Essen/Frankfurt. Der neue Real-Eigentümer Sven Tischendorf will bis zu 300 Millionen Euro in die 62 Märkte investieren. Was er plant und was sich verändern wird.

Die Marke Real sollte nach den Plänen der bisherigen Eigentümer vollständig aus dem deutschen Einzelhandel verschwinden. Bis im vergangenen Jahr überraschend der Frankfurter Rechtsanwalt Sven Tischendorf mit anderen Gesellschaftern die verbliebenen 62 Märkte der Kette übernahm. Bis zu 300 Millionen Euro will der Jurist in die Hand nehmen, um „Mein Real“ bis zum Jahr 2025 zu modernisieren.

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Sven Tischendorfs Schreibtisch steht im einstigen Büro des inzwischen gestorbenen Fußball-Präsidenten Egidius Braun. In der ehemaligen DFB-Villa am Rande der Frankfurter Innenstadt hat Tischendorfs Kanzlei ihren Sitz. Von hier aus managt der 56-Jährige nicht nur das Schutzschirm-Verfahren für die Schuhhandels-Ketten Salamander und Klauser. Zum Geschäftskonzept des Restrukturierungsexperten und seiner Ehefrau Annett gehört es auch, Firmen zu übernehmen und fortzuführen. Ihnen gehört der Essener Personaldienstleister Tempton mit rund 9000 Beschäftigten und der Hersteller von Ladungssicherungssystemen Sander mit Sitz im oberbergischen Nümbrecht.

Der Frankfurter Jurist Sven Tischendorf ist neuer Eigentümer von Mein Real.
Der Frankfurter Jurist Sven Tischendorf ist neuer Eigentümer von Mein Real. © HO | HO

Seit dem Frühjahr 2022 gehört nun auch Mein Real dazu. Einzelhandel ist unter den Beteiligungen der Tischendorfs Neuland. „Privat mag ich das Einkaufen überhaupt nicht. Ich gehe ganz selten in Läden“, bekennt der ehemalige Leistungssportler. Die SB-Warenhauskette allerdings reizte ihn. „Real kannte ich schon als Kind. Das ist eine Marke mit Donnerhall und einem etablierten Geschäftsmodell, das nicht so schnell kaputtzukriegen ist“, sagt Tischendorf.

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Der Düsseldorfer Handelsriese Metro hatte das vor einigen Jahren noch anders gesehen. Nach einem quälenden Prozess verkaufte der Konzern im Jahr 2020 die rund 270 Real-Märkte an den russischen Finanzinvestor SCP. Der hatte das klare Ziel, die Immobilien zu übernehmen und die Filialen innerhalb von zwei Jahren an Wettbewerber zu verkaufen oder zu schließen. Am Ende blieben 62 Standorte übrig, an denen es kein Interesse gab oder die aus kartellrechtlichen Gründen nicht an die Konkurrenz wie Edeka, Kaufland oder Globus gehen durften. In der Region sind das die Standorte Dinslaken, Düsseldorf, Gelsenkirchen-Buer, Hagen, Herne und Kamp-Lintfort.

„Real ist ein Unternehmen mit Herz“

Tischendorf ist davon überzeugt, dass die riesigen Märkte und das Konzept SB-Warenhaus eine Zukunft haben. „Die Aufgabe ist größer, als ich dachte. Aber es lohnt sich, weil Real ein Unternehmen mit Herz ist“, zeigt sich der geschäftsführende Gesellschafter optimistisch. Als weitere Gesellschafter hat er sich zwei ehemalige Real-Manager und zwei weitere Handelsexperten zu Mein Real geholt. „Die Mehrheit in den Firmen habe immer ich. Es muss einen geben, der sagt, wohin die Reise geht – wenn es erforderlich ist“, betont Tischendorf.

Frank Nowak leitet den Pilotmarkt von Mein Real in Hagen. Die Frischeabteilung wurde vergrößert.
Frank Nowak leitet den Pilotmarkt von Mein Real in Hagen. Die Frischeabteilung wurde vergrößert. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wie sich die neuen Eigentümer die Zukunft von Mein Real vorstellen, können Kundinnen und Kunden in den beiden Pilot-Märkten in Hagen und Salzgitter besichtigen: Gleich am Eingang befindet sich die Frischeabteilung. Dahinter kommt „das emotionale Warensegment rund ums Essen“, wie es Tischendorf nennt: die Bedientheken für Fleisch, Wurst und Käse sowie die Süßigkeiten. Konserven und Haushaltswaren sind nach hinten gewandert.

