Essen. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) regt angesichts der Gaskrise freiwillige Gehaltseinbußen von Stadtwerke-Chefs an.

Angesichts steigender Gas- und Strompreise ruft NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) die Chefs der Stadtwerke zu einer freiwilligen Gehaltsreduzierung auf. Bei den Vertragskonstruktionen vieler Stadtwerke seien Bonuszahlungen für die kommunalen Manager an den Umsatz gekoppelt, erklärte Neubaur, die seit einigen Wochen in der NRW-Landesregierung das Wirtschaftsressort führt und stellvertretende Ministerpräsidentin ist, beim „Deutschen Energierechtstag“ in Essen. Den Stadtwerke-Chefs legte Neubaur nahe, wegen der aktuellen Energiekrise aus eigenem Antrieb auf einen Teil des Gehalts zu verzichten. Sie „glaube, dass es eine kluge Entscheidung wäre“, wenn die Stadtwerke-Chefs ihrem Aufsichtsrat mit Blick auf den Bonus sagten: „Ich würde darauf im nächsten Jahr gerne verzichten.“

Aus Angaben von Stadtwerken im Bundesanzeiger geht hervor, dass die variablen Vergütungen einen beträchtlichen Teil der Bezahlung für Vorstände beziehungsweise Geschäftsführer der kommunalen Betriebe ausmachen. Bei einem für das Ruhrgebiet typischen Stadtwerk konnten die Geschäftsführer laut jüngst vorgelegter Jahresbilanz neben den festen Bezügen zusätzlich eine jährliche Tantieme von bis zu 45 Prozents des Grundgehalts erreichen. Das jährliche Festgehalt liegt in dem beispielhaften Stadtwerk zwischen 350.000 und 375.000 Euro. Als Gesamtvergütung erhielten die Vorstandsmitglieder – zusammen mit dem Bonus – jeweils etwa eine halbe Million Euro.

Oberbürgermeister Kufen besorgt um gesellschaftlichen Zusammenhalt

Beim „Deutschen Energierechtstag“, der auf dem Gelände des Essener Grugaparks stattfand, zeigten sich mehrere Redner besorgt um den gesellschaftlichen Zusammenhalt angesichts der Energiekrise. „Wir müssen als Gesellschaft zusammenbleiben“, sagte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Ihm bereite es große Sorgen, dass bestimmte Akteure das Ziel verfolgten, „die Gesellschaft zu spalten“. Es handle sich um ähnliche Gruppen, die in der Vergangenheit Stimmung gegen den Euro, Flüchtlinge oder Corona-Regeln gemacht hätten. Diese Akteure machten sich jetzt auf den Weg, „das Thema Energiepreise politisch für sich zu nutzen“.

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Kufen sprach von „einer großen Unsicherheit, einer großen Unruhe in der Bevölkerung“. Deshalb sei es wichtig, sich auf das vorzubereiten, „was unter Umständen in dieser Heizperiode“ oder im darauffolgenden Winter anstehe. Das Thema habe „zunehmend auch eine sozialpolitische Dimension“, betonte Kufen. Peter Rosin, der mit seiner Kanzlei Rosin Büdenbender den Energierechtstag organisiert hat, pflichtete Kufen bei. Mit Blick auf mögliche Proteste im Herbst sagte er: „Das ist die Sorge, die wir alle haben.“

Bundesnetzagentur: „Es wird sehr teuer“

Barbie Kornelia Haller, die Vize-Präsidentin der Bundesnetzagentur, zeigte sich sicher, dass eine Welle von Preiserhöhungen auf die Menschen zurollt. „Es wird sehr teuer“, sagte sie in Essen. „Die Gaspreissteigerungen werden sich in den nächsten Wochen und Monaten massiv bei den Bürgern zeigen.“ Das werde sich auch auf die politische Diskussion auswirken. „Die Nervosität der Politik wird sehr stark ansteigen“, sagte Haller voraus. Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei der Gasversorgung zur „Notfallstufe“ komme, sei „relativ groß“.

Hinzu kämen weitere schwierige Entscheidungen, erklärte Haller. So sollen beispielsweise Bahntransporte mit Brennstoffen für die Kraftwerksversorgung Vorrang vor der Personenbeförderung bekommen. „Wir werden eine Diskussion darüber haben, wie wir eigentlich Kohle durch Deutschland transportieren können – und wie der Personenverkehr damit eingeschränkt werden muss“, so Haller. „Das wird keine einfache Diskussion werden.“

Eon-Chef Birnbaum: „Wir stehen noch voll im Feuer“

Der Vorstandschef des größten deutschen Energiekonzerns Eon, Leonhard Birnbaum, betonte, auch sein Unternehmen leide unter den hohen Strom- und Gaspreisen – anders als Unternehmen, die Energie erzeugen beziehungsweise Gas oder Öl fördern. Anders als beispielsweise RWE betreibt Eon keine Kraftwerke. Stattdessen prägt das Vertriebsgeschäft mit dem direkten Kontakt zu den Kundinnen und Kunden den Essener Konzern. Während der Gashändler Uniper mit staatlicher Hilfe gerettet worden sei, hätten Eon und die ähnlich aufgestellten Stadtwerke eine andere Lage. „Wir stehen noch voll im Feuer“, sagte Birnbaum. Sein Unternehmen müsse auch „die Gasumlage einsammeln“.

Der Eon-Chef warnte davor, alle Unternehmen der Energiebranche „über einen Kamm zu scheren“. „Es ist tatsächlich so, dass wir Stress haben“, sagte Birnbaum. Im Vertriebsgeschäft habe Eon „einen höheren Kapitalbedarf, viel mehr Risiken und geringere Margen“. Mit Blick auf die Energiepreise erwarte er keine Entspannung. „Ich rechne nicht damit, dass wir zu den niedrigen Preisen von vor der Krise zurückkehren“, so Birnbaum. Die Preise würden sich voraussichtlich auf einem höheren Niveau einpendeln.