Essen. Commerzbank hat Filialnetz mehr als halbiert. Jetzt bilden sich vor Filialen lange Schlangen. Vorstand Schaufler sagt, wie er gegensteuern will.

Die Commerzbank hat in den vergangenen Jahren 600 Filialen geschlossen und will 10.000 Stellen abbauen. Jetzt stellt sie fest, dass sich vor den Geschäftsstellen lange Schlangen wartender Kundinnen und Kunden bilden. Im Interview sagt Privatkunden-Vorstand Thomas Schaufler, wie er gegensteuern will und warum das Kundendialogcenter in Duisburg für die Commerzbank an Bedeutung gewinnt.

Herr Schaufler, bei der Commerzbank sprudeln wieder die Gewinne. Ist die Krise der Bank überwunden?

Thomas Schaufler: Wir haben unsere Transformation bewusst „Strategie 2024“ genannt. Die Phase der Restrukturierung haben wir weitgehend geschafft. Dazu gehörten der Abbau von Arbeitsplätzen und die Verschlankung des Filialnetzes. Mit unserem neuen Geschäftsmodell sind wir auf einem guten Weg. Ich sehe aber auch, dass wir unsere Kundinnen und Kunden bei dem raschen Umbau von einer Filialorganisation zur einer Omnikanal-Bank vollumfänglich mitnehmen müssen. Einigen ist das zu schnell gegangen.

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Woran machen Sie das fest?

Schaufler: Nach der Corona-Pandemie, als die Filialen über lange Zeit schließen mussten, haben die Kunden vieles ausprobiert und waren gezwungen, unsere digitalen Angebote in Anspruch zu nehmen. Inzwischen geht man wieder raus und natürlich auch in die Commerzbank-Filiale. Vor allem in den großen Städten verbinden unsere Kundinnen und Kunden gerne mal einen Stadtbummel mit einem Filialbesuch. Auch um Geld abzuheben, gehen die Kunden zum Teil wieder lieber an den Kassenschalter als an die Automaten – einfach um hier in einem persönlichen Kontakt zu stehen. Das führt dazu, dass sich zum Teil lange Schlangen bilden und die Menschen auch mal bis zu 20 Minuten warten müssen, bis sie an der Reihe sind.

Wie wollen Sie darauf reagieren?

Schaufler: Ich war und bin selbst in den Filialen und spreche mit den Kundinnen und Kunden. Auch aus einer Umfrage wissen wir, dass die Menschen in 70 Prozent der Fälle mit ihrem Anliegen nicht in die Filiale hätten kommen müssen. Deshalb haben wir Teams gebildet, um unsere Online-Angebote besser zu erklären. Wir haben die Situation in Teilen falsch eingeschätzt.

Thomas Schaufler ist seit 2021 Mitglied des Commerzbank-Vorstands.
Thomas Schaufler ist seit 2021 Mitglied des Commerzbank-Vorstands. © © Alexandra Lechner Corporate Photography Frankfurt | Alexandra Lechner

Seit 2019 hat die Commerzbank ihr Filialnetz von 1000 auf 400 geschrumpft und will bis 2024 über die gesamte Bank hinweg rund 10.000 Stellen brutto abbauen. Wird es angesichts der Warteschlangen dabei bleiben?

Schaufler: Mit einem Netz aus 400 Filialen schaffen wir eine bundesweite Abdeckung. In den vergangenen zwölf Monaten haben wir aber gelernt, dass sich Kunden bei der Umstellung auf die Onlinewelt Unterstützung wünschen. Deshalb stellen wir nun erstmal 90 Mitarbeitende zusätzlich ein, die vor Ort im direkten Kontakt über unsere digitalen Angebote informieren und unseren Kundinnen und Kunden zur Seite stehen.

Die Rückkehr in die Filialen führen Sie also nicht auf eine generelle Skepsis gegenüber dem Onlinebanking oder Sorge vor Datenklau und Betrug zurück?

Schaufler: Nein. 6,1 Millionen unserer Kundinnen und Kunden nutzen unser digitales Postfach, und wir verzeichnen jeden Monat 78 Millionen Log-ins bei der Commerzbank-App. Wir investieren viel in die Sicherheit unserer Onlineangebote und informieren transparent, was wir in diesem Bereich tun.

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Die Commerzbank setzt auf Filialen, Flagship-Filialen, Beratungscenter wie in Düsseldorf und Köln sowie auf den Commerz Direkt-Service (CDS) in Duisburg, wo Anrufe und E-Mails auflaufen. Finden sich Ihre Kundinnen und Kunden in dieser komplexen Struktur noch zurecht?

Schaufler: Wer nicht in die Filiale kommt, hat einen einfachen digitalen Zugang über die Commerzbank-App. Über unsere App authentifiziert anzurufen, ist hier sehr hilfreich, da dann sofort alle Daten bei Kolleginnen und Kollegen im Kundendialogcenter einsehbar sind und das Anliegen so schneller gelöst werden kann. Das bedeutet auch, dass unsere Kundinnen und Kunden schnell den richtigen Ansprechpartner bekommen, wenn sie beispielsweise am Samstagvormittag Beratungsbedarf bei einer Baufinanzierung haben.

Sie haben den CDS, also das bundesweite Kundendialogcenter der Commerzbank, kontinuierlich ausgebaut. Wird die Bedeutung des Standorts Duisburg angesichts der fortschreitenden Digitalisierung weiter wachsen?

