Berlin. .
Täglich gibt es neue Ankündigungen von Strafanzeigen wegen Volksverhetzung gegen Thilo Sarrazin. Eingegangen ist bei der Staatsanwaltschaft Berlin allerdings noch keine einzige Strafanzeige, wie Sprecher Martin Stelter gegenüber der Redaktion derWesten versichert. Es sei aber möglich, dass welche auf dem Weg seien.
Migranten, die ehemalige Integrationsbeauftragte von Berlin, Azize Tank und am Dienstag nun auch mehrere Linke-Politiker und die hessische Migrationspolitikerin Samina Khan kündigten an, die Staatsanwaltschaft prüfen zu lassen, ob der Straftatbestand des 130 STGB – Volksverhetzung -- durch Thilo Sarazzins Buch „Deutschland schafft sich ab“ und Sarrazins begleitende Äußerungen erfüllt werde.
Staatsanwaltschaftssprecher Martin Stelter ist allerdings gar nicht sicher, ob die Berliner Staatsanwaltschaft die richtige Adresse ist. Schließlich sei die Berliner Senatorenzeit Sarrazins lange beendet. Ebenso könnten Anzeigen dort gestellt werden, wo das Buch erschienen sei. Das wäre die Staatsanwaltschaft München, wo die Deutsche Verlagsanstalt beheimatet ist. Auch dort liegt aber noch keine Anzeige vor.
Verfahren in 2009 eingestellt
Im vergangenen Jahr waren die Strafanzeigen wegen Volksverhetzung gegen Sarrazin nach seinen umstrittenen Äußerungen in der Zeitschrift „Lettre national“ in Berlin eingegangen. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Staatswaltschaft fand die Äußerungen Sarrazins („die laufend neue Kopftuchmädchen produzieren“) durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Die Linke allerdings will auf jeden Fall in Berlin Anzeige erstatten, da es in erster Linie darum gehe zu prüfen, ob Sarrazins Aussagen über Muslime und Juden den Straftatbestand der Volksverhetzung und der Störung des öffentlichen Friedens erfüllten, so das Mitglied im Bundesvorstand, Ali Al Dailami, am Dienstag in Berlin.
„Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit“
Es sei „nicht hinnehmbar, dass unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit rassistische, sozialdarwinistische und mitunter antisemitische Ausfälle salonfähig gemacht werden sollen“, begründete Dailami den Schritt. Sarrazins „gezielte Diskriminierung“ von Muslimen und Juden beleidige alle, die sich antirassistisch engagierten und sich der Wahrung einer friedlichen, multikulturellen Gesellschaft verschrieben hätten.
Sich gestellten Strafanzeigen anschließen will der Dortmunder Ralf Grönke. Ein entsprechendes Fax ließ er bereits der Staatsanwaltschaft Berlin zukommen. Grönkes Facebook-Gruppe Sarrazin muss rausss aus der SPD hat binnen sechs Tagen 1600 Befürworter gefunden. Mit der Internet-Aktion will er das SPD-Mitglied Sarrazin zum freiwilligen Ausscheiden aus der Partei drängen, da er ein Parteiausschlussverfahren für wenig erfolgreich hält.
Erste Lesung abgesagt
Die erste Station der Lesereise des SPD-Politikers Thilo Sarrazin zur Vorstellung seines umstrittenen Buches in Hildesheim ist mittlerweile abgesagt worden. Aus Sicherheitsgründen habe man sich gegen die Durchführung der Veranstaltung entschieden, sagte der Leiter der örtlichen Buchhandlung am Dienstag. Nach der Ankündigung der Lesung seien sehr kontroverse Zuschriften bei der Buchhandlung eingegangen. Man sehe sich nicht in der Lage, die Sicherheit der Besucher und Mitarbeiter während der Veranstaltung zu gewährleisten, betonte eine Sprecherin der Buchhandlung.
Eine Sprecherin der Deutschen Verlagsanstalt betonte am Dienstag, dass Hildesheim bislang die einzige Absage sei. Alle weiteren Stationen der Lesereise fänden wie geplant statt. Den Auftakt soll Potsdam am 9. September machen. Anschließend folgen Veranstaltungen unter anderem in Brüssel und München.
Sarrazin hatte mit Äußerungen zur vermeintlichen Integrationsunwilligkeit und vererbten Dummheit von Muslimen große Empörung ausgelöst. In seinem neuen Buch warnt der ehemalige Berliner Finanzsenator und SPD-Politiker vor dem Untergang Deutschlands durch die überproportionale Vermehrung der Dummen und Migranten und deren Ausnutzung des Sozialstaats. Juden attestierte Sarrazin zuletzt ein „bestimmtes Gen“, das sie von anderen Gruppen unterscheide. Die SPD-Spitze hatte daraufhin am Montag ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet.