Essen. Bei den Strom- und Gaspreisen in NRW gibt es erhebliche Unterschiede. Verbraucherschützer raten: Ein Wechsel kann Geld bringen.
Der Markt der Strom- und Gasanbieter ist in Bewegung. Viele Versorger haben in den vergangenen Wochen ihre Preise gesenkt oder entsprechende Ankündigungen gemacht. Doch mancherorts gibt es auch Erhöhungen. Die Verbraucherzentrale NRW zeigt sich verwundert über teils extreme Preisunterschiede. Beim Gas bewegen sich die Arbeitspreise zum 1. Januar demnach zwischen neun und 26,54 Cent pro Kilowattstunde (kWh), beim Strom liegt die Spanne nach Angaben der Verbraucherschützer zwischen 29,81 und 55,93 Cent pro Kilowattstunde. Damit ergeben sich große Einsparpotenziale beim Anbieterwechsel.
Im vergangenen Sommer seien die Preise vieler Grundversorger aufgrund der massiv gestiegenen Börsenpreise noch sehr hoch gewesen, erklärt das Vergleichsportal Check24. Im Herbst und Winter hätten dann viele Grundversorger die Preise gesenkt, da die Preise an den Großhandelsmärkten, an denen die Stadtwerke und ihre Wettbewerber einkaufen, seit einiger Zeit wieder niedriger seien.
„Die weiterhin vorhandenen Preisunterschiede bei den Grundversorgern lassen sich nicht nur durch unterschiedliche Beschaffungsstrategien erklären“, merkt Christina Wallraf, die Energiemarkt-Expertin der Verbraucherzentrale NRW, an. „Die Zeit der hohen Börsenpreise liegt mittlerweile über ein Jahr zurück. Das wurde in der Grundversorgung noch nicht flächendeckend weitergegeben.“ Kurzum: Wegen deutlich gefallener Börsenpreise für Strom und Gas sieht Wallraf bei der Grundversorgung „noch Spielraum nach unten“.
Verbraucherzentrale NRW: Preisniveau bei Energie „durchschnittlich zu hoch“
Das Preisniveau in der Strom-Grundversorgung an Rhein und Ruhr liegt nach Darstellung der Verbraucherzentrale NRW derzeit bei rund 40 Cent pro Kilowattstunde. Beim Gas seien es etwa 13 Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommen die Grundpreise. Zwar hätten zahlreiche Grundversorger ihre Tarife zum Jahreswechsel gesenkt, dennoch bleibe das Preisniveau „durchschnittlich zu hoch“, so die Verbraucherschützer.
Das Vergleichsportal Check24 sieht in den Ruhrgebietsstädten Bochum, Essen, Duisburg und Dortmund erhebliche Sparpotenziale beim Wechsel von der Grundversorgung zu alternativen Anbietern. Bei einem jährlichen Stromverbrauch von 5000 Kilowattstunden – ein recht hoher Wert – entstünden Verbrauchern beim kommunalen Versorger DEW21 in Dortmund derzeit noch Kosten in Höhe von rund 2320 Euro pro Jahr inklusive Grundpreis. Bei einem Wechsel zum Alternativanbieter Lichtblick könnten Kundinnen und Kunden aufgrund einer Bonuszahlung eine Einsparung bei der Stromrechnung von mehr als 1000 Euro im Jahr erzielen, so Check24.
Großes Sparpotenzial bei Wechsel raus aus der Grundversorgung
Auch beim Gaspreis sind die Unterschiede vom Dortmunder Grundversorger zum günstigsten Konkurrenten erheblich. Bei einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden errechnet Check24 jährliche Kosten von rund 3840 Euro beim kommunalen Anbieter DEW21. Der Alternativversorger Brillant Energie liefere das Gas hingegen schon für rund 1440 Euro – satte 2400 Euro weniger, so das Vergleichsportal, das allerdings auch bei diesem Beispiel einen hohen Verbrauch annimmt.
Immerhin haben die Dortmunder Stadtwerke angekündigt, die Preise in der Grundversorgung für Strom und Gas zu senken. Der Arbeitspreis für Strom soll um rund 1,49 auf 41,55 Cent pro Kilowattstunde sinken. Bei Erdgas um etwa 3,45 auf 14,84 Cent pro Kilowattstunde. Gleichwohl liegen die Angebote der Alternativanbieter nach Angaben von Check24 deutlich niedriger – mit 27,37 Cent für Strom und 7,56 Cent für Erdgas.
In Dortmund sind die Möglichkeiten der Verbraucher zur Kostensenkung bei einem Abschied von der Grundversorgung nach Einschätzung des Vergleichsportals Check24 besonders groß. Doch auch in Bochum, Essen und Duisburg seien Einsparungen von mehreren hundert Euro jährlich möglich (siehe Grafiken).
Der Wettbewerb um die Stromkunden sei „wieder voll da“, so die Verbraucherzentrale NRW, „davon profitieren die Verbraucher und Verbraucherinnen“. In manchen Regionen von NRW gebe es Tarife ab 27 Cent pro Kilowattstunde, in anderen ab 30 Cent pro Kilowattstunde – abhängig davon, wie hoch die Netzentgelte vor Ort seien. Zum Vergleich: Die Strompreisbremse griff erst bei 40 Cent.
Wer noch in der Grundversorgung sei, für den lohne sich häufig ein Wechsel, so Energieexpertin Christina Wallraf. „Wir empfehlen Tarife mit einjähriger Laufzeit und Preisgarantie, um nicht nach wenigen Monaten ein Preiserhöhungsschreiben zu bekommen“, sagt sie.
