Bochum. Vonovia halbiert die Dividende und muss den Gebäudebestand abwerten. Zugleich muss der Bochumer Konzern seinen Korruptionsskandal aufarbeiten.
Auch intensive Beobachter können sich kaum noch daran erinnern, dass Vonovia negative Botschaften verkünden musste. Das hat sich geändert. Der Bochumer Dax-Konzern hat nicht nur sein Investitionsprogramm eingedampft. Nun will das Unternehmen seinen Aktionärinnen und Aktionären die Dividende halbieren. Obendrein muss Deutschlands größter Vermieter den Wert seines Gebäudebestands nach unten korrigieren und einen Korruptionsskandal aufklären. Dabei lief das vergangene Geschäftsjahr wirtschaftlich gar nicht so schlecht.
Buch: „Über der Immobilien-Branche ist ein Sturm aufgezogen“
Wenn Rolf Buch mit Journalisten spricht, ist eigentlich immer eine kernige Botschaft zu erwarten. Bei der Vorlage der Bilanz für 2022 wählt der Vonovia-Chef an diesem Freitag aber eher die leisen Töne. „Unsere Welt hat sich fundamental verändert“, sagt er im Hinblick auf den Ukrainekrieg und fügt theatralisch hinzu: „Über der Immobilien-Branche ist ein Sturm aufgezogen.“ Höhere Zinsen, galoppierende Baukosten und eine stark gestiegene Inflation veranlassten den Wohnungsriesen, „Prioritäten neu zu setzen“ und „Kostendisziplin“ walten zu lassen.
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Bereits im Januar hatte Vorstandsmitglied Daniel Riedl im Interview mit unserer Redaktion erstmals angekündigt, dass Vonovia im laufenden Jahr keine neuen Neubau-Projekte starten werde. Nun nennt der Konzern konkrete Zahlen: In den Neubau und die Nachverdichtung von Siedlungen sollen in diesem Jahr nur noch 350 Millionen Euro und in die Modernisierung von Wohnungen 500 Millionen Euro fließen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr machten beide Posten zusammengezählt knapp 1,5 Milliarden Euro aus. Immerhin: „Vonovia wird 2023 rund 3450 Wohnungen fertigstellen, von knapp 10.000 Wohnungen, die sich aktuell im Bau befinden“, sagt Buch.
Vonovia halbiert die Dividende
Obwohl der Dax-Konzern seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 20 Prozent auf rund 6,26 Milliarden Euro und das operative Ergebnis (FFO) in gleicher Größenordnung auf knapp über zwei Milliarden Euro steigern konnte, will der Vorstand bei der Dividende kräftig auf die Bremse treten. Der Vorschlag von 85 Cent je Aktie bedeutet eine Halbierung der Ausschüttung, die für das Jahr 2021 noch bei 1,66 Euro gelegen hatte.
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Denn die rasanten Steigerungen bei Umsatz und Gewinn sind zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass Vonovia 2022 erstmals vollständig das Geschäft des übernommenen Berliner Rivalen Deutsche Wohnen in der Bilanz abbildet. In den guten Zahlen machen sich aber auch die abermals gestiegenen Mieten bemerkbar. Eine Vonovia-Wohnung in Deutschland kostete Ende 2022 kalt im Schnitt 7,40 Euro pro Quadratmeter. Das waren 2,9 Prozent mehr als im Vorjahresvergleich. Die Leerstandsquote sank auf 2,0 Prozent.
Gewinnrückgang für 2023 erwartet
In Folge der steigenden Zinsen und sinkenden Preise müssen die Konzerne nach Jahren exorbitanter Zuwächse die Werte ihrer Bestandsimmobilien nach unten korrigieren. Nach Angaben von Finanzchef Philip Grosse standen die Vonovia-Gebäude Ende 2022 mit 94,7 Milliarden Euro in den Büchern – nach 95,4 Milliarden Euro 2021. Der Verkehrswert, aus dem die Schulden des Unternehmens herausgerechnet sind, sank von 48,64 auf 45,77 Milliarden Euro.
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Weil Buch nicht zuletzt auch wegen des Zuzugs von Flüchtlingen und dringend benötigter Arbeitskräfte aus dem Ausland mit einer weiter steigenden Wohnungsnachfrage rechnet, erwartet er für das laufende Jahr einen Anstieg des Umsatzes auf 6,4 bis 7,2 Milliarden Euro. Beim operativen Gewinn (FFO) sieht er indes einen Rückgang auf 1,75 bis 1,95 Milliarden Euro voraus.
Korruptionsskandal erschüttert Vonovia
Der Geschäftsverlauf wird sicherlich auch von der Aufklärung des Korruptionsskandals abhängen, den Vonovia seit der vergangenen Woche durchschüttelt. Nach einer Razzia unter anderem in der Bochumer Zentrale hatte es vier Haftbefehle gegen aktive und ehemalige Vonovia-Beschäftige gegeben. Gegen sie wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung, der Untreue und des Betruges ermittelt.
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Konzernchef Buch zeigt sich von den Vorwürfen „erschüttert“. Der wirtschaftliche Schaden für sein Unternehmen sei aber gering. „Nach aktuellem Kenntnisstand unserer Fachabteilungen sind für das Jahr 2022 weniger als ein Prozent des von Vonovia vergebenen Auftragsvolumens“, sagte er am Freitag. Die Größenordnung sei in den Vorjahren ähnlich gewesen. „Die tatsächlichen Auswirkungen betragen voraussichtlich nur einen Bruchteil davon“, so der Vonovia-Chef.
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Die Hintergründe soll parallel zu behördlichen Ermittlungen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte aufklären. Mit Ergebnissen rechnet Buch aber erst in einigen Monaten. „Zunächst ist das Unternehmen die Geschädigte, wir wissen aber noch nicht, ob es auch zu ungerechtfertigten Kostenweitergaben an Mieter gekommen ist.“, meint der Vonovia-Chef. „Sollte das der Fall sein, werden wir die Betroffenen selbstverständlich voll entschädigen.“