Duisburg/Essen. Bei Thyssenkrupp wird um milliardenschwere Hilfen für den Stahl gerungen. Im Mittelpunkt: Minister Habeck. Auch Bärbel Bas schaltet sich ein.

Zwar haben die Arbeiten zum klimafreundlichen Umbau von Deutschlands größtem Stahlstandort Duisburg bereits begonnen, doch hinter den Kulissen wird um eine milliardenschwere staatliche Förderung für den seit Jahren angeschlagenen Industriekonzern gerungen. Dabei steht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Mittelpunkt. Führende Vertreter der IG Metall, darunter Thyssenkrupp-Aufsichtsrat Jürgen Kerner, sehen das Großprojekt, mit dem der Stahlstandort Duisburg gerettet werden soll, plötzlich wieder in Gefahr. In einem offenen Brief an den Minister berichten die Arbeitnehmervertreter, es gebe „massive Widerstände“ in Brüssel und Berlin gegen die staatliche Förderung.

Für die milliardenschwere Investition zum Bau einer Direktreduktionsanlage, mit deren Hilfe „grüner Stahl“ hergestellt werden soll, hat Thyssenkrupp eine finanzielle Förderung des Bundes fest eingeplant. Auch die EU-Kommission muss dem Vorhaben zustimmen. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob Unterstützung für Thyssenkrupp aus der Staatskasse wettbewerbsverzerrend wäre.

„Aktuell läuft noch die Prüfung der Europäischen Kommission“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag (19. Mai) auf Anfrage unserer Redaktion. Daher gebe es noch keine Förderzusage. Das Ministerium unterstütze das Projekt, klar sei aber auch, „dass verantwortlich mit den Haushaltsmitteln umgegangen werden“ müsse. Zu möglichen Fördersummen wollte sich das Habeck-Ministerium nicht äußern.

IG Metall warnt vor Aus des gesamten Vorhabens

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat zugesagt, das Land NRW werde bis zu 700 Millionen Euro beisteuern, damit Stahl „künftig klimaverträglich produziert“ werden könne. Ein noch größerer Teil der staatlichen Förderung könnte indes vom Bund kommen, wie aus Antworten von NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) auf Fragen der SPD-Landtagsfraktion hervorgeht, die schon vor einiger Zeit veröffentlicht worden sind. Demnach soll der Bund 70 Prozent der Fördersumme liefern, 30 Prozent das Land. Nicht nur für den Bau der Anlage, sondern auch für den späteren Betrieb hofft der Stahlkonzern auf finanzielle Unterstützung aus der Staatskasse.

Der Thyssenkrupp-Vorstand habe den Bau der neuen Anlage „trotz einer zwischenzeitlich erfolgten Kürzung der Förderung des Bundes“ beschlossen, so die Arbeitnehmervertreter in dem Brief an Minister Habeck. Mit einer weiteren Verringerung der Förderung drohe dem gesamten Vorhaben das Aus. „Im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG würde eine weitere Kürzung der Förderung eine massive Diskussion über eine Rücknahme der Investitionsentscheidung auslösen“, heißt es in dem Schreiben, das mit einem Briefkopf von IG Metall und Thyssenkrupp versehen ist. „Nur mit Mühe ist es gelungen, die Entscheidung um einen Monat auf den 23. Juni zu schieben.“ Zur Höhe der erhofften Förderung gibt es auch in dem Brief keine Angaben.

