Duisburg. Dem Stahlhersteller HKM droht laut IG Metall das Aus, womöglich auch ein „Sterben auf Raten“. Tausende Stellen in NRW seien dadurch bedroht.

Es geht um eines der größten Hüttenwerke Deutschlands: Zwei Hochöfen, eine Kokerei, ein Gaskraftwerk und jede Menge weitere Großanlagen gehören zu den Duisburger Hüttenwerken Krupp Mannesmann – kurz HKM. Mit Thyssenkrupp und Salzgitter sind die beiden wichtigsten deutschen Stahlkonzerne die tonangebenden Eigentümer des Traditionsunternehmens. Hinzu kommt der französische Konzern Vallourec, ein Hersteller von Stahlrohren. Jahr für Jahr produziert HKM tonnenweise Material, das in Betrieben an zahlreichen NRW-Standorten weiterverarbeitet wird.

„Die HKM ist für Thyssenkrupp Steel von großer Bedeutung“, erklärt Heiko Reese, der Stahlexperte der IG Metall. „Das Duisburger Werk beliefert maßgeblich Thyssenkrupp-Standorte in Bochum, Hagen-Hohenlimburg und im Siegerland.“ Auch Salzgitter-Unternehmen wie Europipe und Mannesmann Grobblech in Mülheim gehören zu den Abnehmern von HKM. Die Pipelines Nord Stream 1 und 2 sind mit Hilfe von Europipe gebaut worden. Stahlexperte Reese spricht von einer „langen Wertschöpfungskette“, die ihren Anfang auch bei HKM habe.

Doch die Kette könnte Risse bekommen. „Wir haben die Sorge, dass HKM ein Sterben auf Raten bevorsteht“, berichtet Reese im Gespräch mit unserer Redaktion. Bei HKM drohe der Aufbau einer klimaneutralen Stahlproduktion an der Finanzierung zu scheitern. Tausende Arbeitsplätze in NRW stehen damit nach Einschätzung der Gewerkschaft auf dem Spiel. „Ein Aus der HKM wäre ein fatales Signal“, sagt der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. Er warnt vor „dramatischen Auswirkungen auf den gesamten Industriestandort“, wenn es nicht gelinge, die Grundstoff-Industrie in Deutschland zu erhalten.

Folgen der Werksschließungen von Vallourec in Düsseldorf und Mülheim

Der Druck, der auf HKM lastet, ist groß. Denn Vallourec will seine HKM-Beteiligung aufgeben und sich aus Deutschland zurückziehen. Vallourec-Werke in Düsseldorf und Mülheim werden geschlossen. Damit sei bereits ein Wegfall von rund 2700 Arbeitsplätzen verbunden, erklärt Reese. Bei HKM wiederum arbeiten rund 3100 Beschäftigte. Die IG Metall geht davon aus, dass weitere rund 3000 Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp von den HKM-Jobs abhängen, zusätzlich dazu 5000 Stellen in Südwestfalen.

HKM hat die Rolle eines Zulieferbetriebs für Thyssenkrupp, Salzgitter und Vallourec. Laut Bundesanzeiger gibt es festgelegte Abnahme- und Lieferverpflichtungen, die vertraglich geregelt sind – mit langen Kündigungsfristen. Von Vallourec sei der Kooperations- und Liefervertrag zum 31. Dezember 2028 gekündigt worden, heißt es im Bundesanzeiger. „Mit dem beschlossenen Aus der Vallourec-Röhrenwerke in Düsseldorf und Mülheim brechen spätestens Ende 2023 wichtige Abnehmer von HKM weg“, so Reese.

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Thyssenkrupp hält derzeit 50 Prozent – und Salzgitter 30 Prozent der HKM-Anteile. „Eine entscheidende Frage ist, was aus dem 20-Prozent-Anteil von Vallourec wird“, sagt Reese. Dabei brauche HKM „eine solide Eigentümerstruktur“. Denn zur Sicherung des Standorts sind voraussichtlich milliardenschwere Investitionen für den Aufbau einer grünen Stahlproduktion erforderlich. HKM benötige ähnlich wie Thyssenkrupp eine sogenannte Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) als Hochofen-Nachfolgetechnologie. Wenn nichts passiere, sei dies „gleichbedeutend mit einem leisen Sterben von HKM“, urteilt Reese.

IG Metall bringt Landesbeteiligung ins Gespräch

Die IG Metall erhofft sich staatliche Hilfe – eine direkte Beteiligung an HKM etwa, Bürgschaften oder eine „intensive Förderung“ der anstehenden Investitionen. „Bei Salzgitter ist schließlich auch das Land Niedersachsen mit 25 Prozent dabei“, merkt Reese mit Blick auf die Landesbeteiligung beim HKM-Miteigentümer an. Zunächst aber sei „ein klares Bekenntnis“ der Eigentümer von HKM erforderlich.

„Wenn HKM in Duisburg eine Zukunft haben soll, müssen schnell Entscheidungen für Investitionen fallen“, sagt Reese. Einer der beiden Hochöfen von HKM könne voraussichtlich noch bis ins Jahr 2028 laufen, „vielleicht etwas länger, vielleicht auch etwas kürzer“. Der zweite Hochofen habe eine Perspektive bis etwa 2032. „Diese Anlagen müssen durch Direktreduktionsanlagen ersetzt werden“, so der Stahlexperte. Etwa vier Jahre seien von der Investitionsentscheidung bis zum Betriebsstart zu veranschlagen. „Wenn wir nicht im Jahr 2028 eine DRI-Anlage haben“, so Reese, „ist das Ende von HKM besiegelt“.