Essen. Evonik-Chef Kullmann baut den Essener Konzern um: Hunderte Beschäftigte betroffen, insbesondere an den Standorten Witten und Hanau.
Beim Essener Chemiekonzern Evonik steht angesichts einer schwierigen Lage der Branche ein weiterer Umbau an. Betroffen sind unter anderem die deutschen Standorte Hanau, Witten und Marl. Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann betont, es gebe Handlungsbedarf. „Unsere Branche befindet sich weltweit in einem grundlegenden strukturellen Wandel“, sagt Kullmann. Das Management reagiert unter anderem mit der Schließung von Anlagen und plant weitere Firmenverkäufe. Vor wenigen Monaten hatte der Evonik-Vorstand bereits den Abbau von 2000 Arbeitsplätzen angekündigt, 1500 davon in Deutschland.
Ein Ziel sei, sich künftig auf die „stärksten Geschäfte“ innerhalb des Konzerns zu fokussieren. „Nur dann können wir in diesen Märkten in der notwendigen Geschwindigkeit Wachstumschancen nutzen“, argumentiert Kullmann. Im Geschäft für die Pharmaindustrie – konzernintern „Business Line Health Care“ genannt – werde sich Evonik in Zukunft auf Wachstumsbereiche wie Lipide für Messenger-RNA sowie Gentherapien konzentrieren. Während der Corona-Pandemie hatte Evonik bereits das Geschäft mit Lipiden für Impfstoffe ausgeweitet.
260 Evonik-Beschäftigte von Anlagenschließung betroffen
Die Herstellung von sogenannten Ketosäuren für Pharma-Anwendungen von Evonik in Hanau soll hingegen Ende 2025 eingestellt werden. Von der Schließung seien 260 Beschäftigte betroffen, teilt der Vorstand mit. Die Mitarbeiter würden „bei der Suche neuer Optionen in anderen Bereichen von Evonik oder außerhalb des Konzerns aktiv unterstützt“.
Veränderungen plant der Essener Konzern auch für Standorte in Ham (Frankreich) und Wuming (China), die im selben Geschäft tätig seien. „Für Geschäfte, denen wir unter dem Dach von Evonik nicht die angemessenen Zukunftsperspektiven bieten können, werden wir Lösungen außerhalb von Evonik umsetzen“, sagt Kullmann. Der gesamte Bereich der Amino- und Ketosäuren erwirtschaftete Unternehmensangaben zufolge im Durchschnitt der vergangenen Jahre Umsätze von rund 100 Millionen Euro.
„Unsere Amino- und Ketosäuregeschäfte in Ham und Wuming sind stark und bieten großes Potenzial“, erklärt Caspar Gammelin, Leiter der zuständigen Division „Nutrition & Care“. „Wir denken deshalb nicht an Schließung. Mit Investitionen in diese Standorte könnten diese Geschäfte ihr volles Potenzial entfalten und florieren. Wir prüfen deshalb Optionen wie Partnerschaften oder Verkauf.“
Evonik will sich von Standort in Witten trennen
Auch in Deutschland will sich Evonik von weiteren Geschäften trennen, unter anderem von Aktivitäten in Witten. Hier geht es um den Bereich „Coating & Adhesive Resins“. Das sogenannte Polyolefine-Geschäft mit einem Umsatz von etwa 100 Millionen Euro werde dazu zunächst innerhalb von Evonik in den sogenannten Bereich C4-Chemie von Evonik überführt, der am großen Standort Marl eine wichtige Rolle spielt. Das umsatzstarke C4-Geschäft, zu dem mehr als 500 Beschäftigte gehören, steht ohnehin schon auf der Verkaufsliste des Evonik-Vorstands.
Namentlich erwähnt das Management nun auch das Geschäft mit Polyestern für Lack- und Klebstoffanwendungen, das an neue Eigentümer abgegeben werden solle. Global umfasst es rund 330 Beschäftigte in Deutschland und China. Der größte Evonik-Standort in diesem Bereich mit rund 250 Beschäftigten befindet sich in Witten. Daneben gebe es eine kleinere Anlage in Shanghai mit etwa 30 Mitarbeitern. Das Geschäft steht für einen Jahres-Umsatz von etwa 150 Millionen Euro.
Evonik-Managerin Lauren Kjeldsen verweist auf globalen Wettbewerb
„Um dauerhaft im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein und die notwendigen Margen zu erwirtschaften, bedarf es Investitionen – und die können andere Unternehmen, bei denen Polyester zum Kernbereich gehören, besser realisieren als wir“, sagt die Evonik-Managerin Lauren Kjeldsen. Die Suche nach Interessenten soll noch im laufenden Jahr gestartet werden.
Nach den Firmenverkäufen will sich Evonik dann auch in diesem betroffenen Geschäftssegment auf bestimmte Wachstumsbereiche konzentrieren, etwa Zusätze für Kleb- und Dichtstoffe oder Autoreifen, außerdem Spezial-Acrylate für die Medizintechnik sowie die Verpackungsindustrie.
Evonik-Personalvorstand Thomas Wessel betont, das Unternehmen wolle bei den geplanten Firmenverkäufen und Anlagenschließungen „sozialverträglich“ und „unter enger Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter“ vorgehen. Bei Verkäufen habe Evonik in der Vergangenheit bewiesen, Investoren sorgfältig auszusuchen. So ist erst kürzlich die Trennung vom Geschäft mit Superabsorbern, die für Babywindeln gebraucht werden, erfolgt. Käufer des Geschäfts mit rund 1000 Beschäftigten, zu dem ein großer Standort in Krefeld gehört, ist der Chemie-Investor ICIG mit Sitz in Frankfurt am Main.
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