Bochum.

Seit sechs Monaten kämpft der Ölkonzern BP mit der Ölpest im Golf von Mexiko. Die Umweltkatastrophe hat auch die Angestellten in Deutschland stark beschäftigt. Wie haben die Auszubildenden in der Zentrale in Bochum die Diskussion erlebt?

„Go for Green“- so prangt es über dem Stand der BP Europa auf der Einstieg-Abi-Messe in Dortmund Mitte September. An diesem Sonntag, 31. Oktober, ist Bewerbungsstopp bei BP in Deutschland, das bedeutet: Endspurt in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Messebesuche. Auch in den Dortmunder Westfalenhallen wollen die Auszubildenden für duales Studium und Ausbildung bei BP werben. Doch die meiste Zeit sehen sie etwas verloren aus, an ihrem grünen Stand. Interessiert sich wirklich jemand für die Ausbildungsangebote, oder provoziert ihr Auftritt unter dem Öko-Slogan eher verbale Angriffe? „Natürlich werden wir oft drauf angesprochen, die Leute haben so viele Vorurteile, das ist unglaublich“, sagen die Azubis. „Dabei wissen sie so wenig über unser Unternehmen und die ganzen Hintergründe der Katastrophe.“

„Ach, du arbeitest bei den Umweltverschmutzern?“

Ein Bild ging um die Welt: Erst fünf Monate nach der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ war das Leck im Golf von Mexiko gestopft. (Foto: rtr)
Ein Bild ging um die Welt: Erst fünf Monate nach der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ war das Leck im Golf von Mexiko gestopft. (Foto: rtr) © REUTERS

Fünf Monate lang hatte es gedauert, bis der britische Ölkonzern das Leitungsleck der explodierten Ölplattform Deepwater Horizon am 19. September endgültig verschließen konnte. Doch auch etwas anderes dauerte sehr lang: Ebenfalls erst im September gab es erste wissenschaftliche Zahlen, wie viel Öl durchschnittlich ausgeströmt ist. Die Wissenschaftler der amerikanischen Fachzeitschrift „Science“ kamen auf 9 bis 11 Millionen Liter täglich, insgesamt flossen demnach 4, 4 Millionen Barrel – also 700 Millionen Liter – Rohöl in den Golf von Mexiko. Bis diese unabhängigen Berechnungen kamen, kursierten auf allen Kanälen widersprüchliche, täglich schwankende Werte.

„Was da in den Medien monatelang rausgeschossen wurde, das war schon abenteuerlich, das war nicht die Faktenlage“, sagt Maximilian Conrad. Der Auszubildende im Marketing- und Kommunikationsbereich in der deutschen BP-Hauptverwaltung in Bochum war zu Beginn der Katastrophe noch in Südafrika, zum Auslandssemester. „Da kannte ich natürlich nur die Medienlage und war sehr verwirrt, was stimmt denn jetzt, was nicht? Erst als ich wieder hier war, in den Unternehmensstrukturen, hatte ich einen objektiven Überblick“, sagt der 24-Jährige. Er war geschockt, auf welchem Niveau selbst sein persönliches Umfeld die Katastrophe diskutierte: „Da kamen Sprüche wie: ‘Na, meinst du, deinen Ausbildungsplatz gibt es morgen noch?’ Oder: ‘Ach, du arbeitest bei den Umweltverschmutzern?’“ Auf den Ausbildungsmessen sei vor den Firmen-Ständen häufig „rumkrakelt“ worden.

Tägliche Updates aus den USA

Ursprünglich hatte sich Maximilian Conrad für eine Ausbildung bei BP entschieden, weil er „ein internationales Unternehmen suchte, in dem man viel lernen kann.“ Er fand die Atmosphäre sehr angenehm und fand auch die „Bereiche Soziales und Umwelt gut abgedeckt“- grenzübergreifend. Die Internationalität bekam er ab April jedoch auch noch ganz anders zu spüren. Da er in der Externen Kommunikation des Unternehmens arbeitet, hat er hautnah mitbekommen, wie der Ölkonzern das weltweite Informations-Chaos in der Öffentlichkeit zu lichten versuchte. Die Kommunikationsoffensive, die BP nach der Explosion der Ölplattform mit unzähligen Hotlines, Infowebsites, Livescreens und Foren gestartet hat, hält er für unbedingt notwendig und gerechtfertigt.

