Essen. Sie solle „besser die Finger von Unternehmenspolitik” lassen. Denn überall dort, wo sich die Regierung einmische, „gibt's ein Debakel”. Was sich wie ein Auszug aus dem Wahlprogramm der FDP liest, ist in Wahrheit eine Polemik der bayerischen SPD-Fraktion aus dem Sommer 2005.
Auf 16 Seiten prangerten die Genossen „das Versagen der CSU-Staatsregierung in der Wirtschafts- und Unternehmenspolitik an”.
Grundig und Maxhütte
Mit Grundig, der Maxhütte, dem Fernsehproduzenten Schneider, der Flugzeugfirma Fairchild Dornier und dem Medienkonzern Kirch schlitterten gleich fünf traditionsreiche Unternehmen aus Bayern in die Insolvenz, obwohl sie millionenschwere Staatshilfen erhalten hatten.
Vergeblich hatte die Regierung unter dem damaligen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Bürgschaften vergeben, Kredite veranlasst oder ist – wie im Fall Maxhütte – sogar selbst als Anteilseigner eines Krisenbetriebs eingesprungen.
Kurzum: Wenn es darauf ankam, sah sich Stoiber weniger als Ordnungspolitiker – und mehr als pragmatischer Krisenmanager oder Anwalt der Arbeitnehmer. Er konnte sich dabei durchaus auf seinen Ziehvater Franz Josef Strauß berufen, der den wirtschaftlichen Aufstieg des einstigen Agrarlands Bayern auch mit staatlichen Investitionen in die Industrie vorantrieb.
Opel und Arcandor
Die amtierende CSU-Spitze schmückt sich hingegen mit ihrem Vorzeige-Ordnungspolitiker, Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Da Guttenberg im Ringen um eine Opel-Rettung beharrlich eine Insolvenz nicht ausschloss, rühmte CSU-Wortführer Peter Ramsauer den Minister als „Anwalt der Steuerzahler” und „ordnungspolitisches Gewissen der Regierung”.
Guttenberg freilich konnte das wirtschaftsliberale Vakuum in der Großen Koalition auch deshalb relativ risikolos füllen, da Bayern über keinen Opel-Standort verfügt. Josef Schlarmann, der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, der die Hilfe für Opel einen „ordnungspolitischen Sündenfall” nennt, kommt aus Hamburg.
Kirch und Dornier
Die Frage, wer die Retterrolle übernimmt, ist mehr vom Standort des Unternehmens als vom Parteibuch des Politikers abhängig. 2002 sah der FDP-Wirtschaftspolitiker Rainer Brüderle kaum einen Unterschied zwischen der Industriepolitik von SPD-Kanzler Gerhard Schröder und Kanzlerkandidat Stoiber. „Was für Schröder das Holzmann-Debakel ist, sind Maxhütte, Leo Kirch und Fairchild-Dornier für Stoiber.”
Wenn SPD-Chef Franz Müntefering nun Hilfen für den angeschlagenen Karstadt-Mutterkonzern Arcandor fordert, verweist CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla auf den Baukonzern Holzmann, der zweieinhalb Jahre nach seiner Rettung durch Schröder doch pleite gegangen ist. Die SPD handele verantwortungslos, wenn sie „vorschnell ohne Prüfung der Fakten Staatsgelder” verlange, sagt Pofalla.
Holzmann und Preussag
„Wir haben es geschafft”, rief Schröder am 24. November 1999 den Bauarbeitern zu, nachdem er mit den Banken eine Finanzierung für Holzmann ausgehandelt hatte – die Regierung steuerte eine millionenschwere Bürgschaft bei. Schon als Ministerpräsident ließ Schröder 1998 erkennen, was er unter Industriepolitik versteht.
Kurzerhand kaufte die Landesregierung die Stahlsparte des Preussag-Konzerns, um die Firmenzentrale und Jobs in Niedersachsen zu sichern. „Den von Preussag geplanten Verkauf der Stahlsparte an einen österreichischen Konzern empfand er als Anschlag auf seine Kanzlerambitionen”, schrieb „Die Zeit” über Schröder.
Heute spottet Schröder über Wirtschaftsminister Guttenberg, nennt ihn „den Baron aus Bayern” und sagt: „Immer wenn es eng wurde, hatten die Sozialdemokraten die Karre aus dem Dreck zu ziehen.” Es scheint, als knüpfe SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nahtlos bei seinem Vorbild Schröder an.