Im Zuge der Energiekrise im Jahr 2022 haben sich nach Darstellung des Vergleichsportals Verivox viele Haushalte für den Grundversorgungstarif des örtlichen Energieanbieters entschieden, da diese Tarifgruppe für kurze Zeit die niedrigsten Preise aufwies. Inzwischen seien die örtlichen Grundversorgungstarife jedoch wieder die teuerste Art, Strom und Gas zu beziehen.
Die mögliche Einsparung durch einen Wechsel des Strom- und Gasanbieters sei „aktuell höher als je zuvor“, heißt es bei Verivox. Für Strom liege der durchschnittliche Preisunterschied zwischen dem örtlichen Grundversorgungstarif und dem günstigsten Neukundenangebot für einen Musterhaushalt momentan bei 730 Euro (bei 4000 kWh), bei Erdgas betrage die Differenz 997 Euro (bei 20.000 kWh). Das sei das Ergebnis einer Auswertung von Energiepreisdaten der vergangenen zehn Jahre durch Verivox.
Entgegen den Erwartungen seien die Strom- und Gaspreise für Verbraucher im Januar gesunken, erklärt das Vergleichsportal Check24. Trotz des Wegfalls der staatlichen Preisbremsen zahlen Verbraucher im Januar 2024 weniger für Strom und Gas als im Dezember 2023.
Eine Familie mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden jährlich zahlt derzeit im Schnitt 1846 Euro für Strom – elf Euro weniger als im Vorjahresvergleich. Ein Musterhaushalt mit einem Gasverbrauch von 20.000 kWh komme derzeit auf Kosten in Höhe von 2185 Euro – zwei Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Check24: Höhere Netzentgelte vielfach in Stromtarifen noch nicht eingepreist
Ein wesentlicher Bestandteil des Strompreises sind die Netzentgelte. Aufgrund der Entscheidung der Bundesregierung, Subventionen für die Netzentgelte zu streichen, steigen die Netzkosten im Jahr 2024 deutlich – und damit wohl auch die Strompreise, vermutet Check24. Bei einem Stromverbrauch von 5000 kWh entstünden rechnerisch für einen Haushalt – inklusive Mehrwertsteuer – zusätzliche Kosten von rund 120 Euro pro Jahr. Aufgrund der Kurzfristigkeit der politischen Entscheidungen und einer späten Bekanntgabe durch die Verteilnetzbetreiber hätten einige Stromanbieter, vor allem die Grundversorger, die Netzentgelte noch nicht berücksichtigt. Höhere Kosten erwartet Check24 außerdem durch eine Anhebung der CO2-Abgabe. Viele Versorger hätten dies ebenfalls noch nicht eingepreist.
Das Vergleichsportal verzeichnet allerdings schon jetzt einige Verschiebungen bei den Preisen. So hat beispielsweise der Ruhrgebietsversorger Emscher Lippe Energie (ELE) den Strompreis in der Grundversorgung um 2,4 Prozent auf jährlich 2211 Euro erhöht bei einem Verbrauch von 5000 kWh. Die Stadtwerke Unna verlangen den Angaben zufolge ab Februar in der Strom-Grundversorgung 1,3 Prozent mehr (dann 2535 Euro bei 5000 kWh). Andernorts gibt es dagegen Preissenkungen, in Oberhausen etwa (zum Jahreswechsel um 5,7 Prozent auf 2075 Euro bei 5000 kWh) oder bei den Stadtwerken Kleve (zum März um rund zwölf Prozent auf 2044 Euro).
Viele Versorger senken die Preise, manche erhöhen
Wie beim Strom sieht Check24 auch beim Gas deutlich mehr Senkungen als Erhöhungen. Im Ruhrgebiet sticht unter den Versorgern, die ihre Preise anheben, Emscher Lippe Energie (ELE) hervor. Den Angaben zufolge steigen die Kosten in der Grundversorgung für Haushalte mit einem Stromverbrauch von 20.000 kWh um 7,7 Prozent auf 2566 Euro.
Die Stadtwerke Witten haben zum Jahreswechsel die Gaspreise in der Grundversorgung gesenkt – nämlich um rund 13 Prozent. Die jährlichen Kosten für einen Haushalt liegen dann nach Berechnungen von Check24 bei 2577 Euro bei einem Verbrauch von 20.000 kWh. Vergleichbare Größenordnungen gibt das Portal für die Stadtwerke in Essen (2452 Euro), Oberhausen (2650 Euro) und Bochum (2485 Euro) nach Preisreduzierungen an.
Höhere Mehrwertsteuer preistreibender Faktor beim Gas
Ab April steigt voraussichtlich auch die Mehrwertsteuer auf Gas – und zwar von sieben auf 19 Prozent. Einer vierköpfigen Familie könnten dadurch Mehrkosten von mehr als 200 Euro entstehen, schätzt Check24.
Der geplante Anstieg der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent sei absehbar „der größte preistreibende Faktor“ beim Erdgas, so die Verbraucherzentrale NRW. Dies und der Anstieg des CO2-Preises machen die Gaspreise demnach zusammengerechnet um 1,5 Cent pro Kilowattstunde teurer.
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Ob es zu erneuten Preisanhebungen der Versorger kommt? Steffen Suttner, für den Energiebereich zuständiger Geschäftsführer von Check24, rechnet damit – insbesondere in der Grundversorgung.
Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW sieht es anders. „Trotz Anstiegs des CO2-Preises ist eher von weiteren Preissenkungen in der Grundversorgung auszugehen, da die Börsenpreise weiter zurückgegangen sind und die niedrigeren Beschaffungspreise oft noch nicht bei den Haushalten angekommen sind“, sagt sie. Die Mehrwertsteuer-Erhöhung im März werde allerdings – auch ohne Preiserhöhungsschreiben – eins zu eins von den Versorgern an die Kunden weitergegeben.