Essen. Zum Startpreis von 49 Euro einen Monat lang bundesweit Bus- und Bahn nutzen: Das Deutschlandticket klingt verlockend. Ist es das tatsächlich?

Kunden im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) konnten bis dato unter 14 verschiedenen Formen von Monatstickets wählen. Mit dem am 1. Mai startenden Deutschlandticket kommt Ticket Nr. 15 hinzu. Lohnt sich der Umstieg, wenn man schon Dauerkunde mit Bus- und Bahnticket ist?

„Wenn man auf Personen- und Fahrradmitnahme verzichten kann, lohnt sich das Deutschlandticket für jeden Abokunden“, meint Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbands ProBahn NRW. Das zeigt schon der Blick in die aktuelle Preistabelle des VRR.

Deutschlandticket: Viele „Ticket1000“-Nutzerinnen und Nutzer dürften umsteigen

Das günstigste Monatsticket im VRR in der ultimativen Sparversion ist das „Ticket1000 9 Uhr Abo“ für 49,50 Euro im Monat in der alleruntersten Preisstufe A1 innerhalb kleiner Städte oder Gemeinden, mit Bus- und Bahnnutzung erst nach 9 Uhr Wochentags, ohne kostenlose Fahrradmitnahme und nicht auf andere Personen übertragbar. Für 50 Cent weniger kann man beim Deutschlandticket ohne diese zeitliche Einschränkung fahren, aber bundesweit.

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Verkehrsunternehmen wie die Rheinbahn in Düsseldorf erwarten deshalb, dass viele „Ticket1000“-Nutzerinnen und Nutzer aufs Deutschlandticket umsteigen werden. Womöglich auch solche, die es bisher gewohnt sind, ihre Monatskarte monatlich am Automaten zu kaufen, ohne ein Abo.

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Kann man auf Fahrrad- und Personenmitnahme verzichten?

Beim mit mehr Funktionen ausgestatteten „Ticket2000“ kommt’s drauf an, ob sich der Umstieg rechnet: Der Preis in der kleinsten Tarifzone A1 startet bei 56,53 Euro als Abo und mit Nutzung erst nach der morgendlichen Rush-Hour. Für 218,70 Euro im Monat kann man mit Ticket2000 jederzeit im ganzen VRR fahren (Preisstufe D). Bis fünf Personen, darunter zwei über 14 Jahre, kann man mit einem Ticket2000 nach 19 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen in Bus und Bahn kostenlos mitnehmen, außerdem ein Fahrrad.

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Eine dreiköpfige Familie mit einem Kind im Schulalter, die viel Bus und Bahn fährt, auch gern für größere Ausflüge aber zumeist ohne eigenes Fahrrad, würde der Umstieg aufs Deutschlandticket 147 Euro im Monat kosten, weil alle drei ein eigenes Ticket für 49 Euro - so jedenfalls der aktuelle Startpreis - benötigen. Das ist auch noch günstiger, als die zweithöchste Preisstufe C, für die laut VRR „mittleren Reiseweiten“ im Verbundraum, die als Ticket 2000 ohne Abo und Nach-9-Uhr-Vorgabe 174,80 Euro kostet.

1. Klasse und Fahrradmitnahme machen das Deutschlandticket deutlich teurer

Bei Älteren mit „Bärenticket“ kann die Rechnung gegen das Deutschlandticket sprechen: 97,10 Euro kostet das Bärenticket, das VRR-weit gilt - in der 1. Klasse, mit kostenloser Fahrradmitnahme und kostenloser Mitnahme von bis zu zwei Erwachsenen und drei Kindern bis 15 Jahre. Fahrradmitnahme und 1.-Klasse-Nutzung kann man im VRR zusätzlich im Abo kaufen. Dann kostet das dem „Bärenticket“-ähnliche Deutschlandticket im Monat 124 Euro, weil neben den 49 Euro zusätzlich 46 Euro für die 1. Klasse und 29 Euro fürs Rad zu zahlen. Einschränkung: Die Zusatztickets gelten nur innerhalb des VRR.

