Essen/Mülheim. In Mülheim soll noch in diesem Jahr ein Gesundheitszentrum mit Clubmitgliedschaft und Privatpraxen eröffnen. Kritiker sehen einen Haken
- Im Mülheimer Einkaufszentrum Forum soll ein neuartiges Gesundheitszentrum eröffnen.
- Geworben wird mit Clubmitgliedschaften und schnellen Termine bei den dort ansässigen Privatpraxen.
- Verbraucherschützer und Ärztevertreter blicken mit großer Skepsis auf dieses Vorhaben.
Wer Kassenpatientin ist, muss geduldig sein. Oft dauert es Wochen und nicht selten Monate, bis man einen Termin in der bevorzugten Facharztpraxis bekommt. Für solch Frustrierte will ein neuartiges Gesundheitszentrum eine Anlaufstelle werden, das noch in diesem Jahr in Mülheim eröffnet werden soll und in die ganze Region strahlen will. Bei „Valmedica“ sollen selbst Kassenpatientinnen und -patienten schnell einen Facharzttermin bekommen und vor Ort nur wenig Wartezeit auf sich nehmen müssen.
Der Haken an der Sache: Im Gegenzug zahlen sie jede Behandlung aus eigener Tasche. Eine Krankenkassenkarte muss man nicht vorzeigen – geboten wird Privatmedizin für jedermann. Besonders locken sollen Rabatte für jene, die zuvor Mitglied des Valmedica-Clubs geworden sind. Das ruft wiederum Ärztekammern und Verbraucherschützer auf den Plan.
Österreichische Unternehmer hinter der Idee: Europaweit einzigartiges Gesundheitszentrum
Eine Praxis mit Clubmitgliedschaft? Rabatte für den Arztbesuch? Michael Supparitsch ist der österreichische Unternehmer hinter dieser Idee und er weiß sehr gut, dass er mit seinem Gesundheitszentrum die eingeübten Wege des deutschen Gesundheitswesens mächtig auf den Kopf stellt. „Wir sind keine Arztpraxis und kein übliches Ärztezentrum“, sagt der Unternehmer. „Die in unserem Gesundheitszentrum ansässigen Arztpraxen arbeiten außerhalb des üblichen Kassensystems.“
Die Valmedica Gesundheitszentrum GmbH wird als europaweit einzigartiges Zentrum beschrieben. Es stellt rund 1000 Quadratmeter in Lounge-Atmosphäre, mit Wellnessangeboten und einer bis zu zehnköpfigen Belegschaft in den Dienst von bis zu 35 selbstständig arbeitenden Privatmedizinern und Medizinerinnen aus 14 verschiedenen Fachrichtungen. Sie sollen dort Platz für ihre Privatpraxen anmieten können. Das Konzept erklärt der Österreicher mit einem gewagten Vergleich: „Beim ADAC dreht sich alles um den Verkehr. In unserem Club dreht sich alles um die Gesundheit der Menschen.“
Clubbeitrag von 49 oder 69 Euro - Rabatte und Manager-Check-ups inklusive
Gegen eine Monatsgebühr von 49 bis 69 Euro sollen Mitglieder in den Genuss eines jährlichen regelrechten Manager-Check-ups mit Wirbelsäulencheck und Duschmöglichkeit nach dem Belastungs-EKG kommen. Ein Gesundheitsmanager soll individuelle Vorsorge-Pläne erstellen, es soll Yoga- und Fitnessangebote geben. Für Folgetermine soll man Ärztinnen und Ärzte der gesuchten Fachrichtungen unter einem Dach finden.
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Clubmitglieder können dabei Treuepunkte sammeln, gegen die es Rabatte für Massagen, Physiotherapie oder den nächsten Arztbesuch geben wird. Das ist nach Angaben von Supparitsch zulässig: „Der Arzt rechnet seine Leistungen regulär nach der Gebührenordnung ab. Im Rahmen des Gesundheitsclubs werden wir für die Clubmitglieder für bestimmte Leistungen einen Rabatt gewähren“, sagt Supparitsch, der seit 2006 im Gesundheitswesen tätig ist und sich in Österreich mit einem ähnlichen Konzept einen Namen gemacht hat. Auch ohne Mitgliedschaft sollen Patienten die Arbeit des Zentrums in Anspruch nehmen können. Das gilt naturgemäß auch für Privatpatienten, denen die Privatpraxen im Zentrum regulär offen stehen sollen.