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Mein Real hat auch das Sortiment umgebaut: Der Anteil der Lebensmittel wurde auf rund 75 Prozent erhöht, das Angebot von Waschmaschinen, Elektrofahrrädern und sonstigen platzgreifenden Artikeln eingedampft. Tischendorf: „Wir konzentrieren uns auf ein attraktives und möglichst umfassendes Angebot für den täglichen Bedarf.“

Rewe liefert Großteil der Real-Waren

Von zentraler Bedeutung ist die Kooperation mit dem Handelskonzern Rewe. Die Kölner liefern rund 60 Prozent der Waren, die bei Mein Real in den Regalen stehen. „Das hilft uns sehr, weil Mein Real dadurch keine eigenen Warenlager vorhalten muss“, betont der Eigentümer. „Sehr viele“ der restlichen Produkte lieferten regionale Anbieter. Die Partnerschaft mit Rewe hat aber auch weitere Vorteile. Das Unternehmen betreibt keine eigene SB-Warenhauskette, verfügt aber über umso mehr Marktmacht. Auch die Rewe-Eigenmarke „ja“ ist bei Mein Real zu finden. „Rewe hat die bundesweit größte Eigenmarke ,ja‘. Mit ihr ist jeder Mein-Real-Markt zugleich auch ein vollwertiger Discounter“, meint Tischendorf. „Es gibt für unsere Kunden deshalb keinen Grund, zu Aldi oder zu Lidl zu gehen.“

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Bis zu 300 Millionen Euro wollen die Gesellschafter bis zum Jahr 2025 in das junge Unternehmen investieren. „Unser größter Markt hat 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Wir streben für alle unsere Märkte eine Durchschnittsgröße von 7000 bis 8000 Quadratmetern Verkaufsfläche an“, kündigt Tischendorf Verkleinerungen an. „Dafür gibt es verschiedene Konzepte. Wir haben auch keine Berührungsängste, Flächen etwa an Aldi, Lidl oder Drogerie- und Möbelmärkte abzugeben.“ Die Verluste im Zusammenhang mit noch laufenden Filialschließungen übernimmt laut Tischendorf der Vorbesitzer SCP.

Click & Collect für Lebensmittel

Mein Real muss allerdings auch ein völlig neues digitales Konzept aufbauen, weil Vorbesitzer SCP den erfolgreichen Onlineshop Real.de an Kaufland veräußert hatte. „Wir planen ein Click & Collect-Konzept. Schon das ist anspruchsvoll, weil wir die verderblichen Lebensmittel kühlen müssen“, erklärt der Eigentümer.

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Demnächst soll es in den Läden digitale Schilder geben, die nicht nur Preise anzeigen. Über eine App sollen Kundinnen und Kunden darüber auch Informationen über Nähr- und Zusatzstoffe der Produkte abrufen können. Tischendorf: „Das ist wichtig etwa für Menschen, die unter Unverträglichkeiten gegen Laktose oder Gluten leiden.“

Neue Real-Zentrale in Mönchengladbach

Die bisherige Real-Zentrale auf dem Metro-Campus wurde zum 31. Dezember geschlossen. Die Hauptverwaltung von Mein Real mit 120 Beschäftigten ist nun wieder in Mönchengladbach, wo sie vor dem Umzug in die Landeshauptstadt immer gewesen war. Viele Mitarbeitende sind dort, an der Wiege des Unternehmens, wohnen geblieben. Rund 5500 sind sie zusammen in der Zentrale und in den Märkten. Für sie soll die lange Zeit der Unsicherheit vorbei sein. „Die Belegschaft haben wir am Erfolg beteiligt. Wenn wir in einem Monat besser abschneiden als geplant, partizipiert auch die verantwortliche Belegschaft an diesem Erfolg. Das ist mehr als fair“, sagt Tischendorf. Für 2023 plant er mit einem Netto-Umsatz von 1,26 Milliarden Euro.

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Demnächst will Mein Real in Braunschweig Filiale Nr. 63 eröffnen. Der Markt stand zwei Jahre lang leer. Von deutlicher Expansion ist im Unternehmen dennoch nicht die Rede. Wenngleich die Geschäftsführung die Entwicklung des Einzelhandels im Auge behält. „Der Rückgang der Fachgeschäfte in den Innenstädten und die Krise bei Galeria helfen uns dabei, mehr Frequenz in unsere Läden zu bringen“, sagt Tischendorf.