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Ab 1. Juli ist die 1.-Klasse-Nutzung NRW-weit geplant, für 69 Euro pro Monat im Abo. Die Fahrradmitnahme in NRW kostet dann 39 Euro pro Monat. Ein derart aufgewertetes Deutschlandticket würde dann also als 1.-Klasse-Version 118 Euro kosten; das Deutschlandticket mit Fahrrad-‘upgrade’ kommt auf 88 Euro.

Semester-Ticket, Schüler-Tickets und Sozial-Tickets sind bis dato alle günstiger als die 49 Euro für das Deutschlandticket, sagt ein Sprecher der Duisburger Verkehrsbetriebe DVG. Für das Semesterticket gibt es ein ‘upgrade’ für 12.33 Euro im Monat, das Studierende laut VRR „monatlich flexibel zubuchen können.“ Schüler-Tickets sollen ab dem neuen Schuljahr nicht teuer als das Deutschlandticket sein, sagt der VRR. Dazu laufen noch die Absprachen. Ab Herbst soll eine „Deutschlandticket-Lösung für alle Sozial-Ticket-Kunden und -innen“ in NRW kommen, kündigt der VRR an.

ProBahn NRW zum Deutschlandticket: Abo ohne Fallstricke

Beim Firmenticket kommt es darauf an, dass der jeweilige Arbeitgeber einen Vertrag mit einem Verkehrsunternehmen abschließt, um das Ticket vergünstigt an Mitarbeiter abgeben zu können. Im bestmöglichen Fall sinkt der Preis für das „Deutschlandticket Job“ auf monatlich 34,30 Euro.

„Manche Kunden schreckt womöglich das Abo-Modell ab“, meint ein Sprecher des Verkehrsunternehmens Vestische Straßenbahnen in Herten. Doch es droht keine Abo-“Falle“, sagt Lothar Ebbers vom Verband ProBahn NRW. Bis zum 10. eines Monats ist das Deutschlandticket kündbar ohne Nennung von Gründen und ohne Extra-Kosten. Das ist ab Mai im VRR sogar ausgeweitet worden auf alle bisher bestehenden Abo-Tickets.

Im Jahr 2024 könnten manche Bahn-Kundinnen und -Kunden erneut ans Rechnen kommen. Denn das Deutschlandticket „wird 2024 mit Sicherheit teurer“, glaubt Bus- und Bahn-Experte Lothar Ebbers: „Diesen Herbst wird klar, wie sich der Preis entwickelt.“ Zur Erinnerung: Für 2023 hatte der VRR die Preise um durchschnittlich 3,9 Prozent erhöht.

>> Info: Tausende Abo-Kunden steigen aufs Deutschlandticket um

Gut 90.000 Neukunden zählt der VRR zehn Tage vor dem Start des Deutschlandtickets. Zudem haben sich etwa 95 Prozent der VRR-Kunden, die schon Bus- und Bahn nutzen, entschieden zum 1. Mai aufs Deutschlandticket umzusteigen. Beim Nahverkehrsunternehmen Rheinbahn in Düsseldorf haben inzwischen rund 98.000 Bestandskundinnen und –kunden auf das Deutschlandticket umgestellt, sagt eine Sprecherin. Gut 15.000 Deutschlandtickets wurden neu verkauft. Beim Unternehmen Vestische Straßenbahnen im Kreis Recklinghausen zählt man bisher insgesamt 17.000 Deutschland-Tickets. Die Ruhrbahn in Essen zählte jüngst knapp 7000 Neu-Kunden. Bei ihren Bestandskunden hätten nur fünf Prozent einer automatischen Umstellung auf das Deutschlandticket widersprochen, berichtete eine Sprecherin auf Nachfrage. Bei der DVG in Duisburg ziehen zehn Prozent der Kunden mit Dauerkarte ihr bisheriges Ticket dem Deutschlandticket vor, sagte ein Sprecher.