Essen. Jahresbilanz von Thyssenkrupp: Trotz der Energiekrise und Unsicherheiten durch den Ukraine-Krieg will der Konzern wieder eine Dividende zahlen.

Nach drei Nullrunden will der Essener Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssenkrupp wieder eine Dividende zahlen. Für das zurückliegende Geschäftsjahr 2021/22 sprechen sich Vorstand und Aufsichtsrat für eine Dividende in Höhe von 15 Cent je Aktie aus, teilte das Unternehmen bei der Bilanzvorlage mit. Zur Begründung verweist das Management auf eine „deutlich gestärkte Bilanz“ und eine „verbesserte Leistungsfähigkeit“ des Unternehmens. Einen entsprechenden Vorschlag zur Dividende wollen der Thyssenkrupp-Vorstand um Konzernchefin Martina Merz sowie der Aufsichtsrat mit BDI-Präsident Siegfried Russwurm an der Spitze der Hauptversammlung am 3. Februar zur Abstimmung vorlegen.

Zuletzt hatte Thyssenkrupp für das Geschäftsjahr 2017/18 eine Gewinnausschüttung vorgenommen – ebenfalls in Höhe von 15 Cent je Aktie. Danach gab es drei Jahre lang keine Überweisung an die Aktionärinnen und Aktionäre des Essener Traditionskonzerns.

Mit einer Dividende von 0,15 Cent je Aktie würden den Anlegern insgesamt knapp 93,38 Millionen Euro zukommen. An die Essener Krupp-Stiftung – mit einem Anteil von rund 21 Prozent größte Einzelaktionärin – würden rund 19,6 Millionen Euro fließen.

Die Krupp-Stiftung, die 2023 mit 150 Jahren Villa Hügel ein besonderes Jubiläum feiert, hatte bereits vor Monaten erklärt, es sei „Zeit für eine Dividende“. „Diese Aktie hat ein Versprechen – nämlich, dass aus dieser Aktie ein Ertrag resultiert, eine Dividende“, sagte Stiftungsvorstand Volker Troche im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Die Einnahmen wolle die Stiftung ausschließlich für gemeinnützige Zwecke verwenden.

Ziel „ausgeglichener Cashflow“ erneut verfehlt

Für das vergangene Geschäftsjahr weist Thyssenkrupp einen Jahresüberschuss in Höhe von 1,2 Milliarden Euro aus – nach einem Verlust von 25 Millionen Euro im Vorjahr. Doch auch im Geschäftsjahr 2021/22, das im September zu Ende ging, verbuchte Thyssenkrupp bei einer wichtigen Finanzkennziffer ein Minus: Der „Free Cashflow vor M&A“, der viel über die finanzielle Leistungsfähigkeit aussagt, ist negativ. Mit minus 476 Millionen Euro fiel der Wert aber etwas besser aus als im Vorjahr.

Vorstandschefin Martina Merz hatte vor einem Jahr erklärt, das nächste Etappenziel sei „ein ausgeglichener Cashflow“. „Dem werden wir alles, was notwendig und vertretbar ist, unterordnen.“ Das Ziel hatte Merz schon im November 2020 in englischer Sprache formuliert: „Stop the Bleeding.“ Ein finanzielles Ausbluten des Konzerns durch einen weiteren Mittelabfluss müsse verhindert werden.

Bei der aktuellen Bilanzvorlage verwies die Managerin, die seit drei Jahren an der Konzernspitze steht, auf „gute Fortschritte“ im Unternehmen. „Wir haben Widerstandskraft und Substanz aufgebaut und sind in den Geschäften heute besser in der Lage, angemessen und zielsicher auf Krisen zu reagieren“, betont Martina Merz. „Unser Schwung beim Veränderungsprozess wurde zwar gebremst, aber wir haben drei externe Schocks – Pandemie, Halbleitermangel und Krieg – vergleichsweise robust wegstecken können.“

„Es kann noch niemand sagen, wie groß die Herausforderungen werden“

Trotz des Kriegs in der Ukraine sowie einer anhaltenden Beeinträchtigung durch die Corona-Pandemie und Störungen in den globalen Lieferketten habe Thyssenkrupp Auftragseingänge in Höhe von insgesamt rund 44,3 Milliarden Euro erzielt – ein Plus von zwölf Prozent im Vorjahresvergleich. Der Umsatz verbesserte sich Unternehmensangaben zufolge um 21 Prozent auf 41,1 Milliarden Euro. Das Betriebsergebnis („bereinigtes Ebit“) habe Thyssenkrupp auf 2,1 Milliarden Euro nahezu verdreifacht.

Insbesondere die Stahlsparte mit großen NRW-Standorten in Duisburg, Bochum und Dortmund trug zum Gewinnsprung bei. Die Aussichten der Sparte haben sich allerdings insbesondere durch die Energiekrise verdüstert.

„Es kann noch niemand sagen, wie groß die Herausforderungen werden oder wie lange sie anhalten werden“, so Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg. „Wir bereiten uns aber auch auf das schwierigste Szenario vor.“ Keysberg kündigte eine „restriktive und schrittweise Freigabe von Investitionen“ an – je nachdem, wie die gesamtwirtschaftliche Lage verläuft. Zuletzt hatte Thyssenkrupp unter anderen erheblich in der Stahlsparte investiert, beispielsweise in eine neue Feuerbeschichtungsanlage für die Dortmunder Westfalenhütte.

Inzwischen 9950 Stellen bei Thyssenkrupp abgebaut

Auch durch Stellenabbau sollen die Kosten bei Thyssenkrupp sinken. Von den angestrebten bis zu knapp 13.000 Stellen, die wegfallen sollen, seien inzwischen 9950 Stellen abgebaut worden – rund 2100 davon im abgelaufenen Geschäftsjahr. „Innerhalb unseres Transformationsprozesses haben wir inzwischen rund 80 Prozent des vorgesehenen Personalabbaus umgesetzt“, so Personalvorstand Oliver Burkhard. „Die für den Umbau notwendige Restrukturierungsphase lassen wir so langsam hinter uns.“ Die Zahl der Beschäftigten im Konzern liegt mittlerweile deutlich unter 100.000.

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Kurz vor der Bilanzpressekonferenz ist Burkhards Vertrag bis Ende September 2028 vom Aufsichtsrat verlängert worden. Der 50-jährige frühere Bezirksleiter der IG Metall in NRW ist seit Februar 2013 Mitglied des Vorstands und seit Mai 2022 zusätzlich Chef der Sparte Thyssenkrupp Marine Systems, die für den Bau von U-Booten, Fregatten und Korvetten zuständig ist.