Essen. Onlinehändler wollte mal 47 Galeria-Filialen kaufen, 2023 übernahm er Pro Büro. Konzernchef sagt, warum er die meisten Geschäfte jetzt schließt.

Der Schreibwarenhändler Buero.de schließt mehr als die Hälfte seiner stationären Läden in Deutschland, die meisten davon im Ruhrgebiet. Denn es trifft vor allem jene Geschäfte, die Buero.de erst vor einem Jahr von der Dortmunder Kette „Pro Büro“ übernommen hat. „Einen Großteil der Filialen, die wir von Pro Büro in unser Filialnetz integriert haben, werden wir schließen“, sagte Markus Schön, Chef des Detmolder Unternehmens, unserer Redaktion. Konkret: „Von unseren 25 stationären Geschäften werden wir nur zwölf behalten.“

Frühere Pro-Büro-Filialen in Dortmund, Herten und Gladbeck sind bereits dicht. Unlängst angekündigt wurden zudem die Schließungen der Filiale in Herne und beider Standorte in Bottrop. „Im Rahmen unserer Transformation zum Online-Marktplatz und Hersteller benötigen wir weniger stationäre Geschäfte“, sagt Schön dazu.

Ein Jahr nach der Gründung wollte Buero.de 47 Galeria-Kaufhäuser übernehmen

Buero.de heißt nicht ohne Grund wie seine Internetadresse. Der Schreibwarenhändler aus Detmold verkauft Büro- und Schulartikel online. Bereits ein Jahr, nachdem sich die Firma 2021 als Aktiengesellschaft neu gegründet hat, fühlte sich Geschäftsführer Markus Schön allerdings auch zum stationären Einzelhändler berufen, und startete nicht eben bescheiden: 47 Kaufhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof wollte er Ende 2022 in der zweiten Insolvenz der Essener Warenhauskette übernehmen. Bekanntlich wurde daraus nichts.

Markus Schön, Geschäftsführer von Buero.de, will die Hälfte seiner Filialen schließen, die meisten im Ruhrgebiet.
Markus Schön, Geschäftsführer von Buero.de, will die Hälfte seiner Filialen schließen, die meisten im Ruhrgebiet. © privat | Privat

Stattdessen eröffnete Schön zunächst im Raum Frankfurt und in Bayern nach und nach rund ein Dutzend eigene Filialen. Im Ruhrgebiet sah er seine Chance gekommen und griff zu, als die Dortmunder Schreibwarenkette „Pro Büro“ im Juni 2023 Insolvenz anmeldete. „So schnell einen so potenten und erfolgreichen Partner zu finden, ist gerade im stationären Einzelhandel selten“, sagte seinerzeit der Insolvenzverwalter Marvin Bauernfeind und jubelte: „Dies ist ein großartiger Sanierungserfolg.“

Auch in den von der Schließung bedrohten Geschäften im Ruhrgebiet war die Freude über die Rettung groß, etwa in Bottrop und Herne. Doch nur ein Jahr später ist diese Freude dem Frust über die nun doch nahende Schließung gewichen. Zwar will Buero.de weiter Filialen als einen von drei Vertriebswegen betreiben, sich dabei aber auf seine Läden in Süddeutschland konzentrieren. Neben dem Onlinegeschäft stellt das Unternehmen auch selbst Produkte wie Hefte und Stifte her und vertreibt sie über andere Einzelhändler.

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Der Markt, betont Schön, gehe „in eine andere Richtung“, und zwar weg aus den Fußgängerzonen. Anders als noch vor zwei Jahren, als er 47 Galeria-Filialen übernehmen wollte, sagt Schön heute: „Die Innenstädte sind nicht mehr auf der Intensivstation, sie sind tot.“ Deshalb müsse er die Ressourcen seines Unternehmens mehr auf die Wachstumsbereiche ausrichten.

Tatsächlich häufen sich Insolvenzen vor allem von Modeketten wie Esprit und entsprechend auch die Leerstände in den Innenstädten. Galeria hat in Essen gerade seine letzte Filiale im Limbecker Platz dichtgemacht. Die letzte große Warenhauskette Deutschlands hat inzwischen bereits ihr drittes Involvenzverfahren binnen vier Jahren abgeschlossen und die Traditionsnamen Karstadt und Kaufhof gestrichen. Neue Eigentümer sind nun die US-Investmentgesellschaft NRDC Equity Partners und der Unternehmer Bernd Beetz, der zugleich Präsident des Fußball-Drittligisten Waldhof Mannheim ist.

Ein Konkurrent, der sich unter dem früheren Sinn-Chef Friedrich Göbel ebenfalls als Galeria-Retter ins Spiel gebracht hatte, ist inzwischen seinerseits pleite und steht vor der Abwicklung: Die Modekette Aachener. Göbel ist im Herbst 2023 untergetaucht, um sich privaten Gerichtsverfahren zu entziehen und wird nach wie vor per Haftbefehl gesucht.

Buero.de scheiterte zweimal mit Einstiegsversuchen bei Galeria

Der Einstiegsversuch von Buero.de wurde bei Galeria nicht sonderlich ernst genommen, wie seinerzeit aus dem Konzernumfeld zu vernehmen war, Schön selbst zog sein Übernahmeangebot für 47 Filialen bald zurück. Es wäre ein enorm großer Sprung gewesen für den bis dahin auf Onlinehandel geeichten Bürobedarf-Spezialisten. Auch Schöns Versuch, ein Jahr später als Partner für die Schreibwarenabteilungen bei Galeria Karstadt Kaufhof einzusteigen, blieb erfolglos.

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Umsatzzahlen hat die 2021 gegründete Buero.de AG bisher nicht bekanntgegeben, als Ziel hatte das Unternehmen mal 250 Millionen Euro im Jahr 2025 angegeben. Sprunghaft gestiegen ist seit der Gründung der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft zumindest die Zahl der Beschäftigten von 200 auf aktuell „500 bis 1000“, wie Buero.de auf dem Karriereportal LinkedIn angibt. Der Händler verkauft neben Schreibwaren auch Büromöbel, Schulranzen und hochpreisige Luxus-Füllfederhalter, etwa von Montblanc.

Letztere gab Markus Schön auch gerne als einen Grund dafür an, in den stationären Einzelhandel einzusteigen: „Menschen kaufen bei Menschen. Einen Montblanc, aber auch den ersten Schulfüller oder einen Schulranzen kauft man nicht online. Da wird Beratung gesucht“, sagte er nach der Übernahme von „Pro Büro“ und den Geschäften eine erfolgreiche Zukunft voraus.

Buero.de-Chef sieht die Übernahme von Pro Büro nicht als Fehler

Von dieser Anfangseuphorie für stationäre Läden ist nicht viel übrig. Die Kehrtwende vom „Retter“ zum „Bestatter“ des innerstädtischen Einzelhandels sei für Buero.de „notwendig, um uns nicht existenziell zu gefährden“, schreibt Markus Schön nun auf LinkedIn. Auf unsere Frage, ob es ein Fehler gewesen sei, die Filialen von Pro Büro zu übernehmen, sagt er: „Nein, das kann ich so nicht sagen. Sicher haben wir viel Geld investiert, aber wir haben auch tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen und haben durch eine Übernahme einer insolventen Gruppe eine sehr steile Lernkurve.“