Essen. Der Vize-Chef der IG Metall, Detlef Wetzel, wirft Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor, sich im Fall Opel "töricht" verhalten zu haben. Wetzel sieht den Autobauer als Präzedenzfall für staatliche Hilfsaktionen. Und er wirbt sogar für direkte Staatsbeteiligungen an Firmen.
Kann die Bundesregierung nach Opel noch Nein sagen, wenn ein Unternehmen um Staatshilfe bittet?
Wetzel: Das Vorgehen bei Opel war vorbildlich. Der Staat hat bewiesen, dass er von der Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten hilft. Insofern ist Opel ein Präzedenzfall.
Noch liegen nur Absichtserklärungen der potenziellen Investoren vor. Ist Opel wirklich gerettet?
Wetzel: Die Hauptarbeit kommt noch. Wir werden als IG Metall darauf dringen, dass die Zusagen auch eingehalten werden. Ob Opel auch langfristig gerettet ist, wird sich zeigen, wenn aus den Interessenten auch Investoren werden.
Gibt es eine rote Linie für Staatshilfe?
Wetzel: Für brauchen einen Schutzschirm für Arbeitsplätze, nicht nur für Banken. Der Staat muss den Opfern der Finanzkrise helfen, nicht nur den Tätern. Ordnungspolitik ist keine Monstranz, die man vor sich herträgt. Das Insolvenz-Gerede von Minister Guttenberg im Fall Opel ist töricht.
Warum? Es gibt auch Beispiele einer gelungenen Sanierung nach einer Insolvenz.
Wetzel: Das ist doch die große Ausnahme. In vielen Fällen sind es vor allem die Beschäftigten, die unter einer Insolvenz leiden. Ein Insolvenzverwalter ist zuerst den Gläubigern verpflichtet. Im Regelfall erreicht er sein Ziel am leichtesten durch Zerschlagung und Verwertung. Wir brauchen ein neues Insolvenzrecht, das die Beschäftigten und Unternehmen besser als bisher schützt.
Wer Opel hilft, muss auch Karstadt helfen – oder?
Wetzel: Ich kann das unternehmerische Konzept von Karstadt nicht beurteilen. Wenn es gut ist, sehe ich keinen Grund, eine staatliche Bürgschaft zu verweigern. Aber der Staat ist nicht dazu da, gutes Geld schlechtem Geld hinterherzuwerfen. Vorrangig sind die Eigentümer der Unternehmen gefragt und müssen Verantwortung übernehmen.
Ist es gerecht, wenn die Steuerzahler für Managementfehler blechen sollen?
Wetzel: Nein, aber keiner Regierung wurde verboten, die Haftung von Managern zu verschärfen. Im Übrigen: Wenn in der Vergangenheit jede Bürgschaft fällig geworden wäre, wäre der Staat längst bankrott. Das ist aber nicht so.
Ist aus Ihrer Sicht eine direkte Beteiligung des Staates gelegentlich besser als eine Bürgschaft?
Wetzel: Wenn der Staat Geld in ein Unternehmen steckt, muss er auch mitreden können. Jeder Aktionär kümmert sich ja auch darum, was aus seinem Geld wird. Im Einzelfall kann ich mir eine direkte staatliche Beteiligung vorstellen, um ein Unternehmen wieder in ruhige Fahrwasser zu bringen. Eine Staatsbeteiligung ist kein böses Hexenwerk. Das staatliche Engagement ist beispielsweise für VW ein Segen.
Bei Opel ist auch eine Mitarbeiterbeteiligung geplant. Wie soll das funktionieren?
Wetzel: Wenn von Beschäftigten in dieser besonderen Krisensituation eigene Beiträge abverlangt werden, dann müssen sie dafür auch eine Gegenleistung erhalten. In dem Fall ist die Mitarbeiterbeteiligung ein Weg. Aber wir müssen noch viele Details klären, um die Idee umzusetzen. Vor allem steuerliche Fragen sind noch offen.
Täuscht der Eindruck, dass den großen Unternehmen geholfen wird, die vielen Mittelständler aber in Vergessenheit geraten?
Wetzel: Der Eindruck täuscht. Die Hilfe über Bürgschaften wird auch dort genutzt. Aber in vielen mittelständischen Betrieben setzt das Krisenmanagement an anderer Stelle ganz pragmatisch an. Da sind wir vielerorts gefordert und haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben eine Task Force gegründet und sind mit mehr als 100 Experten bundesweit beratend tätig. Da geht es nicht nur um akutes Krisenmanagement, sondern um nachhaltige und Beschäftigung sichernde Konzepte. Wir bieten eine Anlaufstelle an, damit die Betriebe in der Krise schnell reagieren können.
Welche Stimmung nehmen Sie angesichts der Krise in den Betrieben wahr?
Wetzel: Wir haben in einer bundesweiten Befragung die Menschen nach ihren Bedürfnissen für ein gutes Leben gefragt und bereits 250.000 Antwortbögen gesammelt – in Betrieben, auf Straßen und Marktplätzen. Die Antworten sind zum Teil schockierend. Eine große Mehrheit der Befragten hat das Gefühl, von der Politik im Stich gelassen zu werden. Viele Menschen fühlen sich nur noch als Kostenfaktor. Es wird dringend Zeit, dass die Politik umsteuert.
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