Oberhausen. Ein Konzern aus China will das Oberhausener Gasturbinen-Geschäft der VW-Tochter MAN Energy Solutions übernehmen. Bundesregierung muss prüfen.
Oft ist es eine reine Routinefloskel, wenn es heißt, die Behörden müssten einem Geschäft noch zustimmen. In diesem Fall könnte es anders sein. Denn der deutsche Anlagenbauer MAN Energy Solutions will sein Geschäft mit Gasturbinen an einen chinesischen Konzern verkaufen. Es gebe Einigkeit mit einem Gasturbinen-Hersteller namens CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co Ltd. (GHGT), erfuhr unsere Redaktion vom deutschen Unternehmen, das zum Volkswagen-Konzern gehört. Ein Kaufvertrag sei in dieser Woche unterzeichnet worden. Die betroffenen Beschäftigten an den Standorten in Oberhausen und Zürich sollen demnach vom Käufer aus China übernommen werden.
Eine Voraussetzung für das Geschäft ist allerdings, dass die Bundesregierung zustimmt. Ein Verkauf von Gasturbinen-Technologie nach China dürfte genau unter die Lupe genommen werden. Dass MAN Energy Solutions zum Autokonzern Volkswagen gehört, könnte die öffentliche Aufmerksamkeit für den geplanten Firmenverkauf noch erhöhen. MAN Energy Solutions verweist darauf, dass die Transaktion noch „unter dem Vorbehalt des Erhalts der erforderlichen behördlichen Genehmigungen“ stehe.
Im vergangenen November hatte die Bundesregierung den Erwerb der Dortmunder Chipfabrik Elmos durch ein chinesisches Unternehmen untersagt. Die Bundesregierung prüfe bei Firmenübernahmen genau, wenn es um wichtige Infrastrukturen gehe oder wenn die Gefahr bestehe, dass Technologie an Erwerber aus Nicht-EU-Ländern übergehe, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium in diesem Zusammenhang. „Natürlich ist und bleibt Deutschland ein offener Investitionsstandort, aber wir sind eben auch nicht naiv“, betonte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach einer Kabinettsitzung, bei der es um den Fall Elmos ging.
Gasturbinen können als Antrieb für Pipelines dienen
Der VW-Tochterkonzern MAN Energy Solutions produziert und wartet bislang an den Standorten in Oberhausen und Zürich unter anderem Gasturbinen vom Typ MGT bis zu einer Größe von acht Megawatt. Die Turbinen werden zur Energieproduktion eingesetzt – und als mechanischer Antrieb beispielsweise bei Pipelines. Das Geschäft, das an den chinesischen Konzern verkauft werden soll, stehe „nicht mehr im Zentrum der Wachstumsstrategie“ von MAN Energy Solutions, erklärt das Unternehmen zur Begründung des Verkaufs.
Seit Jahrzehnten beliefert MAN Energy Solutions Chemie-, Öl- und Gaskonzerne und stellt Bauteile für Schiffsmotoren her. Zunehmend will die VW-Tochter nun Anlagen fertigen, die im Kampf gegen den Klimawandel nützlich sein können.
„Wir richten uns derzeit konsequent neu aus“, sagte Uwe Lauber, der Vorstandschef von MAN Energy Solutions, vor gut einem halben Jahr im Gespräch mit unserer Redaktion. „Schon jetzt lässt sich das an
unseren Auftragseingängen ablesen, in Zukunft aber noch mehr. Ein Fünftel unserer Aufträge steht bereits im Zusammenhang mit Anlagen zur Dekarbonisierung. Bis zum Jahr 2030 streben wir an, dass mehr als die Hälfte unserer Produkte zur CO2-Reduzierung beiträgt.“
So will MAN Energy Solutions mit Technik aus Oberhausen die größte Wärmepumpe der Welt bauen – und zwar für den Chemiekonzern BASF am Standort Ludwigshafen. Die neue Anlage soll die Produktion von Dampf mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien ermöglichen und erhebliche CO2-Einsparungen bewirken. „Für unser Werk in Oberhausen bieten sich enorme Potenziale, denn es geht hier um ein Vorzeigeprojekt mit weltweiter Strahlkraft“, sagte Lauber.
Beschäftigte von MAN Energy Solutions in Oberhausen und Zürich betroffen
Beim geplanten Verkauf des Gasturbinen-Geschäfts nach China sei eine fünfjährige Standortgarantie für Oberhausen und Zürich vereinbart worden, so MAN Energy Solutions. Insgesamt geht es um rund 100 Beschäftigte, davon etwa 80 im Ruhrgebietswerk. An mehr als 120 Standorten beschäftigt der Konzern eigenen Angaben zufolge rund 14.000 Mitarbeitende.
Die Entscheidung zur Trennung vom Gasturbinen-Geschäft hatte MAN Energy Solutions im Jahr 2020 im Zuge eines Programms getroffen, das konzernintern „Performance 2023“ heißt. Auf die weiteren Beschäftigten in den Werken von MAN Energy Solutions Oberhausen und Zürich sowie die übrigen dort gefertigten Produkte habe der Verkauf keine Auswirkungen, so das Unternehmen. In Oberhausen bleiben demnach rund 1600 Mitarbeitende, in Zürich etwa 800. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats von MAN Energy Solutions, Gunnar Kilian, ist auch VW-Vorstandsmitglied und hier für das Personal zuständig.
Unter dem neuen Eigentümer würden nicht nur die betroffenen Arbeitsplätze erhalten, sondern es sei auch eine „weitere Entwicklung der Gasturbinen-Baureihe“ möglich, heißt es im Konzern. Die dafür erforderlichen Finanzmittel wären voraussichtlich von MAN Energy Solutions nicht mehr zur Verfügung gestellt worden. Über finanzielle Details der Transaktion sei indes Stillschweigen vereinbart worden, heißt es.
Der potenzielle Käufer: CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co Ltd.
Das chinesische Unternehmen CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co Ltd. (GHGT) entwickelt kleine und mittlere Gasturbinen im Leistungsbereich von fünf bis 50 Megawatt sowie Hochleistungs- und Verbrennungstechnologien. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der China State Shipbuilding Corporation (CSSC) und hat seinen Hauptsitz im chinesischen Harbin. Mehr als 700 Mitarbeitende weltweit arbeiten Unternehmensangaben zufolge in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion sowie Service.
Am Mittwoch (21. Juni) teilte das chinesische Unternehmen mit, es wolle am Standort Oberhausen künftig „wichtige neue Produkte und Technologien im Bereich kleine und mittlere Gasturbinen“ entwickeln. Dafür habe GHGT eine neue deutsche Tochtergesellschaft namens Guanghan Gas Turbine GmbH mit Sitz in Oberhausen gegründet. Sie werde 80 bis 90 Beschäftigte haben. Schwerpunkte sollen unter anderem bei Themen wie der Wasserstoff- und Ammoniakverbrennung liegen. Am Standort Zürich sollen Unternehmensangaben zufolge weiterhin bereits installierte Gasturbinen gewartet und damit verbundene Dienstleistungen angeboten werden – unter der Flagge einer schweizerischen Tochtergesellschaft (Guanghan Gas Turbine Schweiz AG) mit Sitz in Zürich und rund 20 Mitarbeitenden.
Innerhalb des VW-Konzern galt MAN Energy Solutions vor einigen Jahren selbst als Verkaufskandidat. Vorstandschef Lauber betont mittlerweile allerdings, es gebe ein enges und gutes Verhältnis mit Volkswagen.