Duisburg/Essen. Bei Thyssenkrupp steigen Betriebsrenten wegen der Inflation stärker als die Löhne. Welche Betriebsrentner davon profitieren – und welche nicht.
Bei Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel steigen die Betriebsrenten zum Teil kräftig. Wie aus einem Schreiben des Unternehmens hervorgeht, wird die Auszahlung für die betriebliche Altersvorsorge entsprechend der Verbraucherpreis-Entwicklung um 14,25 Prozent angehoben. Der Konzern habe im Jahr 2022 eine „Anpassungsprüfung“ vorgenommen und sich für eine Rentenerhöhung entschieden.
Davon profitieren zunächst rund 15.000 Rentnerinnen und Rentner, wie das Unternehmen auf Anfrage erklärte. Zehntausende weitere frühere Thyssenkrupp-Beschäftigte könnten noch hinzukommen. Die übrigen Betriebsrenten würden „jeweils in den Folgejahren geprüft und angepasst“, erklärte Thyssenkrupp Steel. Zehntausende ehemalige Mitarbeitende des Stahlkonzerns mit Vorgängergesellschaften wie Krupp, Thyssen und Hoesch erhalten vom Unternehmen eine betriebliche Altersversorgung.
In einem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, wird einem Betriebsrentner, der bei Thyssen in Duisburg gearbeitet hat, eine Erhöhung von knapp 150 auf rund 170 Euro brutto monatlich zugesagt – auf das Jahr gerechnet also künftig 2040 Euro. Neben der gesetzlichen Rente ist die betriebliche Altersversorgung für viele Menschen ein wichtiger Baustein zur finanziellen Absicherung nach dem Ausscheiden aus dem Beruf.
Inflation wirkt sich auf Höhe der Betriebsrenten aus
Das Unternehmen sei gesetzlich verpflichtet, die Höhe der vom Arbeitgeber finanzierten Betriebsrenten alle drei Jahre zu überprüfen, erklärt die zuständige Konzernabteilung Thyssenkrupp Steel Business Services in dem Schreiben an den früheren Beschäftigten. Die „wirtschaftliche Lage des Unternehmens“ habe eine Anpassung möglich gemacht. Konzerne aus der Montanindustrie haben aufgrund ihrer langen Historie hohe Pensionsverpflichtungen. Bei Thyssenkrupp geht es um milliardenschwere Summen, die eine Belastung für die Konzernbilanz darstellen.
Die Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland konnten in den vergangenen Monaten in aller Regel mit der Inflation nicht mehr mithalten. Im Januar 2023 lag die Inflationsrate in Deutschland nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts bei 8,7 Prozent.
In der Stahlindustrie gab es Mitte vergangenen Jahres einen Tarifabschluss, der 6,5 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten ab August vorsah. Für die Monate Juni und Juli wurde eine einmalige Zahlung von 500 Euro vereinbart. Über alle Branchen hinweg sind die Reallöhne im vergangenen Jahr Statistikern zufolge im Schnitt um rund vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Die Veränderung des Reallohns wird berechnet, indem vom durchschnittlichen Zuwachs des nominalen Bruttolohns der Anstieg der Verbraucherpreise abgezogen wird.
Inflationsschutz bei rund 70 Prozent der Betriebsrenten
Die Gewerkschaft IG Metall betont, durch die Überprüfung der Betriebsrenten im Drei-Jahres-Rhythmus soll dem Wertverlust der Altersversorgung durch Inflation vorgebeugt werden. Bei vielen Verträgen bestehe für Arbeitgeber die Pflicht, die Renten „entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex für Deutschland oder der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen“ anzupassen, hebt das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) hervor.
„Der Arbeitgeber kann sich dieser Anpassung praktisch nur bei schlechter wirtschaftlicher Lage entziehen“, betonen die Experten des IVS. „Die Hürden für den Nachweis liegen dabei relativ hoch.“ Geschätzt rund 70 Prozent der laufenden Betriebsrenten seien damit inflationsgeschützt. Bei Betriebsrenten-Zusagen, die nach 1998 erteilt worden seien, bestehe für Unternehmen allerdings die Möglichkeit, statt der inflationsorientierten Anpassung eine garantierte jährliche Erhöhung um ein Prozent festzuschreiben.
Von Dezember 2019 bis Ende 2022 sei der Verbraucherpreisindex, der für die Höhe der Betriebsrenten entscheidend sei, um rund 14 Prozent gestiegen, berichtet das IVS. Eine allgemeingültige Aussage zu einer bundesweiten Anhebung der Betriebsrenten sei aber nicht möglich, da die Unternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Anpassungen vornehmen. Selbst innerhalb eines Betriebs könne es unterschiedliche Fristen geben, wie auch das Beispiel Thyssenkrupp Steel zeigt.
Dividende „aus der Substanz gezahlt“
Auch die Aktionärinnen und Aktionäre von Deutschlands größtem Stahlkonzern sind in diesem Jahr wieder bedacht worden – erstmals nach drei Nullrunden. Für das zurückliegende Geschäftsjahr 2021/22 hatten sich Vorstand und Aufsichtsrat für eine Dividende in Höhe von 15 Cent je Aktie ausgesprochen. Damit sollten den Anlegern insgesamt knapp 93,38 Millionen Euro zukommen. Zur Begründung verwies das Management auf eine „deutlich gestärkte Bilanz“ und eine „verbesserte Leistungsfähigkeit“ des Unternehmens.
Unter Aktionären war die Zahlung allerdings durchaus umstritten. Mit der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka lehnte ein Investor die Dividende ab. „Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr nicht die Barmittel erwirtschaftet, um einen Gewinn ausschütten zu können“, sagte Deka-Experte Ingo Speich. Die Dividende werde „aus der Substanz gezahlt“, kritisierte Speich. Beim Aufbau von Werken für die Herstellung von klimafreundlichem Stahl in Duisburg hofft Thyssenkrupp Steel zudem auf milliardenschwere staatliche Unterstützung.