Essen. Iqony statt Steag: Der Essener Energiekonzern plant einen Neustart unter einem anderen Namen. Der Verkauf durch die Stadtwerke rückt näher.

Der Imagefilm des neuen Unternehmens ist schon produziert. Zu elektronischer Musik mit treibendem Bass erscheinen Motive auf dem Bildschirm, die für die Zukunft der Energieversorgung stehen sollen: Windräder bei Sonnenaufgang, glänzende Solarmodule und allerlei Großstadtszenen. „Wir sind Iqony“, sagt eine Frauenstimme am Ende des Videoclips. Wobei sie Iqony wie „Eikoni“ ausspricht. Es ist ein Gegenbild zu den Kohlekraftwerken samt schwarzen Halden, die seit Jahrzehnten das Bild des Revierkonzerns Steag prägen. Jetzt leuchtet mit gelber Schrift vor wild-buntem Hintergrund der Slogan: „Neues Jahr. Neue Energie.“

Der Essener Energiekonzern macht sich hübsch für einen möglicherweise milliardenschweren Verkauf, der die Kassen von mehreren Stadtwerken im Ruhrgebiet füllen könnte. Zu den Vorbereitungen des Deals gehört auch eine Zweiteilung des Unternehmens. Perspektivisch könnte auch der Traditionsname Steag von der Bildfläche verschwinden, denn im neuen Unternehmen Iqony soll ein großer Teil des bisherigen Konzerns aufgehen. Vom „Wachstumsbereich“ wird mit Blick auf Iqony bei der Steag gesprochen.

Auch das Fernwärme-Geschäft soll zu Iqony gehören

Die offizielle Kommunikation zum Neustart plant die Steag-Führung um Firmenchef Andreas Reichel erst in der kommenden Woche, doch schon jetzt sind wesentliche Informationen öffentlich zugänglich. So ist der Website von Iqony zu entnehmen, dass rund 2300 Beschäftigte zur neuen Firma gehören sollen. Das Portfolio umfasse neben Solar-, Wind-, Geothermie- und Wasserstoff-Projekten auch Speicher-Technologien, Gaskraftwerke und Ingenieur-Dienstleistungen. Auch das Fernwärme-Geschäft der Steag taucht auf der Website von Iqony auf. Voraussichtlich wird es wohl ebenfalls umbenannt. Die Kohlekraftwerke, darunter große Standorte in Duisburg, Herne und im Saarland, gehören indes nicht zum neuen Unternehmen.

Steag-Chef Reichel hatte die Aufspaltung im Frühjahr 2022 angekündigt. Zum damaligen Zeitpunkt ging er noch davon aus, dass zunächst rund 1900 Beschäftigte zum schwarzen Bereich gehören – und 3800 zum grünen. Dass nun deutlich weniger Mitarbeitende zu Iqony wechseln als zunächst geplant, hat dem Vernehmen nach insbesondere mit einer Zuordnung des indischen Energieservice-Geschäfts zum schwarzen Konzernteil zu tun.

Projekt „Sunrise“ vor dem Abschied der Stadtwerke

Die aufwändige Zweiteilung der Steag, die den Projektnamen „Sunrise“ – Sonnenaufgang – trägt, ist bemerkenswert, schließlich soll das Unternehmen nach Darstellung der Konzernleitung als Ganzes verkauft werden. Noch gehört die Steag sechs Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet, die vor mehr als zehn Jahren eingestiegen sind. Für insgesamt etwa 1,2 Milliarden Euro übernahmen die kommunalen Betriebe den Energieversorger vom Chemiekonzern Evonik.

Nach einigen Querelen wollen die Stadtwerke aus Essen, Bochum, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Dinslaken wieder aussteigen. Die Gründung eines grünen Teilkonzerns solle „Investoren eine Finanzierung erleichtern“, hatte unter anderem Bochums Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn erklärt. Schließlich würden einige Investoren ihr Geld nur noch in grüne Unternehmen stecken. Zwar erleben die Steag-Kohlekraftwerke angesichts des Ukraine-Kriegs kurzfristig einen Aufschwung, sie gelten aber weiterhin als Auslaufmodell. Sollte nur noch – so wie es sich mit dem derzeitigen Plan abzeichnet – das Wachstumsgeschäft der Marke Iqony übrigbleiben, könnte auch der Name Steag Geschichte sein.

Bei RWE war die Abspaltung von Innogy nur ein Zwischenschritt

Der Neustart der Steag erinnert indes auch an die Gründung der RWE-Tochter Innogy, die mittlerweile im Eon-Konzern aufgegangen ist. Hier war das Projekt Innogy nur ein Zwischenschritt zum Wiederaufstieg des Essener Traditionskonzerns RWE.

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Viel hängt bei der Steag davon ab, welcher Käufer einsteigt. Sollte es ein Finanzinvestor sein, dürfte die Steag wohl noch längere Zeit als eigenständige Konzerneinheit existieren. Über einen Verkaufspreis in Höhe von zwei Milliarden Euro oder mehr ist bereits spekuliert worden. Als möglicher Käufer wird neben Finanzinvestoren unter anderem der tschechische Konzern EPH gehandelt, der vom Unternehmer Daniel Kretinsky gelenkt wird. Vor einigen Jahren hat EPH bereits das Braunkohlegeschäft von Vattenfall in Ostdeutschland gekauft. Auch die Essener RAG-Stiftung ist dem Vernehmen nach schon vor einigen Wochen in Sachen Steag angesprochen worden.

Trotz der Aufspaltung hat das bisherige Management sowohl bei der Steag wie auch beim neuen Unternehmen Iqony das Sagen. Das lässt sich zumindest von der Firmen-Website ablesen: Im Impressum stehen die Namen der amtierenden Geschäftsführer Ralf Schiele, Ralf Schmitz und Andreas Reichel. Letzterer hatte vor einigen Wochen vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung angekündigt, er werde in eine Steag-Holding mit rund 20 Beschäftigten wechseln.