Zu dieser Offensive gehörte auch der Ankauf von Anzeigenplätzen bei der Suchmaschine Google, die bei Suchbegriffen wie „oil spill“ oder „deepwater horizon“ noch über den ersten Suchergebnissen erscheinen. Sie verweisen auf die eigens eingerichteten Krisenhomepages, auf der BP eigene Informationen zur Ölpest herausgibt. Dafür war das Unternehmen von vielen Seiten harsch kritisiert worden, es hieß, der Konzern versuche nicht nur die Informationslage zu ordnen, sondern auch zu lenken. Die Unternehmenswebsites seien die objektivste und genauste Quelle, glaubt dagegen Maximilian Conrad. Auch die Kommunikation im Unternehmen selbst fand der Azubi gut. „Ich habe mich als Auszubildender in das Krisenmanagement einbezogen gefühlt“, sagt der 24-Jährige. „Zum Beispiel durch die täglichen Updates von der Unternehmensleitung in Amerika, durch Diskussionen und durch Leitfäden, wie man mit Faktenwissen auf Angriffe von Leuten im Alltag reagieren kann.“

Kein Azubi ist abgesprungen

Im April hatten die neuen Auszubildenden 2010 ihr erstes gemeinsames Schnuppertreffen. „Natürlich war die Ölkatastrophe da allgegenwärtig, das konnten wir gar nicht ignorieren“, sagt Andreas Buckert, verantwortlicher Manager im Ausbildungsbereich in Bochum. „Wir haben dem Thema Platz eingeräumt, auch um gegen Pseudo-Informationen anzugehen“, sagt Buckert. „Das war extrem hilfreich, keiner der künftigen Azubis ist abgesprungen.“

Protest: Nicht nur wie hier in Bochum zoegen Umweltschützer im Sommer gegen Ölkonzerne zu Felde. (Foto:  Ulrich Baatz/Greenpeace)
Protest: Nicht nur wie hier in Bochum zoegen Umweltschützer im Sommer gegen Ölkonzerne zu Felde. (Foto: Ulrich Baatz/Greenpeace) © © Ulrich Baatz/Greenpeace

Für den nächsten Ausbildungsjahrgang bewarben sich in diesem Jahr in Bochum sogar rund 23 Prozent mehr junge Leute als gewöhnlich. Das lag zum einen daran, dass sich BP in den letzten Monaten auf sehr vielen Studenten- und Abi-Messen gezeigt und die beschriebenen Angriffe in Kauf genommen hat. „Aber – es mag grotesk klingen – in gewisser Weise hat vielleicht auch der Vorfall in Amerika positiv zu unserer Bekanntheit hier in Deutschland beigetragen“, sagt Buckert. Denn vorher sei British Petroleum, das sich seit dem Jahr 2000 selbst lieber „beyond petroleum“ nennt, in Deutschland kaum bekannt gewesen.

BP ist Image-Gewinner

„Das ist ja ein allgemein bekanntes Phänomen: Schlechte Werbung ist besser als keine Werbung“, sagt Holger Geißler von YouGov Psychonomics. „Von einer allgemeinen Entwicklung kann aber keine Rede sein, das Arbeitgeberimage von BP liegt in der Gesamtbevölkerung aktuell bei -19 Punkten und bei jungen Leuten sogar bei -23 Punkten“, so der Experte des Marktforschungsinstituts.

YouGov Psychonomics erhebt täglich Daten zu mehr als 500 Marken und rund 20 Unternehmen und kann dadurch Aussagen zum Image verschiedener Firmen treffen. Zwischen März und Mai stürzte BP im YouGov-Marken-Index, den Holger Geißler für die USA erstellt hat von 35 auf -3 Punkte und in Deutschland von 2 auf -32 Punkte ab. „In diesem Zusammenhang muss man BP allerdings auch als den größten Image-Gewinner der letzten drei Monate sehen“, so Geißler. Mittlerweile liegt der Konzern in Deutschland nämlich nur noch bei knapp -15 Punkten, was weniger an positiven, denn an weniger negativen Assoziationen mit dem Unternehmen liege. Denn wie Conrad sieht auch Geißler die Ölpest nicht nur als Umweltkatastrophe, sondern auch als ein Thema, auf das sich die Medien besonders sehr gerne stürzen.

