Düsseldorf. Bei den rheinischen Sparkassen ist das Geschäft mit Baufinanzierungen wegen hoher Zinsen eingebrochen. Was Präsident Breuer Häuslebauern rät.
Die Sparkassen erleben wieder mehr Zulauf. Im westlichen Ruhrgebiet und im Rheinland übersprangen sie im vergangenen Jahr erstmals die Zahl von fünf Millionen Girokonten. Gleichwohl ist Michael Breuer nicht nur zum Jubeln zumute. Das Immobiliengeschäft ist auf dem Gebiet des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands, den er als Präsident führt, regelrecht eingebrochen.
Inflation, gestiegene Zinsen, hohe Baukosten und weggebrochene Förderprogramme führten dazu, dass die Darlehenszusagen zur Finanzierung des Wohnungsbaus im vergangenen Jahr drastisch um fast 40 Prozent oder 4,7 auf insgesamt 7,3 Milliarden Euro zurückgingen. Fünf Milliarden davon entfielen auf Pläne für Eigenheime und Eigentumswohnungen. Unter der Bauflaute leiden freilich nicht nur die rheinischen Sparkassen. Die Krise hinterlässt branchenweit tiefe Spuren.
Sparkassenverband: „Es braucht eine Wohnungsbauwende“
„Die Lage am Wohnungsmarkt verschärft sich. Es wird immer weniger gebaut“, zeigt sich Sparkassen-Verbandsgeschäftsführer Thomas Pennartz alarmiert. Er befürchtet nicht nur eine Verschärfung der Wohnungsnot, sondern auch steigende Mieten. „Es ist aktuell wenig attraktiv zu investieren. Es braucht eine Wohnunsbauwende“, fordert Pennartz. „Das ist sozialer Brennstoff. Das macht uns Sorgen, weil Politik keine Anreize setzt“, legt Michael Breuer nach. Für die rasant gesunkenen Zahlen von Bauanträgen und Baugenehmigungen macht der Sparkassen-Präsident vor allem die Ampel-Regierung und ihre schwarz-rote Vorgängerin verantwortlich. „Die Neubau-Förderung ist verschwindend gering“, meint der ehemalige christdemokratische NRW-Europaminister und wird grundsätzlich: „Strukturell ist Deutschland nicht in der Lage, einen Mangel anzugehen.“
Nach Zahlen des Deutschen Sparkassenverbands fehlten im vergangenen Jahr bundesweit bis zu 480.000 Wohnungen, im laufenden Jahr sind es bis zu 600.000 und 2027 sogar bis zu 830.000. Parallel ging die Zahl der staatlich geförderten Sozialwohnungen seit 1990 um 1,78 Millionen auf gerade einmal 1,09 Millionen zurück.
Sparkassenpräsident: „Jetzt mit Bausparverträgen eindecken“
Immerhin: Die Nachfrage nach Immobilien zieht offenbar wieder an. Wie das Unternehmen McMakler am Montag mitteilte, legte die Nachfrage pro Kaufobjekt im ersten Quartal 2024 verglichen mit dem Vorquartal um 4,8 Prozent zu. Die leichte Senkung der Bauzinsen habe bereits zu einer „merklichen Belebung des Marktes geführt“, erklärte Felix Jahn, Gründer und Geschäftsführer von McMakler. Kaufinteressenten schöpften wieder mehr Vertrauen. Darauf setzen auch die Sparkassen. Der rheinische Präsident Breuer erwartet, dass die Bauzinsen im Laufe des Jahres weiter sinken werden und rät: „Es ist klug, sich jetzt mit Bausparverträgen einzudecken und nächstes Jahr oder übernächstes Jahr zu bauen oder zu modernisieren.“
Die gestiegenen Zinsen schlagen bei den rheinischen Sparkassen auch an anderer Stelle negativ zu Buche. Nach Rekordwerten in den Vorjahren sagten sie weniger neue Darlehen für Firmen- und Privatkunden zu. Unter dem Strich erhöhte sich das Kundenkreditvolumen im Rheinland gegenüber dem Vorjahr aber um 0,6 Prozent auf 138,8 Milliarden Euro. 2022 hatte das Wachstum noch bei 3,9 Prozent gelegen. Vor allem mit dem Mittelstand sei das Kreditgeschäft weiter nach oben gegangen, teilte der Verband am Montag mit. Ein Minus gab es im privaten Wohnungsbau und bei Konsumentenkrediten.
Festverzinsliche Wertpapiere wieder gefragt
Die nach einer zehnjährigen Durststrecke seit 2022 wieder steigenden Zinsen führten auch zu massiven Änderungen bei den Geldanlagen. Im vergangenen Jahr hatten Kundinnen und Kunden bei den rheinischen Sparkassen 144,4 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Das waren 3,1 Milliarden Euro weniger als im Vorjahr. Verbandsgeschäftsführer Pennertz erklärt die Entwicklung mit „Umschichtungen“ in großem Stil. Kundinnen und Kunden hätten ihr Geld verstärkt in Termineinlagen angelegt oder wieder festverzinsliche Wertpapiere gekauft, die nicht in die Bilanzen der Sparkassen einfließen.
Die Turbulenzen des vergangenen Jahrs führten positiv dazu, dass die rheinischen Sparkassen ihren Bilanzgewinn auf 420,5 Millionen Euro fast verdoppeln konnten. Auch die sogenannte Bürgerdividende kletterte auf rund 848 Millionen Euro. Mit dieser Kennziffer fasst der Verband Steuern, Ausschüttungen und Spenden zusammen, die in Ruhrgebietsstädten wie Essen, Duisburg, Oberhausen und Mülheim, am Niederrhein sowie dem Rheinland direkt und indirekt den Einwohnern zugute gekommen seien.
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