Düsseldorf. Das Land führt eigene Zusatzleistungen ein, zum Beispiel für die Fahrradmitnahme und für die 1. Klasse. Ein Sozialtarif fehlt noch.

Die Verkehrsverbünde in NRW rechnen mit einer großen Nachfrage nach dem 49-Euro-Ticket, das ab dem 3. April verkauft wird und ab Mai gelten soll. Der Nachteil: Nahverkehrs-Fahrgäste müssen sich wohl in den kommenden Monaten auf vollere Bahnen und Busse einstellen.

Wie groß ist die Nachfrage?

„Wir erwarten mit der Einführung des neuen Deutschlandtickets bundesweit fünf bis sechs Millionen Neukunden“, sagte Stefanie Haaks, Chefin der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) und Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), am Mittwoch in Düsseldorf. Das werden absehbar auch das Ruhrgebiet und die großen Städte am Rhein spüren. Laut dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) dürften etwa 95 Prozent der rund 600.000 Bestandskunden aufs 49-Euro-Ticket umschwenken. „Darüber hinaus rechnen wir in einem ersten Schritt mit etwa 100.000 Neukunden“, erklärte VRR-Vorstand José Luis Castrillo.

Kann der Nahverkehr so viele zusätzliche Kunden zufriedenstellen?

Die Verantwortlichen bezweifeln dies. Zwar lägen die Fahrgastzahlen derzeit nur bei etwa 80 Prozent des „Vor-Corona-Niveaus“, so die VDV-Expertin Haaks. Da sei also noch viel Luft nach oben. „Ohne Kapazitätsausbau kann dieses Ticket-Angebot aber nicht funktionieren“, warnte sie. Nur wenn in den kommenden Jahren viel mehr Geld in den Öffentlichen Nahverkehr gesteckt werden sollte, „können wir die vielen Fahrgäste am Ende auch befördern“, sagte der Chef des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS), Michael Vogel.

Was ist das für ein Fahrschein?

Vorbild ist das im vergangenen Sommer so erfolgreiche Neun-Euro-Ticket. Das neue „Deutschlandticket“ kostet 49 Euro im Monat, ist monatlich kündbar und digital auf dem Smartphone oder als Chipkarte nutzbar. Abonnenten dürfen überall den Öffentlichen Nahverkehr (Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen, Nahverkehrs- und Regionalzüge in der 2. Klasse) nutzen. Verkaufsstart ist am 3. April. Kinder unter sechs Jahren können bundesweit kostenlos mitgenommen werden. Ebenfalls gratis ist die Mitnahme von Hunden, allerdings vorerst nur in NRW.

Die Verkehrsunternehmen registrieren eine große Nachfrage, wissen aber auch, dass das Ticket nicht überall gleich attraktiv sein dürfte. In ländlichen Regionen sei die Anbindung an den Nahverkehr oft nicht so gut wie in der Stadt. „Da, wo nichts hält, hilft auch ein günstiger Preis nicht“, sagte José Luis Castrillo, Vorstand des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR).

Bleibt das Ticket so billig?

Zumindest vorerst. „Es gibt im Moment keine Pläne, die Preise zu erhöhen“, sagte Verkehrsminister Krischer. Noch vor dem Verkaufsstart eine Diskussion über teurere Tickets zu beginnen, verbiete sich. Krischer sagte aber auch, er sei kein „Prophet“. Inflation und Finanzierungsdruck könnten irgendwann auch auf diesen Preis durchschlagen.

Gibt es das Deutschlandticket auch für die 1. Klasse?

Ja, zum 1. Juli werden landesweit nur in NRW gültige Zusatztickets für die 1. Klasse eingeführt. Dieses Angebot kostet 69 Euro im Monat.

Darf man Fahrräder mitnehmen?

Ja, wenn man ein Fahrrad-Zusatzticket für 39 Euro im Monat bucht. Auch dieses Ticket wird zum 1. Juli eingeführt und gilt nur in NRW. Es gibt allerdings keine Garantie, dass Fahrräder tatsächlich mitgenommen werden. Besitzer des Deutschlandtickets hätten ja auch keine Sitzplatz-Garantie, erklärte Stefanie Haaks vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Es handele sich bei den Fahrrädern um ein „offenes System“, in dem auf eine komplizierte Vorab-Reservierung verzichtet werde. Nachteil: Ist der Zug voll, bleibt das Rad draußen.

Gibt es auch ein „Sozialticket“?

Noch nicht. NRW prüft die Einführung eines Sozialtarifs für Menschen, die auf Sozialleistungen wie das Bürgergeld angewiesen sind. Dieser Fahrschein soll „in wenigen Monaten“ eingeführt werden, billiger sein als das Deutschlandticket und NRW-weit gelten. „Jeder unserer Sozialticket-Kunden soll in Zukunft ein Deutschlandticket bekommen“, sagte VRR-Vorstand Castrillo. Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW forderte das Land auf, das Sozialticket zügig einzuführen. In Hessen werde es ab August für Menschen mit niedrigen Einkommen ein Ticket für 31 Euro geben. Ein Prüfauftrag reiche nicht, kritisierte auch die SPD im Landtag.

Ist ein Jobticket geplant?

Bund und Länder haben sich darauf geeinigt. Laut Minister Krischer stößt diese Idee in vielen Firmen auf ein „sehr positives Echo“. Arbeitgeber können ihren Beschäftigten ein Jobticket anbieten. Wenn sie mindestens 25 Prozent der Kosten des Jobtickets übernehmen, geben Bund und Länder nochmals einen Abschlag von fünf Prozent dazu. Dadurch können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 30 Prozent der Kosten des 49-Euro-Tickets sparen. Die Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Anja Weber, forderte die Arbeitgeber auf, viele Jobtickets zur Verfügung zu stellen. Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes sollte das Deutschlandticket als Jobticket mit Rabatt „selbstverständlich“ angeboten werden.

Profitieren auch Schülerinnen und Schüler?

Noch nicht. Einige Finanzierungsfragen sind hier noch zu klären, und die Kommunen haben in diesen Verhandlungen ein Wörtchen mitzureden. VRR-Vorstand Castrillo sprach gestern aber von einer „klaren Vision“: Alle Schülerinnen und Schüler in NRW sollten bald ein günstiges und landesweit gültiges Ticket-Angebot für den Nah- und Regionalverkehr bekommen.

Was ist mit den Studierenden?

Zum Start des Deutschlandticket am 1. Mai erhalten Studierende in NRW die Möglichkeit zu einem „Upgrade“, also zu einer Aufwertung des Semestertickets. Auf diese Weise müssten sie nicht doppelt zahlen, so die Landesregierung. Es handele sich um eine Übergangslösung. Ein bundesweites „Solidarmodell“ für Studierende werde gerade vorbereitet. Die SPD im Landtag moniert: „Es fehlt die konkrete Versicherung, dass Studierende nicht draufzahlen, um das Upgrade vom Semester- zum Deutschlandticket zu bekommen.“