Bochum. Pflanzenkohle als „Wundermittel“ im Garten: Davon ist das Start-up „Keep it grün“ überzeugt. Wie das Unternehmen die Gartenarbeit verändern will.
Sowohl Dürren als auch Starkregen treten in Deutschland immer häufiger auf. Hobbygärtnerinnen und -gärtner stellt das wegen Trockenheit und Nässe vor Herausforderungen im eigenen Garten. Abhilfe kann Pflanzenkohle schaffen. Als Aufwerter für den Boden speichert sie wichtige Stoffe. Das Bochumer Start-up „Keep it grün“ hat sich zum Ziel gesetzt, Pflanzenkohle, auch Biokohle genannt, für jedermann zugänglicher zu machen.
Dafür entwickeln die beiden 29-jährigen Unternehmensgründer Nils Nettersheim und Franz Lagier derzeit ein Gerät, mit dem die Kohle einfach und sauber von zu Hause aus hergestellt werden kann. Dazu eignet sich Pflanzenmaterial aus dem eigenen Garten wie Schnittreste, Gräser oder Holz. Nach eigenen Angaben soll das Gerät Ende des Jahres auf dem Markt sein. Schon jetzt bieten die Unternehmensgründer Pflanzenkohle in ihrem Online-Shop an, die sie in Kooperation mit einem industriellen Partner aus Deutschland fertigen.
Bochumer Start-up: Pflanzenkohle als Aufwerter für den Garten
Aussehen werde ihre Erfindung wie ein stählerner Zylinder in der Größe eines Stehtisches, sagt Nettersheim. Für das Herstellen von Biokohle benötige das Gerät nicht einmal Strom. Zunächst werden Pflanzenreste in den oberen Teil des Zylinders gegeben. Damit diese verkohlen können, wird in der Brennkammer ein Feuer entzündet. In Form von Holzgas werde so die nötige Energie frei, erklärt der Gründer. Dadurch entstehe eine Temperatur von bis zu 600 Grad. Durch das Feuer werde CO2 zwar auch freigesetzt, jedoch speichere die Biomasse beim Prozess des Verkohlens einen größeren Teil davon ein. „Die Alternative wäre, dass die Schnittreste verrotten oder komplett verbrannt werden. Dadurch würde mehr CO2 freigegeben als durch das Feuer, das zum Verkohlen gebraucht wird.“
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Das Besondere an der entstandenen Kohle sei ihre immense Speicherkapazität. „Pflanzenkohle arbeitet wie ein Schwamm für den Boden. Denn sie nimmt Wasser und Nährstoffe auf“, so Nettersheim. Diese Stoffe sind jedoch nicht immer verfügbar, zum Beispiel wenn es sehr trocken ist oder wenn sie von Starkregen ausgewaschen werden. Wird Biokohle im Garten eingesetzt, könne sie dieses Problem eingrenzen. Dadurch würden Pflanzen besser wachsen, seien gesünder und würden größere Erträge bringen.
Darüber hinaus habe die pflanzliche Kohle den Nebeneffekt, Kohlenstoffdioxid für längere Zeit im Boden einzuspeichern, so der 29-Jährige. „Normalerweise verrottet Biomasse und setzt Kohlenstoffdioxid frei. Pflanzenkohle macht das aber nur sehr langsam und kann so einen Großteil CO2 speichern.“ Auf einen Kilogramm Kohle kämen etwa zweieinhalb bis drei Kilogramm Kohlenstoffdioxid.
Die beiden Jungunternehmer sind aus diesen Gründen überzeugt, dass Pflanzenkohle ein „Wundermittel im Garten“ sei. Christiane Wittmann, wissenschaftliche Leiterin des Botanischen Gartens der Universität Duisburg-Essen (UDE), sieht das differenzierter. Pflanzenkohle sein kein Allheilmittel. Sie könne örtlich zwar bei einem schlechten Boden helfen, „wenn man aber schon einen lehmigen und nährstoffreichen Boden hat, dann wird die Kohle ohne Effekt bleiben“, betont sie. Dem stimmen Nettersheim und Lagier auf Nachfrage zu. „Da wir uns aber an Hobbygärtnerinnen und -gärtner richten, haben wir hier häufig das Problem, dass sie nicht wissen, wie sie einen sehr guten Boden schaffen können“, sagt Nettersheim.
Expertin: „Pflanzenkohle ist nicht automatisch nachhaltig“
Wittmann betont, dass es auf Expertise ankommt, wenn Pflanzenkohle die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern soll. Dafür müssten Hobbygärtnerinnen und -gärtner geschult werden. Zum richtigen Umgang mit Pflanzenkohle gehören laut Expertin unter anderem der Einsatz von Dünger und das Messen des pH-Wertes im Boden.