Schaufler: Duisburg ist für uns eine wichtige Säule. Wir haben dort inzwischen 750 Beschäftigte. Allein im ersten Halbjahr 2023 hatte unser Kundendialogcenter-Team 8,6 Millionen Kundenkontakte. Indem einfache Serviceanliegen über das Kundencenter bearbeitet werden, können sich die Filialen auf die Beratung konzentrieren. In Duisburg kann man im Kundendialogcenter 365 Tage im Jahr rund um die Uhr anrufen, egal ob man eine Karte sperren oder seine Adresse ändern möchte. Dort ist unser Betrugserkennungs- und Präventions-Team angesiedelt. Denn vor dem Hintergrund der zunehmenden Cyberkriminalität ist es immer wichtiger, Vorkehrungen zu treffen, um Handlungen von Betrügern effizient zu verhindern. Fragen zum Immobilienkredit oder Anlageberatung werden von Montag bis Samstag über unser Beratungscenter per Telefon und Video beantwortet, hier haben wir auch einen großen Standort in Düsseldorf.

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Die hohe Inflation und der rasante Anstieg der Zinsen bringen so manche Budgets und Finanzierungen ins Wanken. Brauchen die Verbraucher in diesen Zeiten wieder mehr Beratung von ihrer Bank?

Schaufler: Ja, in der Beratung ist der Zinsanstieg ein Riesenthema – aber nicht bei den Baufinanzierungsbeständen, da haben wir kein Thema. 95 Prozent der Kundinnen und Kunden haben Verträge mit fixen Laufzeiten abgeschlossen. Und die sind in der Regel gut finanziert, so dass es nahezu keine Ausfälle gibt. Das gilt auch für Anschlussfinanzierungen, weil wir sie seit jeher vorsichtig kalkuliert haben. Herausforderungen gibt es allerdings bei laufenden Projekten, sei es beim Bau eines Wohnhauses oder bei gewerblichen Immobilien. Steigende Zinsen und Baukosten können hier durchaus zu Verwerfungen führen. Das Neugeschäft in der Baufinanzierung erfordert daher intensive Beratung, um trotz gestiegener Zinsen die optimale Finanzierungslösung für unsere Kundinnen und Kunden zu finden.

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins auf 4,25 Prozent und den Einlagensatz auf 3,75 Prozent angehoben. Die Commerzbank zahlt ihren Bestandskunden auf dem Tagesgeldkonto aber nur 0,6 Prozent. Ist das gerecht?

Schaufler: Für neu angelegtes Geld gibt es bei der Commerzbank für Neu- und Bestandskunden drei Prozent und bei unserer Online-Tochter Comdirect 3,25 Prozent. Das kann sich im Wettbewerb sehen lassen. Ich finde interessant, wie stark der Fokus in Deutschland auf der Tagesgeld-Verzinsung liegt. Dabei verliert selbst bei diesen höheren Sätzen das angelegte Geld angesichts der Inflation an Wert. Ziel sollte es aber doch sein, dass das Vermögen seine Kaufkraft behält. Das erreicht aber nur, wer sein Geld breit gestreut anlegt – auch in Wertpapieren, Aktien und Fonds.

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Dagegen ist die Skepsis aber nach wie vor groß.

Schaufler: Ja. Deshalb sollte es ein gesellschaftspolitischer Auftrag sein, da gegenzusteuern. In Deutschland lagen per Mai zuletzt rund 1700 Milliarden Euro auf Konten, die im Schnitt 1,5 Prozent Rendite abwerfen. Wegen der hohen Teuerung verlieren Sparer jährlich mehrere Milliarden Euro an Wert.

Haben Sie eine Idee, wie Vorbehalte gegen Wertpapieranlagen ausgeräumt werden könnten?

Schaufler: Ein möglicher Ansatz wäre es, wenn der Bund langfristige Anlagen steuerlich begünstigen würde. Wer seine Altersvorsorge auf Wertpapierbasis fünf oder zehn Jahre nicht anrührt, sollte für die Gewinne keine Steuern bezahlen müssen. Damit würde man einen Anreiz schaffen, in solche Produkte zu investieren.

Wagen Sie eine Prognose, wie sich Zinsen und Inflation entwickeln werden?

Schaufler: Unsere Ökonomen gehen davon aus, dass die EZB erst einmal keinen weiteren Schritt zur Anhebung der Zinsen gehen wird. Ende des Jahres dürfte die Inflation in Deutschland bei etwa vier Prozent liegen. Im kommenden Jahr ist sogar mit noch niedrigeren Werten zu rechnen. Allerdings dürften die deutlich steigenden Lohnkosten verhindern, dass die Kernteuerungsrate in die Nähe des EZB-Ziels von zwei Prozent kommen wird. Vielmehr dürfte sie sich bei Werten von über drei Prozent stabilisieren.


>>> Zur Person: Thomas Schaufler

Thomas Schaufler (53) ist seit Ende 2021 Vorstand für das Segment Privat- und Unternehmerkunden bei der Commerzbank. In seiner Verantwortung liegt das Geschäft mit knapp elf Millionen Kunden von Commerzbank und Comdirect.

Der gebürtige Österreicher begann seine Karriere 1993 bei der Erste Bank, dem Zentralinstitut der österreichischen Sparkassen. 2016 wurde er Mitglied des Vorstands.

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