Essen. Deutschlands Marktführer Eon erhöht die Strompreise für die Grundversorgung im Ruhrgebiet kräftig. Die Verbraucherzentrale NRW rät zum Wechsel.

Zehntausenden Verbrauchern im Ruhrgebiet drohen höhere Stromkosten. Deutschlands Marktführer Eon will die Preise in der Grundversorgung in weiten Teilen des Reviers deutlich anheben, unter anderem in großen Städten wie Essen und Mülheim. Der Arbeitspreis für Strom soll Unternehmensangaben zufolge im Juni um rund 60 Prozent steigen – von rund 30,85 Cent auf dann 49,44 Cent pro Kilowattstunde (kWh).

Für einen durchschnittlichen Stromverbraucher steigen damit nach Einschätzung von Eon die tatsächlichen Kosten um rund 45 Prozent, da der Grundpreis sinkt – und zwar von rund 190 Euro auf knapp 150 Euro im Jahr. Eine Beispielrechnung: Wer bislang 1300 Euro für Strom bezahlt hat, müsste demnach künftig etwa 1885 Euro an den Energieversorger überweisen.

„Wir haben die vielfach teureren Strom-Einkaufskosten während der Energiekrise überdurchschnittlich lange für unsere Kunden abgefedert, deshalb gilt in der Strom-Grundversorgung im Ruhrgebiet aktuell noch immer ein niedriger Arbeitspreis von 30,85 Cent pro kWh“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion. „Natürlich mussten wir im vergangenen Jahr an den Großhandelsmärkten zu hohen Preisen zukünftige Energiemengen für unsere Kunden sichern. Daher ist es unvermeidbar, dass sich dies zeitlich versetzt, aber immer noch gedämpft auch in den Endkundenpreisen niederschlägt.“

Große Teile des Ruhrgebiets betroffen

Zur Zahl der betroffenen Kundinnen und Kunden will sich Eon nicht äußern. Die höheren Preise sollen überall dort gelten, wo Eon im Ruhrgebiet Grundversorger ist, also nicht nur in Essen und Mülheim, sondern auch in Kommunen wie Castrop-Rauxel zum Beispiel.

Eon-Vorstandschef Leonhard Birnbaum hatte die Kundinnen und Kunden von Deutschlands größtem Energiekonzern schon Mitte März bei der Bilanzkonferenz in Essen auf teils weiter steigende Stromkosten vorbereitet. „Wir müssen auf Dauer die Großhandelspreise an unsere Kundinnen und Kunden durchreichen“, sagte Birnbaum. Im vergangenen Jahr habe Eon lediglich 30 Prozent der zum Teil extremen Preissteigerungen an den Großhandelsmärkten weitergegeben. „Das können wir aber nicht ewig durchhalten.“ So ließen sich auch Preiserhöhungen für Strom und Gas erklären, die Eon seit Anfang des Jahres vorgenommen habe. „Ich kann schon verstehen, dass jetzt die Frage kommt: Wie kann es sein, dass die Endkundenpreise weiter steigen werden und die Preise im Markt sinken?“, so Birnbaum. Seine Erklärung laute: „Unsere Endkundenpreise ziehen jetzt nach.“

Verbraucherzentrale NRW: „Preissteigerung erheblich“

Die Verbraucherzentrale NRW rät den betroffenen Menschen gleichwohl, einen Wechsel zu prüfen. Christina Wallraf, die Energieexpertin der Verbraucherzentrale, merkt zwar an, dass Kundinnen und Kunden von Eon im Ruhrgebiet „lange von sehr niedrigen Preisen profitiert“ hätten. „Doch das ist bald vorbei“, sagt die Expertin. „Da die Preissteigerung um knapp 19 Cent pro kWh erheblich ist, sollten Verbraucherinnen und Verbraucher ab Juni nicht mehr in der Grundversorgung von Eon bleiben.“ Es gebe viele alternative Anbieter, die die seit Dezember 2022 deutlich gesunkenen Beschaffungspreise über „attraktive Neukundentarife“ an die Verbraucher weitergeben, auch Stadtwerke. „Tarife ab zirka 33 Cent pro Kilowattstunde sind verfügbar“, berichtet Christina Wallraf.

Damit liegen die Neukundentarife auch deutlich unter dem Niveau, bei dem die staatliche Preisbremse ansetzt. Ab Anfang März wird der Strompreis bei 40 Cent pro kW/h gedeckelt – zumindest für den „Basisbedarf“, wie es die Bundesregierung nennt. Das heißt: Die Preisbremsen gelten für 80 Prozent des bisherigen Durchschnittsverbrauchs, aber nicht darüber hinaus.

Verbraucherschützerin Wallraf sieht angesichts der aktuellen Lage an den Strom-Großhandelsmärkten, bei denen Versorger wie Eon und Stadtwerke einkaufen, Potenzial für Preissenkungen. „Die langfristigen Beschaffungskosten für Energieanbieter betragen heute nur noch ein Drittel der Kosten im Vergleich zum letzten August, als die Preise an den Börsen ihren Höhepunkt erreichten“, erklärt die Expertin.

Eon: „Die Krise ist noch nicht vorbei“

Eon betont, das Unternehmen prüfe fortlaufend, ob sich „Spielraum für Preissenkungen“ ergebe. „Aktuell sehen wir zwar seit Jahresanfang Entspannungstendenzen am Markt. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Die Krise ist noch nicht vorbei“, heißt es bei Eon. Die Energiepreise an den Großhandelsmärkten haben nach Darstellung von Eon zuletzt sinkende Tendenzen gezeigt, aber das Niveau liege weiterhin „deutlich über dem von vor September 2021, als die Krise begann“. Damals kosteten Strommengen für das Folgejahr üblicherweise unter 80 Euro pro Megawattstunde (MWh). Aktuell – Stand 12. April 2023 – liege der Preis noch immer bei über 154 Euro, also fast doppelt so hoch.

Nach Angaben des Vergleichsportals Check24 haben sich die Stromkosten im März 2023 mit nun rund 2000 Euro für einen Durchschnittshaushalt um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat verringert. Der gesunkene Börsenstrompreis wirke sich bei den Angeboten für die Verbraucherinnen und Verbraucher aus. „In der Energiekrise mussten sie so viel für Strom bezahlen wie nie zuvor“, sagt Steffen Suttner von Check24. „Nun sinken vor allem bei alternativen Versorgern die Preise wieder.“ Im Vergleich zur Grundversorgung ließen sich so zusätzlich zur Strompreisbremse im Schnitt 425 Euro sparen. „In der Grundversorgung liegen noch 73 Prozent aller Tarife über der Strompreisbremse“, merkt Suttner an.

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