigung dazu muss laut europäischem Beihilferecht die EU-Kommission erteilen.
Arcelor-Mittal ist ein Weltkonzern. Finanzielle Mittel für den Bau neuer Anlagen müssten doch auch ohne staatliche Hilfe vorhanden sein.
Tetteroo: Wir tun als Unternehmen alles, was wir können, um den Umbau erfolgreich zu gestalten. Arcelor-Mittal hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 in Europa 35 Prozent und weltweit 25 Prozent der CO2-Mengen zu reduzieren. Bis 2050 will Arcelor-Mittal in Europa komplett CO2-neutral produzieren. Dies bedarf gewaltiger technologischer und finanzieller Anstrengungen. Klar ist: Investitionen müssen sich rechnen. Und der Druck auf die Branche insgesamt in Europa steigt, wenn der Preis für den Ausstoß von CO2 weiter in die Höhe geht. Bei der Produktion einer Tonne Stahl entstehen etwa zwei Tonnen CO2. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der CO2-Preis von wenigen Euro auf fast 100 Euro erhöht. Das führt zu Mehrkosten von beinahe 200 Euro pro Tonne Stahl. Ein Kostennachteil, denn außerhalb Europas hat Arcelor-Mittal diese Kosten für CO2-Emissionen nicht.
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Für einen Elektrolichtbogenofen benötigen Sie jede Menge Strom. Ist der Standort Duisburg-Ruhrort dafür gewappnet?
Tetteroo: Zur Umsetzung unseres Plans für einen Elektrolichtbogenofen benötigen wir auch einen entsprechenden Anschluss für die Stromversorgung ebenso wie Betriebsgenehmigungen für die neue Anlage. Auch hier hoffen wir auf möglichst schnelle Entscheidungen der Behörden und Netzbetreiber.
Der Krieg von Russland gegen die Ukraine hat auch für die Stahlindustrie in Deutschland massive Auswirkungen. Wie schätzen Sie die Lage für den Standort Duisburg ein?
Tetteroo: Für bestimmte Produktionsprozesse in der Stahlerzeugung im Warmwalzwerk in Duisburg benötigen wir Erdgas. Eine Reduzierung der Verfügbarkeit von Erdgas kann zu Produktionsausfällen führen, da die einzelnen Prozesse miteinander verbunden sind. Derzeit gibt es aber keinerlei Einschränkungen für unsere Produktion.
Geraten Ihre Umbaupläne damit in Gefahr?
Tetteroo: Wenn die Preise aufgrund der Ukraine-Krise und der Lieferausfälle aus Russland weiter steigen, könnte sich die Situation verschärfen. Wir benötigen Erdgas als Brückentechnologie auf dem Weg zum grünen Stahl. Daher ist es enorm wichtig, dass wir in den kommenden Jahren eine sichere Versorgung in Deutschland haben werden, sonst ist die Transformation stark gefährdet.