Bärbel Bas: „Geplante Großinvestition darf nicht gefährdet werden“

Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), die aus Duisburg stammt, schaltet sich ein. „Duisburg ist der ideale Standort, um zu beweisen, dass die Produktion von grünem Stahl auch flächendeckend umsetzbar und wirtschaftlich ist“, sagte Bas unserer Redaktion. „Die geplanten Investitionen in den Bau einer Direktreduktionsanlage sind für Duisburg, aber auch für ganz Deutschland von großer Bedeutung. Mit Hilfe dieser klimaneutralen Zukunftstechnologie sichern wir auch in Zukunft die Arbeitsplätze am Industriestandort Duisburg.“ Sie unterstütze daher die Forderung der Arbeitnehmervertreter. „Die geplante Großinvestition darf nicht gefährdet werden, die zugesagten Fördermittel müssen fließen“, mahnt Bärbel Bas. „Davon profitieren nicht nur Duisburg und das Ruhrgebiet, sondern ganz Deutschland.“

„Das Projekt darf auf keinen Fall scheitern, denn es geht um Sicherheit für den Industriestandort Duisburg und tausende Beschäftigte“, sagt Sarah Philipp, Duisburgerin und parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion.

Der Duisburger Grünen-Politiker Felix Banaszak spricht sich für eine finanzielle Unterstützung des Thyssenkrupp-Projekts aus, sieht aber auch Grenzen. „Ich bin sehr dafür, dass der Staat hier mit einem Milliardenbetrag unterstützt, aber es ist weder haushaltspolitisch noch beihilferechtlich selbstverständlich, dass die öffentliche Hand eine private Investition eines Konzerns zu gut drei Vierteln bezahlt“, sagte Banaszak unserer Redaktion. Der Abgeordnete, der für die Grünen im Haushalts- und im Wirtschaftsausschuss des Bundestags ist, betont zugleich: „Hinter der Transformation müssen nicht nur Bund und Land stehen, sondern auch das Unternehmen selbst.“ Alle Beteiligten können sich jedenfalls „darauf verlassen“, dass der Bund „seinen Teil beitragen wird“, so Banaszak.

Zu Wochenbeginn hatte der Thyssenkrupp-Aufsichtsrat getagt. Ein Thema war der Wechsel an der Konzernspitze von Martina Merz zum langjährigen Siemens-Manager Miguel Ángel López Borrego, der im Juni sein Amt antritt. Spannend wird sein, wie er sich zur Stahlsparte von Thyssenkrupp positioniert.

CDU-Abgeordneter: „Habeck nicht nur für Heizungen zuständig“

Der CDU-Abgeordnete Stefan Rouenhoff, Mitglied im Wirtschaftsausschuss, fordert Klarheit von Wirtschaftsminister Habeck. „Robert Habeck muss endlich begreifen, dass er nicht nur für Heizungen zuständig ist. Als Wirtschaftsminister trägt er auch eine große industriepolitische Verantwortung für unser Land. Dieser wird er bisher nicht ansatzweise gerecht“, sagte Rouenhoff unserer Redaktion. „Minister Habeck unternimmt viel zu wenig, um den Industriestandort Deutschland und damit auch die Wertschöpfung in unserem Land zu sichern.“ Jetzt dürfe er „nicht auch noch eine seiner wenigen Zusagen vom Tisch wischen“ und damit den „grünen Stahl aus Duisburg“ gefährden.

Für den 14. Juni plant die IG Metall eine Kundgebung bei Thyssenkrupp in Duisburg. Die Belegschaft werde dann „ein klares Zeichen vor den Werkstoren setzen“, heißt es in dem Brief an Minister Habeck. Die Arbeitnehmervertreter laden Wirtschaftsminister Habeck dafür nach Duisburg ein. „Bewilligen Sie die Fördersumme wie zugesagt“, fordern sie.

Bei dem geplanten Großprojekt geht es darum, dass Duisburgs Hochöfen schrittweise von Direktreduktionsanlagen abgelöst werden, die mit Wasserstoff betrieben werden können. Eine erste sogenannte DRI-Anlage soll den Plänen zufolge Ende 2026 den Betrieb aufnehmen. Dafür hat Thyssenkrupp Steel einen benachbarten NRW-Konzern beauftragt: den Anlagenbauer SMS Group aus Düsseldorf. Mit einem Auftragsvolumen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro ist es der größte Einzelauftrag in der Geschichte von SMS.

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