Marken-Töchter leiden kaum

Ölfilm auf dem Golf von Mexiko. (Foto: ap)
Ölfilm auf dem Golf von Mexiko. (Foto: ap) © AP

Holger Geißler prognostizierte im Mai, dass auch Aral einen vergleichbaren Absturz erleben würde. Damit lag der Experte nicht ganz richtig: Zwar ging die Beliebtheit Arals ebenfalls um sieben Zähler zurück, auf der anderen Seite kam dieser Rutsch erst deutlich verzögert Mitte Juli zustande. Viele Verbraucher bringen BP noch immer nicht mit den Marken Aral oder Castrol in Verbindung, die auch zum Konzern gehören. Viele Deutsche fahren deshalb zweigleisig, wenn sie das Unternehmen für die riskanten Tiefseebohrungen kritisieren, ihre Mobilität aber nicht einschränken wollen und zum Tanken auch noch zu Aral fahren.

Die Reaktionen auf den Slogan „Go for Green“ auf den verschiedenen Messen zeigen, dass die meisten nichts weniger mit Nachhaltigkeit verbinden als den Konzernnamen. Zu Unrecht, wie Maximilian Conrad und andere Auszubildende finden.„Viele beachten gar nicht, dass wir auch im Bereich Erneuerbare Energien sehr aktiv sind.“ Tatsächlich nennt sich der Konzern „ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit“ und gibt an, aus der Riege der Energiekonzerne die meisten Investitionen in Erneuerbare Energien zu tätigen.

„Wir wissen, dass wir noch besser werden können“

Diese Behauptung lässt sich schwer überprüfen. Verschiedene Verbände vom Bundesverband der Solarwirtschaft bis zum Bundesverband Erneuerbaren Energien schätzen das Engagement im Bereich alternativer Energien ambivalent – von „durchaus ernsthaft“ bis „sicher zum Teil auch Greenwashing“ – ein. 2009 hatte der Unternehmensbereich BP Solar einen Marktanteil von knapp 20 Prozent im Photovoltaikgeschäft und war somit wie auch in den Vorjahren einer der größten Wettbewerber in Deutschland. Auch in Sachen Windenergie ist der Konzern sehr aktiv, kauft Windenergie- und Projektentwickler auf. Das sind Schritte in Richtung nachhaltiger Orientierung.

Doch nach wie vor investiert der Konzern zu mehr als 90 Prozent in Öl- und Gasprojekte und erzielt damit auch rund 95 Prozent seines Umsatzes. „Unsere Geschäftsbasis ist klar, wir sind ein Mineralölkonzern“, sagt Conrad dazu. Das Logo „Go for Green“ halten sie in Bochum jedoch für absolut gerechtfertigt. „Wir haben das ja nicht erst nach der Sache mit der Ölplattform erfunden, das ist keine leere Blase“, sagt Andreas Buckert. Man bemühe sich, den Slogan auszufüllen, auch wenn das nicht immer gelinge. „Go for meint ja auch: Wir wissen, dass wir noch besser werden können“, so Buckert.

Von der Unternehmensleitung in Amerika erwarten sie dasselbe. Seit einem Monat heißt der Vorstandschef des Unternehmens nun nicht mehr Tony Hayward sondern Bob Dudley. Mit dem ersten US-amerikanischen Konzernchef kam auch ein neues Sicherheitskonzept. Die Ölfeld-Suche und Erkundung wird in eine eigene „Sicherheitssparte“ ausgelagert und externe Partner wie zum Beispiel der Mitbetreiber der Bohrinsel Transocean sollen zukünftig strenger kontrolliert werden. „Da muss jetzt auf jeden Fall was passieren“, findet Maximilian Conrad. „Die Marschrichtung ist schon gut, aber sie müssen das Konzept jetzt auch konsequent durchziehen, darauf will ich hier in Deutschland bauen können.“