Essen. Die Kirche ist auf dem Rückzug. Kirchengebäude stehen zum Verkauf. Die Bank im Bistum Essen baut daher ihr Immobiliengeschäft aus.

Viele Kirchengebäude, Pfarrheime oder Gemeindehäuser dürften in den kommenden Jahren entbehrlich werden. Das ruft die Bank im Bistum Essen (BIB) auf den Plan. „Die Kirche ist vielerorts auf dem Rückzug. Konzepte für eine Nachnutzung sind gefragt“, sagt BIB-Vorstandssprecher Peter Güllmann. „Es zeichnet sich ab, dass in den kommenden Jahren zahlreiche Immobilien aus dem kirchlichen Bestand auf den Markt kommen werden.“ Daher wolle die Bank im Bistum verstärkt Immobilienprojekte im kirchlich-karitativen Umfeld realisieren.

Dafür stellt sich die Bank auch organisatorisch auf. „Wir schaffen nun eine Immobilien-Plattform unter dem Dach der Bank im Bistum“, berichtet Güllmann im Gespräch mit unserer Redaktion. Im Jahr 2022 hat die BIB bereits ihr Immobiliengeschäft durch eine Mehrheitsbeteiligung am Kölner Immobilien-Unternehmen Pro Secur ausgeweitet. „Jetzt bauen wir unser Geschäft mit der Gründung unserer Tochter BIB ProImmo aus“, erklärt Güllmann. „Wir sehen großes Potenzial in einer neuen Nutzung von kirchlichen Grundstücken.“

In vielen Kirchengemeinden gebe es mit Blick auf bestehende Immobilien und Grundstücke Verkaufsüberlegungen, sagt Güllmann. „Schätzungen zufolge könnten bis zum Jahr 2060 rund 40.000 Immobilien aus dem kirchlichen Umfeld zum Verkauf stehen.“ Klar sei: „Tausende Kirchengebäude, Pfarrheime oder Gemeindehäuser bundesweit dürften in den nächsten Jahren für eine neue Nutzung infrage kommen.“

Im Blick: Immobilien in katholischen oder evangelischen Händen

Es seien nicht nur Gotteshäuser, die zum Verkauf stehen, sondern auch Zweckbauten oder Wohnimmobilien, die sich bislang in kirchlichem Eigentum befinden, so der Bankchef. „Wir können dazu beitragen, sinnvolle Lösungen für die Immobilien zu finden“, sagt er. Interesse habe die Bank im Bistum nicht nur an Grundstücken aus dem katholischen, sondern auch aus dem evangelischen Umfeld.

Peter Güllmann, Chef der Bank im Bistum (BIB), auf der Dachterrasse der Firmenzentrale in Essen: Tausende Kirchenimmobilien werden seiner Einschätzung zufolge in den kommenden Jahren zum Verkauf stehen.
Peter Güllmann, Chef der Bank im Bistum (BIB), auf der Dachterrasse der Firmenzentrale in Essen: Tausende Kirchenimmobilien werden seiner Einschätzung zufolge in den kommenden Jahren zum Verkauf stehen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

„Unser Augenmerk liegt auf sozialen Projekten“, betont Güllmann. „Die Vorhaben, die sich realisieren lassen, können unterschiedlich sein. So kann es beispielsweise um den Umbau einer bestehenden Immobilie gehen oder um eine komplett neue Nutzung eines ehemaligen Kirchengrundstücks.“ Als Beispiele nennt der BIB-Chef bezahlbare Wohnungen oder Immobilien für Kindertagesstätten. „Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Wir brauchen auch mehr Kitas und altengerechte Immobilien“, sagt Güllmann. „Es ist baulich möglich und auch sinnstiftend, in einem bisherigen Kirchengebäude eine neue Kita zu schaffen.“

Essener BIB will bundesweit Immobilienprojekte realisieren

Die Bank im Bistum Essen ist bundesweit aktiv. „Unsere Pläne wollen wir an unterschiedlichen Stellen in Deutschland realisieren, nicht nur im Ruhrgebiet“, erklärt Güllmann. Erste Erfahrungen mit Immobilienprojekten habe sein Haus in NRW gesammelt, unter anderem in Hattingen und in Emmerich. „In Hattingen sind mit unserem Projekt rund 200 Wohnungen entstanden, in Emmerich etwa 150 neue Wohneinheiten.“

Mit Hilfe privater Geldgeber könne der Bau von Kindertagesstätten beflügelt werden, sagt Güllmann. „Um den Neubau und die Sanierung von Kitas voranzubringen, müssen wir privates Kapital mobilisieren. An Konzepten für einen entsprechenden Kita-Fonds arbeiten wird.“

Suche nach potenziellen Investoren für Kita-Projekte

Die Gewinnerwartung der Investoren dürfe aber nicht übertrieben sein, gibt Güllmann zu bedenken. „Die Erneuerung unserer sozialen Infrastruktur gelingt nur, wenn wir Investoren finden, die auf Maximalziele bei der Rendite verzichten“, sagt er. Mit einer Rendite-Erwartung von 4,5 Prozent oder mehr sei es nicht möglich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen oder eine Kita zu bauen. „Wir suchen daher das Gespräch mit potenziellen Investoren, die sich auch mit drei oder 3,5 Prozent zufriedengeben.“ Das Ziel der Bank im Bistum seien Projekte, „die neben einer maßvollen Rendite auch einen sozialen Mehrwert“ bieten. „Rendite-Maximierung und sozialer Wohnraum passen nicht zusammen.“

Peter Güllmann, Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen (BIB): „Durch Veräußerungen von Immobilien bieten sich Kirchen signifikante Einnahme-Möglichkeiten.“ 
Peter Güllmann, Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen (BIB): „Durch Veräußerungen von Immobilien bieten sich Kirchen signifikante Einnahme-Möglichkeiten.“  © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Auch die finanzielle Lage der Kirchengemeinden könne durch Immobilienprojekte verbessert werden, sagt Güllmann. „Durch Veräußerungen von Immobilien bieten sich Kirchen signifikante Einnahme-Möglichkeiten.“ Denkbar sei zudem, dass Kirchen Einnahmen aus Immobilienverkäufen in Projekte zur Nachnutzung investieren.

Die Bank im Bistum hat sich auf sozial-ökologische Geldanlagen spezialisiert. Zur Kirche ist die Bindung der Bank traditionell eng. Das Bistum Essen hat das Finanzinstitut im Jahr 1966 gegründet. Güllmann betont aber, sein Haus sei „nicht die Bank des Bistums, sondern die Bank im Bistum“. Seine Finanzen regele das Bistum in eigener Verantwortung. Im Übrigen müsse auch niemand katholisch sein, um ein Konto bei der BIB eröffnen zu können. Ihre Geschäfte gestalte die Bank „auf dem christlichen Wertefundament“, sie wolle aber konfessionsübergreifend wahrgenommen werden, sagt der BIB-Chef.

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