Essen/Düsseldorf. .
Siemens-Manager Heinrich Hiesinger soll Ekkehard Schulz als Thyssen-Krupp-Chef folgen. Das wird als verstärkte Hinwendung zum Technologiegeschäft gedeutet. Mit der Berufung Hiesingers als Manager von außen stellt sich der Aufsichtsratsvorsitzende zudem gegen die Wünsche von Schulz.
Der Siemens-Manager Heinrich Hiesinger wird ab Januar 2011 Vorstandschef von Thyssen-Krupp und damit Nachfolger von Ekkehard Schulz. Nach den Investitionen von weit über zehn Milliarden Euro seit 2006 am Stahlstandort Duisburg und in die neuen Stahlwerke in den USA und Brasilien nimmt der Mischkonzern nun auch wieder die Technologie-Bereiche in den Fokus. Hiesinger, der die Industriesparte von Siemens leitet, traut Cromme da am ehesten einen großen Wurf zu.
Mit der Berufung Hiesingers als Manager von außen stellt sich der Aufsichtsratsvorsitzende zudem gegen die Wünsche von Stahl-Mann Ekkehard Schulz. Der hatte sich noch im November in einem „Focus“-Interview für eine interne Lösung für seine Nachfolge ausgesprochen. „Ich favorisiere eine Lösung im Konzern, weil wir den Kandidaten dann kennen. Bei externen Lösungen muss man ja nicht immer so ein Glück haben wie mit Herrn Löscher bei Siemens.” Diesen Satz wird Schulz nicht ohne Bedacht gesagt haben. Schließlich war es der Siemens-Chefaufseher Cromme – gesegnet mit einer großen strategischen Hartnäckigkeit und in seiner Führung mit einer nicht minder großen Härte – der Siemens-Chef Peter Löscher nach München holte. In dieser Eigenschaft als Siemens-Aufseher kennt Cromme natürlich auch Hiesinger.
Drei Kronprinzen sind enttäuscht
Mit allen wichtigen Fäden in der Hand hat Cromme, so eine Art Mr. Deutschland AG, mal eben die Vorstandssessel neu sortiert. Als Vorstandschef des Industriesektors von Siemens und Mitglied des Konzernvorstands folgt ab 1. Juli der bisherige Personalvorstand Siegfried Russwurm auf Hiesinger. Arbeitsdirektorin soll nach Siemens-Angaben Brigitte Ederer werden. Sie war bislang Vorstandsvorsitzende von Siemens in Österreich und rückt nun in den Vorstand des Dax-Konzerns auf.
Bei Thyssen-Krupp bleiben als Enttäuschte drei Kronprinzen von Ekkehard Schulz (68) zurück, der nach seinem Ausscheiden im Januar in den Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp wechseln soll: Olaf Berlien (48), Edwin Eichler (52) und Alan Hippe (43). Aufsteigen soll hingegen Jürgen Claassen, der als Generalbevollmächtigter des Konzerns maßgeblich die Aufteilung des Konzerns in zwei Divisionen und mithin die Abschaffung von Zwischenebenen entwickelt hat.
Der Umbau führte 2009 zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Betriebsräten, die eigens der Vorsitzende der Krupp-Stiftung Berthold Beitz in einer „Essener Erklärung” beilegen musste. Claassen soll im Vorstand, den in den letzten 18 Monaten gleich vier Mitglieder verlassen hatten, das Ressort Konzernentwicklung und Compliance leiten.
Einhellige Zustimmung
Hiesingers Nominierung, über die der Aufsichtsrat am 12. Mai beraten soll, stößt auf einhellige Zustimmung. Thomas Schlenz, Konzernbetriebsratschef von ThyssenKrupp, begrüßte gegenüber der WAZ die Personalie. Er habe im Vorfeld mit Hiesinger gesprochen. „Er erfüllt unsere Kriterien als Betriebsrat“, so Schlenz. Hiesinger verfüge über eine hohe Industriekompetenz, in der Technologie wie auch in der Produktion, was auch den Stahlbereich umfasse. Es sei wichtig für den Konzern, beide Säulen im Blick zu haben, zumal der Technologiebereich für einen Ausgleich für das sehr schwankungsanfällige Stahlgeschäft sorge. Zudem „versteht und akzeptiert Hiesinger die Mitbestimmung.“ Er sei sehr froh, dass die Zeit der Unsicherheit nun vorbei sei.
Auch Willi Segerath, Betriebsratsvorsitzender bei Thyssen-Krupp Stahl, kann damit leben, dass Thyssen-Krupp künftig nicht von einem ausgewiesenen Stahl-Mann geführt wird: „Nur wenn die Investitionen in den Stahl-Bereich nachlassen würden, wäre das problematisch“, erklärte er. Oliver Burkhard, Chef der IG Metall in NRW, bot Hiesinger eine „konstruktive Zusammenarbeit“ an.
Thomas Hechtfischer von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz ist davon überzeugt, dass der Stahl auch unter Hiesinger „eine dominante Rolle“ im Konzern spielen werde.
Zur Person
Die Vorschusslorbeeren für Heinrich Hiesinger sind groß. Die Arbeitnehmerseite lobt den künftigen Vorstandsvorsitzenden der Thyssen-Krupp AG ebenso wie Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. Dabei ist der 49-Jährige in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.
Hiesinger hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich – allerdings nur innerhalb der Siemens-Familie. Der Umzug in die Thyssen-Krupp-Zentrale im Oktober, die dann in Essen sein wird, bedeutet für den gebürtigen Schwaben zugleich den ersten Unternehmenswechsel. Nach dem Studium der Elektrotechnik arbeitet Hiesinger zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität München und macht seinen Doktor. Bis ihn 1992 der Siemens-Ruf ereilt.
Auf unterschiedlichen Positionen beschäftigt sich Hiesinger mit Energieübertragung und Hochspannung, arbeitet einige Jahre in Indonesien und wird im Oktober 2000 Vorsitzender des Bereichsvorstands Power Transmission and Distribution in Erlangen – im für Siemens-Verhältnisse zarten Alter von 40 Jahren. Seit Juni 2007 sitzt der Manager im Siemens-Zentralvorstand.
Hiesinger profitiert von der Korruptionsaffäre, in deren Verlauf das Führungsgremium zunehmend zerfällt. Seine Beförderung hat er Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme zu verdanken, der ihn nun in anderer Funktion zum Chef des größten deutschen Stahl-Konzerns macht.
Der Manager gilt als Ingenieur mit einer Menge Technologie-Erfahrung. In der Wirtschaftskrise zeigt Hiesinger aber auch sein Sanierer-Gesicht, als er in Bayern Hunderte Stellen abbaut und den Unmut von Belegschaft und IG Metall auf sich zieht. An Konflikte hat sich der Vater von vier Kindern gewöhnt.