Man müsse sich außerdem fragen, wo die Biomasse zur Herstellung von Pflanzenkohle herkommt, sagt die Expertin. Denn Pflanzenkohle sei nicht automatisch nachhaltig. „Wenn man Biomasse dafür importiert, macht es wenig Sinn. Das führt zu langen Transportwegen und hohen Emissionen.“ Pflanzenkohle mit Materialien aus dem eigenen Garten herzustellen, sei dagegen besser. „In unserem Shop bieten wir nur Pflanzenkohle an, die in Deutschland hergestellt wird. Dazu werden Reststoffe verwendet, die hier anfallen“, sagt Nettersheim. „Und mit unserem Gerät wollen wir die Verkohlung ohne Transportwege vor Ort im Garten ermöglichen.“
Die eigene Herstellung von Pflanzenkohle ist jedoch nicht so einfach. Unter Umständen könne sie mit Schadstoffen besetzt sein. Um das zu verhindern, arbeiten die beiden Gründer nicht nur an der Entwicklung ihres Geräts, sondern geben auf ihrer Internetseite und in ihrem Podcast regelmäßig Ratschläge rund um die pflanzliche Kohle und zur Bodenanalyse.
Pflanzenkohle: Erste Effekte im Garten schon im ersten Jahr
„Erste Effekte von Biokohle zeigen sich bereits im ersten Jahr, wenn sie mit Kompost oder anderem Dünger vermischt wird“, sagt Co-Gründer Franz Lagier. Wer Pflanzenkohle beim heimischen Gärtnern nutzen möchte, könne sie zum einen beim Umgraben des Gartens mit in die Erde geben. „Man kann die Kohle aber auch oberflächlich verteilen und zum Beispiel eine Mulchschicht drauf setzen. So vermischt sie sich langsam mit dem normalen Boden.“
Wie viel Kohle man im eigenen Garten braucht, lässt sich auf der Internetseite des Start-ups individuell ermitteln. Die beiden Gründer haben mit dem Pflanzenkohle-Rechner ein Hilfsmittel entwickelt, das unter Angabe der individuellen Gegebenheiten im Garten die passende Menge pro Quadratmeter errechnet.
Gründer verlegen Start-up von der Eifel ins Ruhrgebiet
Gegründet haben Nettersheim und Lagier „Keep it grün“ 2021. Begonnen hat die Geschichte des Start-ups schon ein paar Jahre früher, als Nils Nettersheim nach dem Abitur durch Australien und Neuseeland reiste. Bei der Arbeit auf verschiedenen Farmen lernte er Projekte zum Thema Permakultur kennen. „Eins von diesen Projekten war ein Gemüsegarten, in dem Pflanzenkohle in den Dünger gemischt wurde“, erzählt er. Zurück in Deutschland sei ihm das Konzept nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Gemeinsam mit Franz Lagier, der zu dieser Zeit Agrarwissenschaften studierte, habe er angefangen, die Biokohle selbst herzustellen.
Seinen Ursprung hat das Start-up im nordrhein-westfälischen Bad Münstereifel. Inzwischen hat es die beiden 29-Jährigen mit ihrem Unternehmen ins Ruhrgebiet verschlagen. In Bochum kooperieren sie bis Ende Februar mit dem Start-up Inkubator „Werk X“. Neben Räumlichkeiten und individueller Unterstützung von Mentoren werden die Gründer jeweils mit 1500 Euro im Monat unterstützt. Darüber hinaus erhalten sie ab März eine Förderung vom Gründerstipendium NRW in Höhe von je 1000 Euro monatlich. Ihren Unternehmenssitz wollen sie auch nach der Kooperation mit „Werk X“ langfristig nach Bochum verlegen. Auf Dauer planen Nettersheim und Lagier ihr Unternehmen so auszubauen, dass sie von ihrer Geschäftsidee leben können.
>>> Über das Start-up „Keep it grün“
- Auf ihrer Internetseite www.keep-it-gruen.de teilen Nettersheim und Lagier ihr Wissen über naturnahes Gärtnern in Ratgeberartikeln und in ihrem gleichnamigen Podcast.
- In ihrem Online-Shop vertreiben sie selbst hergestellte Pflanzenkohle. Dafür kooperieren sie mit einem industriellen Partner aus Deutschland. Für ihre Pflanzenkohle werden nach eigenen Angaben ausschließlich in Deutschland anfallende Reststoffe verwendet, wie etwa alte Kräuter oder Kakaoschalen. 100 Liter Pflanzenkohle aus Kakaoschalen kostet bei „Keep it grün“ 84,90 Euro.
- Pflanzenkohle kann nicht nur als Bodenaufwerter verwendet werden, sondern auch als Einstreu im Stall oder als Futterzusatz für Tiere.