Oberhausen. Die VW-Tochter MAN ES ist größter industrieller Arbeitgeber in Oberhausen. VW erwägt einen Verkauf. MAN-Vorstand Lauber sagt, wie es weitergeht.
Der Anlagenbauer MAN Energy Solutions (MAN ES), der größte industrielle Arbeitgeber in Oberhausen, steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Der Volkswagen-Konzern erwägt einen Verkauf seines Tochterunternehmens mit rund 15.000 Beschäftigten. Hinzu kommt, dass sich der Hersteller von Turbomaschinen, Großdiesel- und Gasmotoren angesichts der Energiewende massiv verändern muss. „Überall dort, wo die Elektrifizierung und Batterien nicht weiterhelfen, ist Wasserstoff der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Uwe Lauber, der Vorstandschef von MAN ES. In unserem Interview spricht er über seine Strategie für den Wandel, den Standort Oberhausen und die Verkaufspläne von VW.
Herr Lauber, mit rund 15.000 Beschäftigten ist Ihr Unternehmen MAN Energy Solutions weltweit einer der führenden Anbieter von Großdiesel- und Gasmotoren sowie Turbomaschinen. Werden solche Anlagen noch gebraucht, wenn die Industrie möglichst klimaneutral sein soll?
Lauber: Absolut. Wir sind nicht die Gegner der Energiewende. Wir sind es, die den Wandel ermöglichen, indem wir Lösungen für mehr Klimaschutz anbieten.
Zu ihren Kunden gehören große Chemie-, Öl- und Gaskonzerne. Sie liefern auch Bauteile für Containerschiff-Motoren, die mit Schweröl betrieben werden. Wollen Sie sich einen grünen Anstrich geben?
Lauber: Nein, darum geht es nicht. Wir haben uns klare Ziele gesetzt. Bis zum Jahr 2030 soll die Hälfte unseres Geschäfts aus nachhaltigen Technologien bestehen. Wir sind kein Schmutzfink, im Gegenteil. Wir verändern uns, und dabei gibt es große Potenziale. Neben der Digitalisierung setzen wir insbesondere auf die Dekarbonisierung. Wir wollen also Wege aus der fossil basierten Industrie aufzeigen.
Rudolf Diesel, der Ende des 19. Jahrhunderts auf Ihrem Werksgelände in Augsburg den Diesel-Motor erfunden hat, ist ein Wegbereiter von MAN. Die Begriffe „Diesel & Turbo“ haben Sie mittlerweile durch „Energy Solutions“ im Konzernnamen ersetzt. Möchten Sie sich von der Diesel-Technologie verabschieden?
Lauber: Das Diesel-Prinzip ist in unseren Genen – und wird es auch bleiben. Diesel-Motoren können auch alternative Kraftstoffe verarbeiten, die zur Klimaneutralität beitragen.
Insbesondere beim Antrieb von Container- und Kreuzfahrtschiffen kommt nach wie vor Schweröl in riesigen Mengen zum Einsatz. Wird diese Branche bis 2050 klimaneutral sein, wie es die EU will?
Lauber: Der Wandel wird sicher noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Klar ist: Für große Containerschiffe sind Batterien keine Lösung. Um ein Schiff auszustatten, das vier Wochen auf hoher See
unterwegs ist, wären bei einem Elektroantrieb riesige Energiespeicher erforderlich. Dann bliebe praktisch kein Platz mehr für Container. Positiv ist, dass zunehmend Flüssiggas statt Schweröl als Treibstoff in der Schifffahrt zum Einsatz kommt. Damit verbessert sich die Klimabilanz erheblich. Aber das ist nur der erste Schritt. Für eine echte maritime Energiewende müssen klimaneutrale Kraftstoffe zum Einsatz kommen.
Wie sehr setzen die Klimaziele und die aktuelle Konjunkturschwäche Ihren Konzern unter Druck?
Lauber: Der Druck auf dem Kessel ist enorm, nicht erst seit gestern. Weltweit geht die Zahl der Schiffe, die von Reedern gekauft werden, zurück. Darauf haben wir frühzeitig reagiert und unsere Strategie angepasst. Wir wollen nicht mehr nur eine Turbine oder einen Motor bauen, das können andere auch, was den Wettbewerb um den niedrigsten Preis anheizt. Daher bieten wir unseren Kunden verstärkt Gesamtpakete an, im Schiffbau zum Beispiel einen kompletten Maschinenstrang bis zum Propeller. Mit hybriden Antriebssystemen mit Verbrennungsmotoren und Batteriebetrieb lässt sich die CO2-Bilanz optimieren. Ähnlich gehen wir in der Energiewirtschaft vor. Wir sind kein reiner Komponentenverkäufer, wir bauen komplette Kraftwerke, zum Beispiel derzeit in Frankfurt/Oder, Chemnitz und Jena.
