Essen. .
Die Übernahmeschlacht um den Baukonzern geht in die entscheidende Phase. Auch SPD-Chef Gabriel schaltet sich ein.
Unterschiedlicher könnten die Gegner kaum sein. Auf der einen Seite steht Florentino Perez, ein schillernder Unternehmer, Regent des spanischen Baukonzerns ACS und Präsident des Fußballclubs Real Madrid. Sein Kontrahent heißt Herbert Lütkestratkötter, ein bodenständiger Westfale, der seit gut drei Jahren solide und unaufgeregt die Geschäfte des Essener Traditionskonzerns Hochtief führt. Das Extravaganteste, was über ihn bekannt ist, dürfte sein Spitzname sein: Dr. Lü.
Perez und Lütkestratkötter stehen im Mittelpunkt einer spektakulären Übernahmeschlacht um Deutschlands größten Baukonzern. Der Kampf wird immer heftiger – und er erstreckt sich über mehrere Fronten. Für beide Lager arbeiten Scharen von Anwälten, Beratern und Investmentbankern. Das Hochtief-Management feilt an Strategien, um eine feindliche Übernahme abzuwehren und die Unabhängigkeit des Revierkonzerns mit seinen weltweit rund 70 000 Beschäftigten zu sichern. Zeitgleich bereitet das ACS-Team ein Übernahmeangebot vor, das bis Donnerstag der deutschen Wertpapieraufsicht vorliegen soll. Der Kampf um Hochtief geht in die entscheidende Phase.
Auch die Politik ist alarmiert. Ebenfalls am Donnerstag wird SPD-Chef Sigmar Gabriel in Essen erwartet. Betriebsratschef Siegfried Müller hofft, dass sich Gabriel auf die Seite der Beschäftigten schlägt. „Es geht darum, eine mögliche Zerschlagung und den Verlust von Arbeitsplätzen abzuwenden“, sagt Müller. Geplant ist, dass der SPD-Vorsitzende an einer Betriebsversammlung teilnimmt. Von Hochtief-Managern will er sich über die Lage informieren lassen. Rund 11 000 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern in Deutschland, viele davon am Firmensitz in Essen.
Giftpillen im Gespräch
Auf Seiten der Arbeitnehmer wird ACS misstrauisch beäugt. Zwar habe der spanische Konzern öffentlich angekündigt, Hochtief nicht zerschlagen zu wollen, sagt der Chef der zuständigen Gewerkschaft IG BAU, Klaus Wiesehügel. Aber ACS habe vor einem Jahr eben auch beteuert, Hochtief nicht übernehmen zu wollen. „Und jetzt liegen die Dinge anders. Da stellt sich schon die Frage nach der Glaubwürdigkeit solcher Absichtserklärungen“, sagt Wiesehügel, der auch Aufsichtsratsmitglied von Hochtief ist.
Allerdings sind die politischen Einflussmöglichkeiten zum Schutz des Essener Baukonzerns gering. Eine „Lex Hochtief“ – ein eigenes Gesetz zur Wahrung der Eigenständigkeit des Unternehmens – gilt schon wegen des Zeitdrucks als unwahrscheinlich.
Eine entscheidende Rolle spielt in jedem Fall, wie sich die Aktionäre verhalten. Ziel von Hochtief ist, den eigenen Aktienkurs in die Höhe zu treiben, um eine Übernahme möglichst teuer zu machen. Auffallend häufig veröffentlichte der Konzern in den vergangenen Tagen Erfolgsmeldungen wie neue Aufträge in Millionenhöhe. Außerdem soll Hochtief „Giftpillen“ in der Tasche haben, die ACS schwächen könnten. Denkbar ist zum Beispiel eine Kapitalerhöhung bei Hochtief, um den ACS-Anteil von derzeit knapp 30 Prozent zu verwässern. Der Essener Konzern versucht außerdem, den spanischen Konkurrenten zu einem Angebot für die lukrative australische Hochtief-Tochter Leighton zu zwingen, um eine Übernahme deutlich zu verteuern.
Hoffen auf einen „weißen Ritter“
Auch ein sogenannter „weißer Ritter“ könnte Hochtief noch Rettung bringen – ein interessierter Aktionär, der den Kampf gegen ACS aufnimmt und zumindest eine Sperrminorität von mehr als 25 Prozent erwirbt. „Die Hoffnung ist gegeben“, sagt Betriebsratschef Müller, wenn man ihn auf dieses Thema anspricht. „Es sind Kontakte geknüpft.“ Einzelheiten will Müller allerdings nicht nennen.
Zu Wochenbeginn traf sich erstmals ein Sonderausschuss des Hochtief-Aufsichtsrats: der Ad-Hoc-Ausschuss. Offenbar soll der Kreis der Mitwisser, die Details der Abwehrstrategie gegen ACS kennen, möglichst klein gehalten werden. Neben dem früheren Hochtief-Chef und amtierenden BDI-Vorsitzenden Hans-Peter Keitel gehört auch Heinrich von Pierer zu dem exklusiven Zirkel. Damit übernimmt der einstige Siemens-Chef, der vor drei Jahren über eine Korruptionsaffäre stürzte, eine Schlüsselrolle im Abwehrkampf von Hochtief.