Finanziert werden soll das Zentrum mit Investorengeldern. Damit spielt es in der Liga anderer renditeorientierter Unternehmen, die sich seit Jahren vermehrt im Gesundheitswesen tummeln und Kritik von Patientenschützern und Ärztevertretern auf sich ziehen. Und doch ist Valmedica so ungewöhnlich, dass selbst Kenner der Materie länger mit einer Einordnung brauchen. Denn bislang gibt es solche Zentren eher in der sogenannten Wunschmedizin, also in der Schönheitschirurgie
Ärztekammer: Gesetzgeber muss Lücken schließen
Die Ärztekammer Nordrhein ist alarmiert und verweist eindringlich aufs Patientenwohl. Die Menschen müssten sich jederzeit darauf verlassen können, dass medizinische Entscheidungen am gesundheitlichen Wohl der einzelnen Patienten und nicht an wirtschaftlichen Interessen der Vertragspartner orientiert erfolgen, so eine Sprecherin. Rabatte setzten da falsche Anreize, beispielsweise ärztliche Leistungen gesteigert in Anspruch zu nehmen. „Sie begünstigen ein Leistungsgeschehen, weg vom Patientenwohl zu wirtschaftlich getriebenem Handeln“, sagt die Sprecherin.
Die Kammer sieht Probleme mit Gewerbetreibenden im Gesundheitswesen. Sie beklagt Gesetzeslücken, die geschlossen werden müssten. Ein Beispiel: Für einen Gewerbebetrieb wie das Valmedica-Zentrum gelte – anders als für die dort tätigen Privatmediziner – nicht das ärztliche Berufsrecht. Versprechen Werbeanzeigen zu viel, kann die Ärztekammer das nicht prüfen.
Verbraucherschützer: Im besten Fall haben Patienten nur den finanziellen Schaden
Verbraucherschützern sind Wartezeiten auf bestimmte Facharzttermine zwar seit längerem ein Ärgernis. Für das Konzept eines Gesundheitsclubs gibt es trotzdem Kritik.
„Man kann Verbraucher nur vor solchen Modellen warnen“, sagt Thomas Moormann, Fachmann für „Gesundheit und Pflege“ beim Bundesverband der Verbraucherzentrale. „Das Risiko ist sehr hoch, dass es zu einer Überversorgung und auch Fehlversorgung kommt. Im besten Falle haben die Patienten nur finanzielle Nachteile.“ Patientinnen und Patienten könnten kaum beurteilen, ob die vorgeschlagene Behandlungen auch tatsächlich nötig seien. Eine Kontrolle durch die Krankenkassen entfalle. „Es wird nicht geschaut, was braucht ein Patient, sondern danach, was man mit ihm machen kann, um Einnahmen zu generieren“, so der Vorwurf Moormanns. Zwar könne die Versorgung im Einzelfall durchaus passgenau sein. „Dann besteht aber immer noch das Problem, dass wir hier eine Zweiklassenmedizin entstehen lassen.“
Unternehmer wehrt sich: Valmedica wolle Ärztinnen und Ärzten den wirtschaftlichen Druck nehmen
Der Unternehmer Supparitsch wehrt sich gegen diesen Eindruck. Jeder Praxisinhaber trage die ärztliche Verantwortung für die Behandlung und sei insoweit unabhängig von Valmedica. „Es entscheidet allein der Arzt, welche Leistungen für den einzelnen Patienten medizinisch notwendig beziehungsweise sinnvoll sind.“ Aus seiner Sicht nimmt Valmedica einem Privatmediziner sogar wirtschaftlichen Druck: Er miete sich ein und müsse damit selbst kein Investitionsrisiko tragen. „Er kann daher seine Behandlungen ohne wirtschaftlichen Druck durchführen, sodass das Risiko von Über- oder Fehlversorgung gerade sinken dürfte.“
Von Mülheim aus soll Valmedica expandieren. Geplant sind Gesundheitszentren in Hamburg und Neuss, so Supparitsch. Dazu laufen seiner Auskunft nach bereits Gespräche mit Großinvestoren.