Essen. .
Die Spannung bei Karstadt hielt bis zuletzt. Doch nachdem auch der letzte Gläubiger seine Beschwerde zurückgezogen hatte, war der Weg für die Rettung frei. Jetzt hat Nicolas Berggruen das Sagen über den Konzern und seine 25.000 Mitarbeiter.
Ein wenig gespenstisch ist sie schon, die Lage am Donnerstagnachmittag in der Karstadt-Hauptverwaltung. Alles ist vorbereitet für die Stunde Null, den Neuanfang des traditionsreichen Warenhauskonzerns unter den Fittichen des smarten Investors Nicolas Berggruen. Die Wände innen sind schon umplakatiert auf Karstadt, nichts deutet mehr auf die Vergangenheit des Konzerns mit dem Kunstnamen Arcandor hin. Waren stehen in Vitrinen, wie es sich gehört für einen Warenhauskonzern.
Am Donnerstag war der Tag der Übergabe: Der Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und sein Team übergeben die Geschäfte an Berggruen. Das jedenfalls war der Plan. Die Wirklichkeit ist wie so oft in diesem beispiellosen Insolvenzverfahren nicht planbar. Denn wieder einmal strapazieren Querschläger die Nerven Tausender Mitarbeiter und die der Insolvenzverwalter. Diesmal sind es Beschwerden gegen den Insolvenzplan, die den Schritt des 1881 gegründeten Unternehmens in die Zukunft um Monate verzögern können.
Dass am Tag der Übergabe etwas nicht stimmt auf der früheren Vorstandsetage der Arcandor AG, ist deutlich spürbar. Tür auf, Tür zu. Rolf Weidmann, von Görg als Karstadt-Insolvenzverwalter beauftragt, geht strammen Schrittes den Flur entlang. Tür auf, Tür zu. Weidmann mit dem Handy am Ohr. Tür auf, Tür zu.
Gilde-Attacke gegen Görg roch nach einem Exempel
Nicht aufgeregt, aber angespannt ist die Stimmung auf den Fluren, die einst das Reich des Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff waren und die jetzt der Arbeitsplatz der Insolvenzspezialisten sind. Mittags in der Kantine waren sie alle noch ziemlich optimistisch, dass es klappt mit dem Plan. Bis 16 Uhr sollte es gelingen, den britischen Investor Dawnay Day zur Rücknahme der Beschwerde zu bewegen. Dann könnte das Amtsgericht Essen um 20 Uhr das Insolvenzverfahren aufheben, die Insolvenzvergütung bestimmen und einen Sachwalter bestellen, der künftig darauf achtet, dass die neuen Herren die Bedingungen des Insolvenzplans erfüllen. Und die restlichen vier Stunden bis Mitternacht würden die Görg-Leute alle Überweisungen und Buchungen vornehmen, die es für den Jahresabschluss braucht.
Am frühen Nachmittag allerdings fällt der Plan unter die Möglichkeitsform. Es ist nicht klar, ob dem Investor Dawnay Day, dem einige Karstadt-Immobilien gehören, beidreht oder nicht. Am Tag zuvor hatte der Bocholter Geschenkartikelhändler Gilde wenigstens seinen Einspruch zurückgezogen, der auf „Missstände im Insolvenzverfahren“ zielte. Die Gilde-Attacke gegen Görg roch nach einem Exempel, das hier statuiert werden sollte.
Ob sich auch Dawnay Day bewegen wird? Dem Vernehmen nach ging es der britischen Investmentgesellschaft um Ansprüche gegen Arcandor, also um einen Vorgang außerhalb des Karstadt-Insolvenzverfahrens.
Lange 16 Monate für die Karstadt-Mitarbeiter
Die Chancen schienen nicht schlecht, dass hier kaufmännische Forderungen und Gegenforderungen zu einem guten Ende führen könnten. Der Gesamtbetriebsratschef von Karstadt, Hellmut Patzelt, jedenfalls zeigte sich gleichwohl einmal mehr alarmiert über die drohende monatelange Verzögerung. Patzelt verweist auf lange 16 Monate mit Ängsten und Sorgen der Karstadt-Mitarbeiter. „Und das ist natürlich jetzt für unsere Kollegen erneut eine harte Probe“, sagte Patzelt im Deutschlandradio.
Dabei läuft es gar nicht schlecht in den Warenhäusern. Die Kunden halten Karstadt die Treue, die Mitarbeiter seien sehr engagiert, heißt es. Es könnte also losgehen mit dem neuen Eigentümer Berggruen, auf dem so viele Hoffnungen ruhen. Nur die Rücknahme der Beschwerde, die muss schon her. Gegen 17 Uhr gestern Nachmittag ist es dann so weit. Die vielen Telefonate haben gefruchtet, im Amtsgericht kriecht die Rücknahme der Beschwerde aus dem Fax. Am späten Abend dann wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.