Essen/Düsseldorf. Fünf oder sechs Millionen Euro als Jahresgehalt: Summen wie diese rufen die Politik auf den Plan. In NRW wird der Ruf nach einer Begrenzung laut.
Angesichts millionenschwerer Vorstandsvergütungen wird der Ruf nach einer Begrenzung der Managergehälter laut. „Es ist keinem Menschen zu erklären, wenn der Mitarbeiter von Inflationssorgen erdrückt wird und der Manager Summen verdient, die jeder Vorstellungskraft entbehren“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion André Stinka unserer Redaktion. „Politik muss sich hier mehr einmischen. Eine Deckelung der Bezüge für aktive und ehemalige Vorstände ist eine Möglichkeit.“
Mitten in der Energiekrise sind die Chefgehälter bei den beiden größten deutschen Strom- und Gasversorgern gestiegen. Wie aus den Geschäftsberichten hervorgeht, hat sich die Zahlung an RWE-Chef Markus Krebber für 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent auf 6,23 Millionen Euro erhöht. Eon-Chef Leonhard Birnbaum erhielt eine Vorstandsvergütung von 5,42 Millionen Euro – rund 250.000 Euro mehr als im Jahr zuvor. Aktionärsvertreter sehen dies kritisch. „Wenn Vorstandsvergütungen in Zeiten wie diesen steigen, hat das eine enorme Sprengkraft“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Angesichts steigender Gas- und Strompreise hatte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur schon vor einigen Monaten die Stadtwerke-Chefs zu einer freiwilligen Gehaltsreduzierung aufgefordert. Den Stadtwerke-Chefs legte die Grünen-Politikerin beim „Deutschen Energierechtstag“ Ende August in Essen nahe, wegen der aktuellen Energiekrise aus eigenem Antrieb auf einen Teil des Gehalts zu verzichten. Sie „glaube, dass es eine kluge Entscheidung wäre“, wenn die Stadtwerke-Chefs ihrem Aufsichtsrat mit Blick auf den Bonus sagten: „Ich würde darauf im nächsten Jahr gerne verzichten.“
Millionenschwere Gehälter für Vorstandsmitglieder
Bei den Revierkonzernen Vonovia, Thyssenkrupp und Evonik sind die Chefgehälter im vergangenen Geschäftsjahr gesunken, allerdings weiterhin millionenschwer. Ihrem Chef Rolf Buch überwies Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia rund 4,26 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 6,05 Millionen Euro. Die scheidende Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz bekam mit 2,59 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2021/22 deutlich weniger als im Vorjahreszeitraum (3,64 Millionen Euro). Auch Christian Kullmann, Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik, hat deutliche Gehaltseinbußen. Seine Vorstandsvergütung rutschte von 3,56 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 2,52 Millionen Euro für das vergangene Jahr. Beim Essener Chemikalienhändler Brenntag blieb das Gehalt für den Chef annähernd stabil. Christian Kohlpaintner erhielt Unternehmensangaben zufolge 3,14 Millionen Euro für seine Arbeit im vergangenen Jahr (Vorjahr: 3,13 Millionen Euro).
Zum Vergleich werden in den Geschäftsberichten für 2022 teilweise auch die Durchschnittsgehälter der Arbeitnehmer in Deutschland genannt. Am höchsten ist das Niveau unter den großen Revierkonzernen bei der Brenntag SE mit 110.000 Euro (Vorjahr: 101.000 Euro). Einen Rückgang gibt es bei der Stammbelegschaft des Chemiekonzerns Evonik in Deutschland – von 89.000 Euro auf 85.000 Euro. Deutlich darunter liegen Thyssenkrupp mit 68.000 Euro (Vorjahr: 65.000 Euro) und Vonovia mit 66.700 Euro (Vorjahr: 65.100 Euro).
„Zwischen Pförtner und Chef darf keine völlige Entkopplung der Löhne stattfinden“
„Manager großer Konzerne tragen eine enorme Verantwortung, für die eine gute Bezahlung auch in Ordnung ist. Doch es besteht ein Unterschied zwischen guten Gehältern und exorbitanten Millionenbeträgen“, sagte der SPD-Wirtschaftspolitiker Stinka. „Zwischen Pförtner und Chef darf keine völlige Entkopplung der Löhne stattfinden.“
Thyssenkrupp-Chefin Merz, die das Unternehmen in einigen Wochen verlassen wird, hatte vor wenigen Tagen ein Zeichen gesetzt und nach Unternehmensangaben erklärt, sie wolle auf eine Abfindung beim Rückzug verzichten. André Stinka sieht die Abfindungsregelungen großer Unternehmen generell kritisch und mahnt ein verändertes Vorgehen in den Konzernen an. „Besonders sauer stoßen vielen verständlicherweise Millionen-Abfindungen auf, wenn vorher noch Fehler im Management passiert sind“, sagte Stinka, ohne dabei auf Thyssenkrupp einzugehen. „Kein normaler Arbeitnehmer kann von riesigen Abfindungen träumen, gerade wenn etwas schiefläuft. Wieso sollte das bei Spitzenposten dann gerecht sein?“