Brüssel. EU-Industriekommissar Günter Verheugen glaubt nicht, dass der Höhepunkt der Wirtschaftskrise schon vorbei ist. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen bereiten ihm Sorgen. BDI-Chef Hans-Peter Keitel befürchtet eine Zuspitzung der Krise durch die Kreditklemme.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen hat Erwartungen an ein baldiges Ende der globalen Rezession gedämpft. «Ich bin nicht der Meinung, dass in der Wirtschaftskrise das Schlimmste schon hinter uns liegt. Ich sehe jedenfalls noch kein Licht am Ende des Tunnels», sagte er der Tageszeitung «Die Welt» (Montagausgabe). Die Kreditklemme sei immer noch ein Problem, und je länger sie dauere, desto schwieriger werde es für die Unternehmen. «Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen bereiten mir Sorgen», sagte Verheugen.

Lösung für hochriskante Wertpapiere

Vor diesem Hintergrund forderte der EU-Kommissar schnelle Gegenmaßnahmen. «Es ist sehr wichtig, dass jetzt schnellstmöglich eine Lösung für die hochriskanten Wertpapiere gefunden wird und die Unternehmen wieder Geld für ihre Investitionen erhalten», sagte er der Zeitung. Dabei plädierte er für eine «europäisch abgestimmte Lösung». Noch in dieser Woche wollen die 27 EU-Regierungschefs bei einem Treffen in Brüssel über die Gründung von sogenannten Bad Banks beraten.

Mit Blick auf den angeschlagenen Autohersteller Opel sagte Verheugen, dass es bedenkenswert sei, «dass sich bisher auf der ganzen Welt kein Investor gefunden hat, der General Motors Europa ganz ohne Staatshilfen weiterführen will». Seiner Ansicht nach zeichnen sich bei Opel «interessante Eigentumsverhältnisse» ab. Gewinner des Opel-Rettungsplans dürften die Russen werden. «Sie werden den Zugang zu modernsten Technologien gewinnen und können dann eine eigene starke Autoindustrie aufbauen, die auch exportfähig ist», sagte der EU-Kommissar.

Er kündigte an, dass die Brüsseler EU-Kommission das endgültige Unternehmenskonzept von General Motors Europa «gründlich prüfen» werde, da es staatliche Beihilfen enthalte. Dabei ginge es auch um die Frage, «ob die gewählte Konstruktion auf Dauer wirklich die Gewähr bietet, dass das Unternehmen langfristig am Markt überlebens- und wettbewerbsfähig ist.»

Kurzfristiges Denken und Risikobereitschaft nehmen zu

Die Wirtschaft hat an die Bundesregierung appelliert, den Banken weiter zu helfen, damit die Unternehmen besser mit Liquidität ausgestattet werden können. «Wenn wir den gesamten Restrukturierungsbedarf der Banken sehen, fürchten wir schon, dass es in den nächsten Wochen mit der Kreditversorgung der Wirtschaft eher noch schwieriger wird», sagte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel dem «Handelsblatt». Der BDI empfängt heute in Berlin zum «Tag der deutschen Wirtschaft» Kanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager.

Sorgen mache er sich vor allem um die internationale Entwicklung. «Ich fürchte, dass auf den globalen Finanzmärkten das Kasino schon wieder eröffnet wird», sagte der BDI-Präsident. «Kurzfristiges Denken und Risikobereitschaft nehmen wieder zu.

Mit Blick auf die Krise verlangte Keitel von der Politik den Mut zu Strukturreformen insbesondere bei den Steuern. Zwar müsse man bei der Entlastung realistisch sein. Er wehre sich aber gegen eine rein statische Betrachtungsweise, dass wir erst Schulden abtragen und erst dann entlasten können, sagte Keitel. Dann sei es viel zu spät. «Jetzt entscheidet sich, wie wir uns für die Zeit nach der Krise aufstellen - und das ist mein dringender Appell an die Politik.»

Trotz der öffentlichen Debatte um Staatseingriffe in die Wirtschaft ermutigte Keitel die Firmen, in Notfällen Unterstützung zu erbitten. «Ich sehe überhaupt keinen Imageschaden, wenn ein Unternehmer einen Antrag auf Rettungsbeihilfe beim Staat stellt», sagte Keitel. Die Bürgschaften und Kredite des Bundes seien doch dafür da, den Firmen zu helfen.