Sind diese Kraftwerke denn schon klimaneutral?
Lauber: Es gibt jedenfalls große Fortschritte bei der Klimabilanz. Wir benötigen Gaskraftwerke als Brückentechnologie. Künftig lassen sich Gaskraftwerke auch klimaneutral betreiben, wenn synthetische
Kraftstoffe zum Einsatz kommen, die mit erneuerbaren Energien produziert worden sind. Eine entscheidende Rolle spielt Wasserstoff. Es ist möglich, Strom aus erneuerbaren Quellen durch die Elektrolyse in Wasserstoff umzuwandeln. Dieser Wasserstoff kann ins Pipelinenetz eingespeist und für den Antrieb von Fahrzeugen, die Stromerzeugung oder die Stahlherstellung verwendet werden.
Bislang ist Deutschlands Wirtschaft aber von einem weitreichenden Einsatz von Wasserstoff noch weit entfernt. Auch Ihr Mutterkonzern VW setzt vor allem auf die Elektromobilität.
Lauber: Wir brauchen generell eine Wasserstoffstrategie in Deutschland. Dabei geht es nicht nur um unser Unternehmen. Überall dort, wo die Elektrifizierung und Batterien nicht weiterhelfen, ist Wasserstoff der Schlüssel zum Erfolg. Wir haben die Chance, eine Leittechnologie für die ganze Welt zu entwickeln.
Bekommt die Industrie genug Unterstützung durch die Bundesregierung?
Lauber: Wir sind in Deutschland planlos in die Energiewende gegangen. Sich nahezu zeitgleich von Kernkraft und Kohle zu verabschieden, ohne als Volkswirtschaft eine vernünftige Strategie für die Zukunft zu haben, ist riskant. Wir ermöglichen als Unternehmen die Energiewende. Das sollte die Politik positiv zur Kenntnis nehmen.
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Viele Wasserstoff-Projekte rechnen sich derzeit nicht. Lässt sich das ändern?
Lauber: Ja, aber dafür muss die Politik handeln. Der Strom ist durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz viel zu teuer, der Preis für Kohlendioxid wiederum zu niedrig. Als Einstiegspreis für CO2 sind derzeit 25 Euro pro Tonne geplant, es müssten aber 110 bis 120 Euro sein.
Ihr Mutterkonzern VW erwägt einen Verkauf von MAN Energy Solutions. Wissen Sie schon, wie es weitergeht?
Lauber: Wir sind gerne bei VW, aber wir bauen keine Autos. Daher liegt es nahe, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob es einen besseren Partner gibt, um unsere Strategie umzusetzen. Dieser Prozess läuft.
Schon seit Monaten läuft die Suche nach einem potenziellen Käufer. Wann bekommen die Beschäftigten Klarheit?
Lauber: Es gibt keinen Zeitdruck, wir sind ja kein Notverkauf. Nach derzeitigem Stand rechnen wir mit einer Entscheidung im ersten oder zweiten Quartal dieses Jahres.
Unlängst haben Spekulationen über mögliche Käufer die Runde gemacht, darunter Finanzinvestoren sowie Konzerne aus der Branche wie Mitsubishi oder die österreichische Firma Jenbacher, die dem Investor Advent gehört. Worauf legen Sie bei der Partnerwahl Wert?
Lauber: Zu den Namen möchte ich mich nicht äußern. Wir wünschen uns einen Partner, der unsere Strategie versteht.
An Ihrem Standort Oberhausen befinden sich unter anderem die Kompetenzen von MAN für den Bau von Gas- und Dampfturbinen sowie Kompressoren. Wie steht es um das Werk mit 1800 Mitarbeitern?
Lauber: Das Werk Oberhausen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Zukunftsstrategie. Für den Bau von Energiespeichern, die künftig verstärkt benötigt werden, sind Turbomaschinen erforderlich, wie wir sie in Oberhausen bauen. Gerade haben wir einen Auftrag für ein Gaskraftwerk in Kaiserslautern erhalten – die Turbinen dafür kommen aus Oberhausen. Wir sind der größte industrielle Arbeitgeber in der Stadt. Und wir arbeiten hart daran, dies auch zu bleiben.