Duisburg/Essen. Die IG Metall sieht die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) in Gefahr. Im Hintergrund laufen Planspiele zur Zukunft. Auch die Politik mischt mit.
Angesichts einer ungewissen Zukunft des Duisburger Stahlherstellers Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) wirft die SPD-Landtagsfraktion der schwarz-grünen Landesregierung Versäumnisse vor. „Im konkreten Fall HKM war absehbar, dass der Betrieb Hilfen braucht“, sagt Sarah Philipp, die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. „Im Sommer wurde klar, dass sich der Anteilseigner Vallourec aus Deutschland zurückziehen will. Doch schon das Aus für die Vallourec-Standorte in Düsseldorf und Mülheim hat die Landesregierung stillschweigend akzeptiert.“
Auch interessant
Die traditionsreichen Hüttenwerke Krupp Mannesmann gehören den deutschen Stahlkonzernen Thyssenkrupp Steel (50 Prozent) und Salzgitter (30 Prozent) sowie dem französischen Rohrhersteller Vallourec, der 20 Prozent hält. Seit Jahren fungiert HKM als Zulieferbetrieb für die Konzerne. Vallourec will allerdings seine HKM-Beteiligung aufgeben und sich aus Deutschland zurückziehen. Werke von Vallourec in Düsseldorf und Mülheim werden geschlossen. Mit dem Rückzug von Vallourec aus Düsseldorf und Mülheim ist nach Angaben der IG Metall bereits der Wegfall von rund 2700 Arbeitsplätzen verbunden.
Auch interessant
Zu HKM gehören rund 3100 Mitarbeitende. Zwei Hochöfen und eine Kokerei sind Teil des Betriebs in Duisburg. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass von etwa 3100 HKM-Jobs weitere rund 3000 Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp abhängen, hinzu kämen 5000 Stellen im Siegerland und in Südwestfalen.
„Die weiteren Anteilseigener von HKM sind nun in der Pflicht“, sagt die Duisburger Abgeordnete Philipp an die Adresse von Thyssenkrupp und Salzgitter gerichtet. Auch die NRW-Landesregierung sei gefordert: „Sie muss HKM stützen und Arbeitsplätze mit Hilfen zukunftsfähig machen.“
Die IG Metall sieht HKM existenziell in Gefahr, da der Aufbau einer klimaneutralen Stahlproduktion an der Finanzierung zu scheitern drohe. „Das wäre das Ende des zweitgrößten Hüttenwerks Deutschlands“, so die Gewerkschaft.
Das von Mona Neubaur (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium erklärt am Donnerstagabend auf Anfrage, es stehe für Gespräche mit den HKM-Eignern „selbstverständlich gerne zur Verfügung, um gemeinsam in Frage kommende Optionen zur Unterstützung des Unternehmens zu diskutieren“. Entscheidend für HKM und die Beschäftigten sei aber „die Entwicklung einer langfristigen Perspektive durch die Eigentümer“.
Thyssenkrupp Steel dringt auf „Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit“
Die Lage werde derzeit analysiert, wird auf Anfrage bei Thyssenkrupp Steel betont. Dazu seien auch Salzgitter und die HKM-Geschäftsführung „in der Pflicht“ – bedingt durch den angekündigten Ausstieg von Vallourec. „Darauf aufbauend sind Optionen für HKM zu entwickeln“, so Thyssenkrupp Steel. „Diese müssen auch die Anforderungen einer Dekarbonisierung berücksichtigen.“ Die Voraussetzung für „alle Optionen“ seien „Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit“.
Auch interessant
Im Auftrag des Aufsichtsrates werde seit Monaten an einem Konzept für den klimaneutralen Umbau gearbeitet, wird der HKM-Geschäftsführer Gerhard Erdmann vom WDR zitiert. Wenn das Konzept stehe, gehe er davon aus, dass auch die finanziellen Mittel dafür bereitgestellt werden. „Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln.“
Dem Vernehmen nach werden für HKM verschiedene Optionen geprüft. Eine Möglichkeit sei der Bau einer sogenannten Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) als Hochofen-Nachfolgetechnologie. Ein vergleichbares Projekt mit rund zwei Milliarden Euro Kosten strebt Thyssenkrupp Steel bereits am eigenen Standort in Duisburg an. Denkbar sei allerdings auch eine kleinere Lösung, heißt es. Dabei würde auf die Roheisen-Produktion verzichtet. Stattdessen könnte ein sogenannter Elektrolichtbogenofen gebaut werden, in dem Stahlschrott mit erneuerbarer Energie eingeschmolzen wird.
„Tausende Mitarbeiter bangen um ihre Jobs“
Die SPD-Abgeordnete Philipp fordert von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) mehr Einsatz für die Beschäftigten. „Tausende Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. Das muss die Stunde aktiver Industriepolitik der Landesregierung sein. Doch seit Monaten tun Ministerpräsident Wüst und Wirtschaftsministerin Neubaur zu wenig für einen der zentralen Industriezweige des Landes. Dabei geht es um etwa 45.000 Beschäftigte in den Stahlbetrieben.“ SPD-Fraktionsvize Alexander Vogt bringt einen erneuten „Stahlgipfel“ ins Gespräch – mit Beteiligung der betroffenen Bundesländer.
Die Linkspartei in NRW spricht sich für einen Staatseinstieg bei HKM aus, wie Christian Leye, der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke erklärt. „Richtig wäre es, die Lücke, die Vallourec hinterlässt, durch eine Staatsbeteiligung zu schließen, wie es auch die IG Metall vorschlägt“, sagt er. „Doch HKM ist kein Einzelfall. Die nötigen Summen, die für die sozial-ökologische Transformation benötigt werden, können selten von den Industrieunternehmen allein getragen werden.“ Unternehmen wie HKM sollten „in eine öffentliche Industriestiftung“ integriert werden, „die den ökologischen Umbau garantiert, Arbeitsplätze erhält und demokratische Mitgestaltung fördert“, sagt Leye.