Essen. Neue Unruhe bei Thyssenkrupp: IG Metall sieht Großinvestition für Duisburg in Gefahr und schreibt Brief an Robert Habeck. Kundgebung geplant.
Führende Vertreter der IG Metall bei Thyssenkrupp sehen plötzlich den klimafreundlichen Umbau von Deutschlands größtem Stahlstandort Duisburg wieder in Gefahr. In einem offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnen vier Arbeitnehmervertreter vor einem Scheitern der Pläne für den Bau einer sogenannten Direktreduktionsanlage, mit deren Hilfe ein bestehender Hochofen in Duisburg ersetzt werden soll.
Für die milliardenschwere Investition hat Thyssenkrupp eine finanzielle Förderung des Bundes eingeplant. Auch die EU-Kommission muss dem Vorhaben zustimmen. Die Arbeitnehmervertreter berichten in dem Schreiben an Habeck, es gebe „massive Widerstände“ in Brüssel und Berlin, die Förderung zu bewilligen.
Droht eine Rücknahme der Investitionsentscheidung?
Zur Höhe der erhofften Förderung gibt es in dem Brief keine Angaben. Im März hatte der Thyssenkrupp-Vorstand den Bau der neuen Anlage beschlossen – „trotz einer zwischenzeitlich erfolgten Kürzung der Förderung des Bundes“, so die Arbeitnehmervertreter. Mit einer weiteren Verringerung der Förderung drohe dem gesamten Vorhaben das Aus, so die Vertreter der IG Metall. „Im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG würde eine weitere Kürzung der Förderung eine massive Diskussion über eine Rücknahme der Investitionsentscheidung auslösen“, heißt es in dem Brief. „Nur mit Mühe ist es gelungen, die Entscheidung um einen Monat auf den 23. Juni zu schieben.“
Unterzeichnet ist das Schreiben von Thyssenkrupp-Aufsichtsratsvize Jürgen Kerner, Konzernbetriebsratschef Dirk Sievers, Stahl-Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol und Detlef Wetzel, Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel. Zu Wochenbeginn hatte der Thyssenkrupp-Aufsichtsrat getagt. Im Juni tritt der neue Konzernchef Miguel Ángel López Borrego an, der Martina Merz ablöst.
Kundgebung in Duisburg geplant – Habeck eingeladen
Für den 14. Juni plant die IG Metall augenscheinlich eine Kundgebung in Duisburg. Die Belegschaft werde dann „ein klares Zeichen vor den Werkstoren setzen“. Die Arbeitnehmervertreter laden Wirtschaftsminister Habeck dafür nach Duisburg ein. „Bewilligen Sie die Fördersumme wie zugesagt“, fordern sie.
Duisburgs Hochöfen sollen schrittweise von Direktreduktionsanlagen abgelöst werden, die mit Wasserstoff betrieben werden können. Eine erste sogenannte DRI-Anlage soll den Plänen zufolge Ende 2026 den Betrieb aufnehmen. Dafür hat Thyssenkrupp Steel einen benachbarten NRW-Konzern beauftragt: den Anlagenbauer SMS Group aus Düsseldorf. Mit einem Auftragsvolumen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro ist es der größte Einzelauftrag in der Geschichte von SMS.
Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt Thyssenkrupp mit der größten Einzelförderung, die es jemals in NRW gegeben hat, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) unlängst auch im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Duisburg betonte. Bis zu 700 Millionen Euro aus der Landeskasse sollen kommen, um in Duisburg eine klimafreundliche Stahlproduktion aufzubauen. Mehr Geld habe bislang noch nie eine NRW-Landesregierung „auf den Tisch gelegt für irgendein Projekt“, so Wüst.