Essen. Umbau beim Essener Chemiekonzern Evonik: Vorstandschef Kullmann plant Firmenverkäufe, aber auch milliardenschwere Investitionen.

Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann will den Essener Chemiekonzern umbauen und plant Firmenverkäufe sowie milliardenschwere Investitionen. „Mit Veräußerungs- und Optimierungsprojekten trennen wir uns binnen weniger Jahre von mehr als 7000 Stellen weltweit, ein Großteil davon in Deutschland“, sagte Kullmann in einem Gespräch mit Journalisten in der Essener Konzernzentrale. Rund 1000 Stellen sollen demnach allein mit dem Verkauf des sogenannten C4-Geschäfts von Evonik entfallen, das insbesondere am Standort Marl beheimatet ist.

Rund 900 Arbeitsplätze will der Essener Konzern mit dem Verkauf des Babycare-Geschäfts abgeben, rund 600 Stellen mit einer Trennung vom Standort Lülsdorf. Kullmanns Liste wird durch frühere Einschnitte komplettiert, darunter der Verkauf des traditionsreichen Plexiglas-Geschäfts sowie ein Abbau von rund 1000 Stellen im Zuge eines Sparprogramms insbesondere in der Verwaltung.

„Bei Evonik wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben, solange ich Vorstandsvorsitzender bin“, betont Kullmann, der das Unternehmen seit dem Jahr 2017 führt. „Hier fällt niemand ins Bergfreie.“ Bei den geplanten Firmenverkäufen stehe Evonik nicht unter Druck. „Evonik geht es insgesamt sehr gut“, sagt der Vorstandschef. Sein Ziel sei es, Evonik weiter nach vorne zu bringen und mit dem Revierkonzern „weltweit die erste Adresse der Spezialchemie zu werden“.

Der Essener Chemiekonzern Evonik bündelt seine Geschäfte in vier Divisionen rund um Produkte für die Pharma-, Kosmetik- und Ernährungsindustrie („Nutrition & Care“), Werkstoffe („Smart Materials“), Additive für die industrielle Anwendung („Specialty Additives“) sowie rohstoff- und energieintensive Basischemie („Performance Materials“). Als „Wachstums-Divisionen“ sieht Kullmann die drei zuerst genannten Bereiche. „Die Division Performance Materials lösen wir auf. Die Geschäfte werden wir Schritt für Schritt verkaufen“, kündigt er an.

Rund 1000 Beschäftigte von Verkauf des C4-Verbunds betroffen

Außerhalb der drei „Wachstumsdivisionen“ will Evonik keine nennenswerten Investitionen mehr tätigen. Daher sei eine Trennung vom C4-Verbund, wo Investitionen erforderlich seien, folgerichtig. Für Evonik ist es ein großer Einschnitt. Mit einem jährlichen Umsatz in Höhe von 1,8 Milliarden Euro steht der Bereich, der nun auf die Verkaufsliste wandert, für etwa ein Zehntel des gesamten Konzerns. 1000 Beschäftigte sind voraussichtlich von der Transaktion betroffen. „Zusätzlich zu den gut 500 Mitarbeitern, die direkt zu diesem Bereich gehören, kommen noch Beschäftigte in der Verwaltung und in Service-Einheiten“, erläutert Kullmann.

Die Produkte des für C4-Chemikalien zuständigen Evonik-Geschäftsgebietes „Performance Intermediates“ sind nach Darstellung des Unternehmens die Grundlage vieler moderner Anwendungen im Alltag. Überwiegend gehe es um Kunststoffe und Beschichtungen, zum Beispiel in Autos sowie im Wohn- und Freizeitbereich. Endprodukte der Evonik-Kunden seien beispielsweise Autoreifen, PVC-Fußböden, Sportflaschen oder Lebensmittelverpackungen.

Weltweit gehören mehr als 33.000 Mitarbeiter zu Evonik. Mit dem Konzernsitz in Essen und dem Chemiestandort Marl, wo das Unternehmen rund 7000 Menschen beschäftigt, ist Evonik einer der großen Arbeitgeber in NRW. Die Mehrheit der Evonik-Aktien gehört der RAG-Stiftung, die auf dem Essener Welterbe-Areal Zollverein residiert. Aufgabe des Stiftungskonzerns ist es, Geld für die Ewigkeitskosten des Steinkohlenbergbaus zu erwirtschaften.

Bis 2030 will Evonik acht Milliarden Euro „in die Zukunft des Konzerns“ investieren

Nicht nur die Trennung von Konzernteilen, sondern auch ein milliardenschweres Investitionsprogramm gehört zur Strategie von Konzernchef Kullmann. „Bis 2030 wollen wir acht Milliarden Euro in die Zukunft des Konzerns investieren, etwa die Hälfte in Instandhaltung und die andere Hälfte in Wachstum aus eigener Kraft“, sagt er. „Von den vier Milliarden Euro in Wachstum fließen drei Milliarden Euro in unsere Next Generation Solutions, also in Produkte mit überragendem Nachhaltigkeitsnutzen.“ Es gehe beispielsweise um Technologien für pharmazeutische Wirkstoffe, Biogas, Wasserstoff oder kosmetische Wirkstoffe auf natürlicher Basis. Bis zum Jahr 2025 wolle Evonik eine Milliarde Euro zusätzlichen Umsatz mit Produkten aus „Innovations-Wachstumsfeldern“ generieren – mit Margen über 20 Prozent.

Die Gewerkschaft IGBCE hatte Kullmann unlängst dazu aufgefordert, mehr Geld in die heimischen Werke fließen zu lassen, um diese fit für die Zukunft zu machen. „Die Hälfte der acht Milliarden Euro investieren wir in unsere Standorte in Deutschland“, berichtet Kullmann nun.

Der Konzern steckt sich auch Ziele zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen. „Bislang war unser Ziel, die CO2-Emissionen von 2008 bis 2025 zu halbieren. Das haben wir bereits nahezu erreicht“, erklärt Kullmann. „Bis zum Jahr 2030 wollen wir weitere 25 Prozent unserer CO2-Emissionen reduzieren.“ Dieses Ziel beziehe sich auf das Basisjahr 2021. „Evonik wird grüner“, sagt Kullmann. Ziel sei es, das Unternehmen „robuster und nachhaltiger“ zu machen.

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