Essen. Dem Ruhrgebiet fehlt ein Symbol für Zukunft, meint Wirtschaftsförderer Beck. Grüner Wasserstoff habe die Chance, diese Marke zu werden.
Sieben Jahre lang stand Rasmus C. Beck an der Spitze der Business Metropole Ruhr GmbH (BMR). Am 1. Februar wechselt er zur Duisburger Gesellschaft für Wirtschaftsförderung. Wir haben den 40-Jährigen mit eigenen Äußerungen und denen anderer aus der Zeit seines Amtsantritts konfrontiert. Was ist daraus geworden?
„Das ist die spannendste Aufgabe, die ein Wirtschaftsförderer haben kann.“
Rasmus C. Beck: Es war mir eine große Ehre, dem Ruhrgebiet dienen zu können. Um die Region wirtschaftlich voranzubringen, braucht man einen langen Atem. Hätte sich in Duisburg und damit im Ruhrgebiet nicht die große Herausforderung aufgetan, etwas ganz Neues aufzubauen, wäre ich gern in der Business Metropole Ruhr geblieben.
„Das Ruhrgebiet muss als attraktiver Lebens- und Arbeitsstandort mit all seiner Dynamik und Vielfältigkeit als Marke von außen ins Auge stechen.“
Beck: Ich bin mir sicher, dass das Ruhrgebiet zu einer Marke geworden ist. In der gesamten Republik hat sich herumgesprochen, dass es hier ein immenses Wirtschafts-, Bildungs- und Freizeitangebot gibt und dass es sich an der Ruhr recht günstig leben lässt. Die Dynamik hat ganz klar zugenommen. Uns ist es aber noch nicht gelungen, etwa dem bayrischen Slogan „Laptop und Lederhose“ einen Revier-Slogan entgegenzusetzen. Unsere Lederhose ist unsere Montanvergangenheit. Ein klares Symbol für die Zukunft gibt es aber noch nicht, daran arbeitet die Region weiter.
„Es gibt zu wenige qualifizierte Industriearbeitsplätze. Der Strukturwandel ist noch längst nicht vorbei.“
Beck: Das Ruhrgebiet ist mit seiner sozialen und wirtschaftlichen Vergangenheitsbewältigung noch nicht fertig. Das habe ich rückblickend unterschätzt, das braucht auch in Zukunft wohl noch einige Zeit. Aber es gibt mit der Wissenschaftslandschaft, Gesundheitswirtschaft, Cybersicherheit und Logistik klare neue Stärken. Auch die Industrie erfindet sich neu: Wenn es Thyssenkrupp schaffen sollte, als erster Konzern CO2-freien Stahl zu produzieren, dann hat sich die Frage von allein beantwortet, wofür das Ruhrgebiet im 21. Jahrhundert steht. Deshalb kann man Thyssenkrupp nur dabei unterstützen, Stahl mit grünem Wasserstoff herzustellen. Die Region hat die nötige Infrastruktur, große Erfahrungen mit der Erfindung von technischen Revolutionen und das nötige Wissen. Wenn nicht hier, wo also dann?
„Das Ruhrgebiet ist nicht abgehängt.“
Beck: Der Satz stimmt heute mehr denn je, obwohl es noch einige Baustellen gibt. Bei der wirtschaftlichen Entwicklung hat das Ruhrgebiet die rote Laterne abgegeben. Wir sind auf Feldern wie Digitaler Kommunikation, Mobilität oder schonender Umgang mit Ressourcen stärker gewachsen als andere Metropolen. In den vergangenen sieben Jahren sind rund 400.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zusätzlich entstanden. Trotz aller Erfolge sind wir aber immer noch bei der Aufholjagd und müssen aus dem Mittelfeld weiter nach oben kommen. Denn in anderen Regionen ist es auch gut gelaufen. Deshalb dürfen wir uns jetzt nicht ausruhen.
„Es gibt Anlass zur Sorge, dass es zu einem Gewerbeflächen-Engpass kommt“, sagte Günther Horzetzky, Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium, Ende Oktober 2012.
Beck: Die Flächennot hat sich seither noch verschärft, weil die Kommunen einen guten Job gemacht und viele neue Firmen angesiedelt haben. Die Knappheit trifft das Ruhrgebiet besonders. Andere große Städte haben oft große Reserven im Umland. Deshalb brauchen wir in der Metropole Ruhr dringend eine regionale Vereinbarung zur Gewerbeflächenentwicklung unter allen 53 Kommunen, damit wir nicht immer wieder neu diskutieren müssen: Gerade auf Brachen, wo einmal Industrie war, soll grundsätzlich auch wieder Industrie angesiedelt werden können. Die Kommunen müssen mit ausreichend Geld ausgestattet werden, um diese Flächen kaufen und sanieren zu können. Das schützt Grünzüge und Freiraum. Aber ohne öffentliche Mittel werden wir das Problem nicht lösen können.
„Das Bewusstsein für Gemeinsamkeit über die Stadtgrenzen hinaus ist gewachsen“, Thomas Westphal, Becks Vorgänger, bei seinem Abschied im Mai 2013.
Beck: Alle 53 Ruhrgebietskommunen haben eigene und auch gemeinsame Interessen. Wir Wirtschaftsförderer haben der Kooperation in den vergangenen Jahren das Ideologische genommen. Sie muss freiwillig sein und sich für alle Beteiligten lohnen. Es gibt auf der Immobilienmesse Expo Real oder bei der Internationalisierung kein Kirchturmdenken mehr, da vermarkten wir uns gemeinsam. Als Business Metropole Ruhr haben wir es geschafft, regionale Dienstleistungen anzubieten, ohne damit Machtfragen zu stellen. Durch diesen Mehrwert hat die BMR Vertrauen gewonnen und wird auch in Zukunft gebraucht.
>>> Neuer Geschäftsführer gesucht
Rasmus C. Beck wechselt zum 1. Februar zur Gesellschaft für Wirtschaftsförderung. Die Business Metropole Ruhr (BMR) führt dann vorübergehend der zweite Geschäftsführer Markus Schlüter, im Hauptberuf Beigeordneter für Wirtschaft beim Regionalverband Ruhr.
Die Suche nach der Beck-Nachfolge hat der vom Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) geführte Aufsichtsrat bereits eingeleitet. Wann die oder der Neue präsentiert wird, ist offen.