Essen. Das Land NRW hat Thyssenkrupp 700 Millionen Euro zugesagt. Doch wie geht es nun weiter beim Stahl? Was wird aus HKM? Einiges zeichnet sich ab.

Der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp verzeichnet zum Start ins neue Geschäftsjahr einen deutlichen Gewinnrückgang. Im ersten Quartal sei das Ergebnis nach Steuern im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24 Prozent auf 98 Millionen Euro gefallen, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Insbesondere die Auswirkungen sinkender Stahlpreise haben Spuren in der Bilanz von Thyssenkrupp hinterlassen. Finanzvorstand Klaus Keysberg zeigte sich allerdings in einer Telefonkonferenz gelassen. Das Unternehmen, zu dem weltweit aktuell rund 97.300 Beschäftigte gehören, sei in einer „robusten“ Verfassung.

Allerdings überwiegen in der Zwischenbilanz die Minuszeichen in den Tabellen zu Auftragseingang, Umsatzentwicklung und Gewinnmarge. Viel sei auf fallende Preise im europäischen Werkstoffgeschäft zurückzuführen, betont Thyssenkrupp-Vorstandsmitglied Keysberg. „In den anderen Bereichen haben wir uns gut behauptet“, sagt er.

Konzernchefin Martina Merz will Thyssenkrupp als Firmengruppe („Group of Companies“) positionieren, in der die einzelnen Unternehmen weitgehend unabhängig von der Essener Zentrale agieren. Zum seit Jahrzehnten breit aufgestellten Industriekonzern Thyssenkrupp gehören beispielsweise Traditionsbetriebe wie der Anlagenbauer Uhde, die Werften für U-Boote im Norden Deutschlands, Autozulieferer-Aktivitäten und das Wasserstoff-Geschäft der Dortmunder Firma Nucera.

Besonders im Fokus steht das Stahlgeschäft mit dem Hochofen-Standort Duisburg sowie Werken in Bochum, Dortmund, Gelsenkirchen und Südwestfalen. Keysberg bekräftigt die Pläne des Konzernvorstands, die Stahlsparte mit ihren mehr als 26.000 Beschäftigten abzuspalten und in die Eigenständigkeit zu führen. Den Zeitplan ließ er allerdings erneut offen.

Doch wie geht es nun weiter mit dem Geschäft, das die Keimzelle von Thyssenkrupp bildet? Der nächste Schritt dürfte die Vergabe der Aufträge zum Bau einer sogenannten Direktreduktionsanlage in Duisburg sein, mit deren Hilfe künftig klimafreundlicher Stahl hergestellt werden soll. Das milliardenschwere Aggregat könnte einen der bestehenden Hochöfen an Europas größtem Stahlstandort ersetzen.

Ministerpräsident Wüst sichert 700 Millionen Euro für Thyssenkrupp zu

Das Land NRW unterstütze Thyssenkrupp bei diesem Projekt mit „der größten Einzelförderung, die es in Nordrhein-Westfalen jemals gegeben hat“, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vor wenigen Tagen in der Essener Villa Hügel bei einem Festakt der Thyssenkrupp-Großaktionärin Krupp-Stiftung. Das Land steuere 700 Millionen Euro bei, damit Stahl „künftig klimaverträglich produziert“ werden könne, erklärte Wüst im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Ein noch größerer Teil der staatlichen Förderung für den Bau der riesigen Anlage soll indes vom Bund kommen, wie aus unlängst veröffentlichten Antworten von NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) auf Fragen der SPD-Landtagsfraktion hervorgeht. Demnach soll der Bund 70 Prozent der Fördersumme beisteuern. Die Förderung des Großprojekts in Duisburg werde durch eine Ko-Finanzierung von Bund und Land erfolgen, wobei das Land 30 Prozent übernehme, so das NRW-Wirtschaftsministerium. Die Europäische Kommission sei für die beihilferechtliche Genehmigung zuständig. Thyssenkrupp-Finanzchef Keysberg sagte am Dienstag in der Telefonkonferenz, das Unternehmen rechne mit „einem positiven Förderbescheid der EU“ noch im ersten Halbjahr dieses Jahres.

Die Aufträge für die Anlagenbauer wollte der Konzern ursprünglich schon im Herbst vergeben, um die Produktion von „grünem Stahl“ im Jahr 2026 zu starten. Die Auftragsvergabe von Thyssenkrupp für die Direktreduktionsanlage könnte aber auch erfolgen, bevor es die EU-Entscheidung gibt.

Unklare Aussichten für Duisburger Stahlhersteller HKM

Unklar ist auch, wie es langfristig beim Stahlhersteller Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) mit derzeit rund 3100 Beschäftigten weitergeht. Das Unternehmen gehört den deutschen Stahlkonzernen Thyssenkrupp Steel (50 Prozent) und Salzgitter (30 Prozent) sowie dem französischen Rohrhersteller Vallourec, der 20 Prozent hält. Seit Jahren fungiert HKM als Zulieferbetrieb für die beteiligten Konzerne. Vallourec will allerdings seine HKM-Anteile aufgeben und sich aus Deutschland zurückziehen. Werke von Vallourec in Düsseldorf und Mülheim werden geschlossen. Zwei Hochöfen und eine Kokerei sind Teil des HKM-Betriebs in Duisburg. Die IG Metall warnte vor einem Aus von HKM, sollten nicht bald Entscheidungen zu Investitionen in den Umbau des Standorts fallen.

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In der Telefonkonferenz zur Thyssenkrupp-Quartalsbilanz sagte Finanzchef Keysberg, er wolle sich nicht zu HKM äußern. Dies sei „Sache der Tochter Steel“, die sich auch mit diesem Thema beschäftige, so Keysberg. Auf Ebene der Anteilseigner müssten dann „die Entscheidungen zur HKM-Zukunft“ fallen.

Entwarnung gab Keysberg auf Nachfrage mit Blick auf einen Hackerangriff, der Ende vergangenen Jahres die Thyssenkrupp-Werkstoffhandelssparte mit weltweit rund 16.000 Beschäftigten getroffen hatte. Die Situation sei „unter Kontrolle“ und der Angriff abgewehrt. Es sei auch kein Schaden für Thyssenkrupp entstanden.