Frankfurt. .
Der in die Kritik geratene Vorstand der Bundesbank Thilo Sarrazin muss vorerst nicht um seinen Posten bangen. „Vor Donnerstag ist nicht mit einer Entscheidung zu rechnen“, sagte ein Bundesbank- Sprecher .
Trotz des öffentlichen Drucks hat die Bundesbank die Entscheidung über die Zukunft ihres Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin noch einmal aufgeschoben. Wie ein Sprecher der Bundesbank am Mittwoch in Frankfurt sagte, dauern die Gespräche zwischen dem Vorstand und Sarrazin über mögliche Folgen seiner umstrittenen Äußerungen zu Juden und muslimischen Einwanderern an. „Vor Donnerstag ist nicht mit einer Entscheidung zu rechnen“, sagte der Sprecher nach einer Sitzung des Vorstands. Sarrazin sieht sich Rücktrittsforderungen aus allen politischen Lagern ausgesetzt. Die Bundesbank hatte sich von dem früheren Berliner Finanzsenator, der seit Mai vergangenen Jahres in ihrem Vorstand sitzt, zu Wochenbeginn bereits mit ungewöhnlich scharfen Worten distanziert und den 65-jährigen zum Rapport bestellt.
Sarrazin will Vorstand bleiben
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, er sei der Ansicht, Sarrazin habe seine Pflichten als Vorstandsmitglied der deutschen Notenbank verletzt. Es sei aber der Bundesbank alleine vorbehalten zu entscheiden, wie sie mit ihrem Vorstand umgehen wolle. Aus rechtlicher Sicht ist eine Amtsenthebung Sarrazins schwierig. Schäuble mahnte deshalb zur Umsicht. Es gehe im Umgang mit der Affäre auch darum, „sehr klug die Autonomie der Bundesbank“ zu beachten. Er habe selbst mit Bundesbankpräsident Axel Weber über die Personalie Sarrazin gesprochen. „Es wird Sie nicht überraschen, dass ich nicht sage, was wir besprochen haben.“ Am Wochenende hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel der Bundesbank indirekt nahegelegt, sich von Sarrazin zu trennen.
Sarrazin hat einen Rücktritt wegen seiner umstrittenen Thesen bislang kategorisch abgelehnt. Die Bundesbank hatte ihn am Montag bereits gerügt, aber auch da keine Entscheidung über die weitere Zusammenarbeit getroffen. Der Vorstand räumte ihm die Möglichkeit ein, sich zu den Vorwürfen zu äußern.
Wie die Bundesbank das Vorstandmitglied feuern könnte, ist juristisch umstritten. In der mehr als 50-jährigen Geschichte der Notenbank gab es einen solchen Fall noch nicht. Das Bundesbankgesetz schweigt sich dazu aus. Allerdings gibt es in den individuellen Arbeitsverträgen der Vorstandsmitglieder einen Passus, wonach der Bundespräsident auf Antrag des Gesamtvorstandes eines seiner Mitglieder wegen „schwerer Verfehlungen“ entlassen kann.
„Abberufung angebracht“
Der frühere Bundesbanker Hans-Jürgen Koebnick hält eine Abberufung des umstrittenen Vorstands Thilo Sarrazin für angebracht. „Es ist unbedingt nötig, dass bei der Bundesbank Ruhe einkehrt. Sarrazin beschädigt das Haus“, sagte Koebnick der Nachrichtenagentur Reuters. Durch die polemischen Zuspitzungen Sarrazins fühle auch er sich als ehemaliger Bundesbanker „negativ beeinträchtigt“. Er könne allerdings nicht sagen, ob die Migranten-Schelte des SPD-Politikers eine „belastbare Grundlage“ für eine Abberufung liefere. Dazu müsse man den Vertrag des Bundesbankers kennen.
Die Gespräche des Bundesbank-Vorstands mit Sarrazin begannen dem Vernehmen nach bereits am Dienstag in Frankfurt. Bei der Anhörung war auch der Ethik-Beauftragte der Notenbank, Uwe Schneider, anwesend. Er muss feststellen, ob der SPD-Politiker gegen den Verhaltenskodex für Vorstandsmitglieder verstoßen hat. Sarrazin hat seine umstrittenen Thesen in den vergangenen Tagen mehrfach wiederholt - unter anderem bei der Vorstellung seines neuen Buches „Deutschland schafft sich ab“ am Montag in Berlin und in einer Talkshow. Die SPD will ihr langjähriges Mitglied deshalb aus der Partei ausschließen. Bundesbank-Chef Weber hatte bereits im Herbst vergangenen Jahres Sarrazin wegen ähnlicher Äußerungen einen Teil seiner Vorstandskompetenzen entzogen. (rtr)