Essen. Der Essener Chemiekonzern Evonik plant einen riesigen Firmenverkauf. Es geht um mehr als zehn Prozent vom Konzernumsatz – und den Standort Marl.
Der Essener Chemiekonzern Evonik bereitet eine gewaltige Transaktion vor und will sich im Zuge eines Firmenverkaufs von mehr als zehn Prozent seines weltweiten Umsatzes trennen. Betroffen ist das Geschäft, das konzernintern als C4-Verbund mit Standorten in Marl und im belgischen Antwerpen bekannt ist.
Geplant sei, einen Käufer zu suchen, der das Geschäft zunächst mit Evonik in einem Gemeinschaftsunternehmen betreiben und später eigenständig führen wolle, erfuhr unsere Redaktion aus dem Umfeld des Konzerns. Auf Anfrage bestätigte dies ein Evonik-Sprecher und erklärte, es sei das Ziel, für den C4-Verbund „Entwicklungsmöglichkeiten außerhalb des Konzerns zu erschließen“.
Vorstandschef Christian Kullmann hatte bei seinem Amtsantritt im Jahr 2017 das Ziel ausgegeben, Evonik zum „besten Spezialchemiekonzern der Welt“ zu machen. Der geplante Verkauf entspreche der Strategie des Unternehmens, sich „auf margen- und wachstumsstarke Geschäfte der Spezialchemie“ zu fokussieren, wird im Umfeld des Konzerns betont.
Der Evonik-Konzern bündelt seine Geschäfte in vier Divisionen rund um Produkte für die Pharma-, Kosmetik- und Ernährungsindustrie („Nutrition & Care“), Werkstoffe („Smart Materials“), Additive für die industrielle Anwendung („Specialty Additives“) sowie rohstoff- und energieintensive Basischemie („Performance Materials“). Als „Wachstums-Divisionen“ betrachtet Vorstandschef Kullmann die drei zuerst genannten Bereiche.
Auch interessant
Außerhalb der drei „Wachstumsdivisionen“ wolle Evonik „keine nennenswerten Investitionen“ mehr tätigen. Daher sei eine Trennung vom C4-Verbund, wo in absehbarer Zeit Investitionen erforderlich seien, nur folgerichtig. Für Evonik ist es durchaus ein großer Einschnitt. Mit einem jährlichen Umsatz in Höhe von 1,8 Milliarden Euro steht der Bereich, der nun auf die Verkaufsliste kommt, für etwa ein Zehntel des gesamten Konzerns rund um den Globus.
Evonik strebt Verhandlungen mit Betriebsrat an
Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl eines Käufers sei, dass er langfristig investieren wolle und damit auch den Beschäftigten von Evonik „bestmögliche Perspektiven“ biete, erklärte das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion. Evonik wolle „mit Sorgfalt einen geeigneten, starken Partner“ suchen. In einem ersten Schritt soll der C4-Verbund nun als eigenständige unternehmerische Einheit innerhalb des Evonik-Konzerns aufgestellt werden, danach soll die Partnersuche beginnen. Der Betriebsrat sei im Laufe der Woche über die Pläne informiert worden.
Auch interessant
Mit Blick auf den anstehenden Verkaufsprozess seien auch Verhandlungen zwischen Management und Arbeitnehmervertretern geplant. In dem zum Verkauf vorgesehenen Geschäftsbereich arbeiten mehr als 500 Beschäftigte, davon der Großteil am nordrhein-westfälischen Evonik-Großstandort Marl und knapp 100 Menschen in Antwerpen.
Die Produkte des für C4-Chemikalien zuständigen Geschäftsgebietes „Performance Intermediates“ sind nach Darstellung des Unternehmens die Grundlage vieler Anwendungen im Alltag. „Im täglichen Leben begegnen uns die Produkte auf Schritt und Tritt“, heißt es in einer Präsentation von Evonik. Überwiegend gehe es um Kunststoffe und Beschichtungen, zum Beispiel in Autos sowie im Wohn- und Freizeitbereich. Hinzu kämen Kautschuk, Schmierstoffe, Benzinzusätze, Kosmetika oder Lösemittel in der pharmazeutischen und chemischen Industrie. Endprodukte der Evonik-Kunden seien beispielsweise Autoreifen, PVC-Fußböden, Sportflaschen oder Lebensmittelverpackungen.
Einer der großen Arbeitgeber in NRW – und speziell in Marl
Weltweit gehören mehr als 33.000 Mitarbeiter zu Evonik. Mit dem Konzernsitz in Essen und dem Chemiestandort Marl, wo das Unternehmen rund 7000 Menschen beschäftigt, ist Evonik einer der großen Arbeitgeber in NRW. Die Mehrheit der Evonik-Aktien gehört der RAG-Stiftung, die auf dem Essener Welterbe-Areal Zollverein residiert. Aufgabe des Stiftungskonzerns ist es, Geld für die Ewigkeitskosten des Steinkohlenbergbaus zu erwirtschaften.
Erst vor wenigen Tagen hatte Evonik bei einer von Konzernchef Kullmann präsentierten Zwischenbilanz betont, die Division „Performance Materials“ profitiere aktuell von einer höheren Nachfrage und von verbesserten Verkaufspreisen für C4-Produkte. „In einem Umfeld – geprägt von Unsicherheiten und Engpässen – ist Evonik gut ins Jahr gestartet“, sagte Kullmann mit Blick auf die Gesamtlage des Konzerns. Er verwies allerdings auch auf hohe Energiepreise angesichts des Ukraine-Krieges und „erhebliche Unsicherheiten“ in der Rohstoffversorgung, die eine Belastung für die Industrie seien.