Düsseldorf. Systeme des Rüstungskonzerns fangen in der Ukraine Drohnen und Raketen ab. Wie die gleiche KI nun die deutsche Energiewende beschleunigen soll.

Mit Flugabwehr kennt sich Deutschlands größter Rüstungskonzern aus: Rheinmetall produziert neben Panzern, Militärfahrzeugen und Munition auch Flugabwehrtechnik, ist Europas wichtigster Waffenlieferant für die von Russland angegriffene Ukraine. Die Systeme, die Kampfjets, Raketen oder feindliche Drohnen erkennen, sind aber auch friedlich nutzbar, etwa im Tierschutz. Wie der Düsseldorfer Dax-Konzern am Donnerstag bekanntgab, soll seine Flugabwehr-Technik künftig an Windrädern positioniert werden und Vögel erkennen – nicht um sie abzuschießen, sondern um sie zu retten.

Rheinmetall hat seine aus dem militärischen Bereich stammende, mit Künstlicher Intelligenz gespickte Software zur Erkennung von Flugobjekten dem Husumer Start-up ProTecBird zur Verfügung gestellt, das daraus ein Antikollissionssystem für Windkraftanlagen entwickelt und inzwischen zur Marktreife gebracht hat. In einschlägigen Tests in Schleswig-Holstein hat es in drei Monaten 237 Rotmilane erkannt und potenziell vor einer tödlichen Kollision gerettet. Beide Unternehmen erklärten nun, ihr System zum Schutz bedrohter Vogelarten ausbauen und so einen Beitrag zur Energiewende leisten zu wollen.

Vogelschützer klagen oft gegen Bau von Windrädern

Der Schutz des Rotmilans und anderer selten gewordener Vogelarten, die immer wieder in die Windräder fliegen und dabei sterben, ist in den vergangenen Jahren tatsächlich neben den Anwohnerklagen eine der größten Hürden für den Ausbau der Windkraft in Deutschland gewesen. Regelmäßig klagen Naturschutzverbände wie der Nabu gegen den Bau neuer Windkraftanlagen, weil sie dadurch Vögel und Fledermäuse gefährdet sehen.

Jahrelange Verzögerungen wegen der Rechtsstreitigkeiten kann sich das Land bei seinen ehrgeizigen Ausbauzielen aber nicht mehr leisten. Insbesondere die Grünen geraten allerdings in einen Zwiespalt, wenn Ökostrom und Tierschutz kollidieren. Bisher mussten sie sich mit ihnen eigentlich wohlgesonnenen Organisationen wie dem Nabu anlegen, wenn sie gegen dessen Widerspruch Windkraftanlagen durchsetzen wollten. Deshalb setzt auch die grüne NRW-Wirtschafts-, Energie- und Klimaministerin Mona Neubaur auf technische Lösungen, um die Vögel zu schützen.

Erst vor einer Woche konnte sie den Windpark Dahlem V im Kreis Euskirchen einweihen, dessen Fertigstellung nicht weniger als zwölf Jahre voller Einsprüche und Klagen dauerte. Hier sahen Naturschützer durch die Windräder besonders den Schwarzstorch bedroht. Der Nabu Euskirchen brachte mit seinen Klagen zum Schutz der Schwarzstörche und Rotmilane in der Region das Projekt jahrelang zum Erliegen, was nebenbei die Kosten kräftig in die Höhe trieb.

Ökostrom-Ausbau hat inzwischen Vorrang vor Artenschutz

Den entscheidenden Schub für diesen Windpark und viele andere gab erst eine Gesetzesänderung der rot-grün-gelben Bundesregierung, die im Zuge der Energiekrise nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine den Ausbau Erneuerbarer Energien planungsrechtlich über den Artenschutz stellte und so schnellere Genehmigungen und Rechtssicherheit für bestehende Planungen erreichte. Seitdem hat sich der Ausbau auch in NRW deutlich beschleunigt. Das Problem mit Vögeln, die durch Rotorblätter sterben, ist damit freilich nicht gelöst.

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Technische Lösungen zum Abschalten von Windrädern, denen sich Vögel nähern, gab es zwar bereits. Das Antikollissionssystem von ProTecBird und Rheinmetall reklamiert für sich den Vorteil, sowohl die Artenschutz-Tests bestanden zu haben als auch ökonomischer zu sein als andere Systeme. Als erstes habe es den „behördlich definierten Prüfrahmen durchlaufen und bestanden“, zudem biete es eine Alternative zu pauschalen Abschaltungen, weil in der Regel kurze Pausen der Windräder reichen.

Rheinmetall-KI schaltet Windräder ab - und wieder an

Ab einer bestimmten Entfernung erteilt die Rheinmetall-KI Abschaltbefehle an die Windräder – und hebt diese per Nachverfolgung der Vögel auch wieder auf. Im nächsten Schritt soll das System auch Fledermäuse vor Kollisionen mit Rotorblättern schützen. ProTecBird-Chef Thorsten Heinzen spricht von einem „technologischen Durchbruch“.

Die Hoffnung der Partner ist, mit ihrem System den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland und weltweit beschleunigen zu können, indem die Einwände und Klagen von Tierschützern minimiert werden. „Die Kooperation zwischen Rheinmetall und ProTecBird ist weltweit einzigartig“, sagt Uwe Lindenau, Vertriebschef von Rheinmetall Electronics. Ihr System schütze nicht nur seltene Vögel wie den Rotmilan oder Seeadler, sondern eigne sich auch zum Einsatz in der Flugsicherheit durch Vermeidung von Vogelschlag an den Triebwerken.

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