Essen. Die Preise für Fernwärme im Ruhrgebiet steigen: Der Essener Versorger Steag verweist auf höhere Einkaufskosten. Preisbremse soll greifen.

Zum Jahreswechsel erhöht der Essener Energieversorger Steag erneut die Preise für Fernwärme. „Wir haben höhere Einkaufskosten, die wir an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben müssen“, sagt Michael Straus, der Fernwärme-Chef der Steag, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Steag ist einer der größten Fernwärme-Anbieter im Ruhrgebiet. Rechnerisch versorgt das Unternehmen etwa 275.000 Haushalte. Auch große Wohnungsbau-Unternehmen gehören zu den Kunden.

Die Fernwärme bezieht die Steag vor allem von den Müllheizkraftwerken in Herten und Essen-Karnap, außerdem von den Gas- und Kohlekraftwerken in Herne. Hinzu kommen weitere Anlagen im Ruhrgebiet. „Für jeden Standort gibt es festgelegte Preisformeln mit unseren Lieferanten“, erläutert Straus. „In den Verträgen sind Preis-Mechanismen vereinbart, die unter anderem an die Entwicklung bei Strom, Gas und Kohle gekoppelt sind. Hier sind die Preise in den vergangenen Monaten zum Teil explodiert. Das heißt: Wenn die Preise für Strom, Gas und Kohle steigen, wird auch Fernwärme teurer.“ Das Müllheizkraftwerk in Karnap gehört dem Essener Energiekonzern RWE, die Anlage in Herten ist Teil des Firmennetzwerks vom Regionalverband Ruhr (RVR).

„Auch die Wärme aus der Müllverbrennung ist teurer geworden“, sagt Straus. „Denn alternativ ließe sich mit der Abwärme auch Strom erzeugen, statt Fernwärme auszukoppeln. Insofern ist auch hier der Strompreis der Referenzwert und die Bezugskosten sind für uns entsprechend gestiegen.“ Bei den Fernwärmepreisen gebe es schon seit einigen Monaten einen Trend nach oben. „Die Preissteigerungen bei den verschiedenen Energieträgern schlagen auch bei der Fernwärme durch“, berichtet der Steag-Manager.

Preise für Fernwärme zuletzt bereits um fast 60 Prozent gestiegen

Das bekommen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher zu spüren, die auf Fernwärme angewiesen sind. „Im Vergleich zum Juli 2020 sind die Netto-Arbeitspreise im Verbundtarif für Fernwärme in unserem Versorgungsgebiet um fast 60 Prozent gestiegen – von 50 Euro pro Megawattstunde auf 78,8 Euro pro Megawattstunde seit Juli dieses Jahres“, sagt Straus. „Zum Jahreswechsel erhöhen sich unsere Netto-Arbeitspreise im Verbundtarif für Fernwärme von 78,8 Euro auf 108,36 Euro pro Megawattstunde. Das sind fast 38 Prozent mehr.“ Damit sollen auch die monatlichen Abschlagzahlungen der Kundinnen und Kunden steigen.

Die vom Bundestag beschlossene Preisbremse greift bei der Fernwärme ab 95 Euro pro Megawattstunde. „Sie soll im März kommen und rückwirkend ab Januar gelten. Davon profitieren auch unsere Kundinnen und Kunden“, sagt der Fernwärme-Chef der Steag. „Es gibt nun die Sicherheit, dass der Preis für Fernwärme nicht über 95 Euro je Megawattstunde steigt.“ Für einen Haushalt mit 80 Quadratmetern bedeute dies voraussichtlich monatliche Kosten fürs Heizen in Höhe von durchschnittlich rund 110 Euro. „Die Voraussetzung ist aber, dass der Verbrauch um 20 Prozent sinkt.“ So sehen es die gesetzlichen Regeln für die Preisbremse vor. Das Ziel sei, die Menschen zum Energiesparen zu ermuntern, um den Erdgasverbrauch zu senken.

80-Prozent-Regelung für die Preisbremse

„Wenn die Menschen genauso viel Fernwärme verbrauchen wie bisher, müssen sie – so ist es mit der Preisbremse vorgesehen – die letzten 20 Prozent zu Marktpreisen bezahlen“, stellt Straus klar. „Damit sind entsprechend hohe Kosten verbunden.“ Als Basis für die Berechnung der 80-Prozent-Regelung soll die Höhe der Abschlagszahlung im September 2022 dienen. „Es wird teurer, aber teurer als 95 Euro pro Megawattstunde wird es nicht.“ Bislang ist die Preisbremse bis Ende April 2024 vorgesehen.

Straus betont, dass die Regelungen zur Dezember-Soforthilfe auch für die Fernwärme gelten: „Das heißt: Die Abschlagzahlung der Verbraucherinnen und Verbraucher für diesen Monat übernimmt der Staat. Wir berücksichtigen dies in unseren Abrechnungen gegenüber unseren Kundinnen und Kunden.“

Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Fernwärme beziehen, sind die Alternativen in aller Regel rar. „Die Kundinnen und Kunden, die auf uns setzen, nutzen unsere Infrastruktur“, sagt der Steag-Manager. „Ein Anbieterwechsel ist also nicht ohne weiteres möglich. Es müsste dann schon eine von unserer Infrastruktur unabhängige Technologie sein, eine Wärmepumpe zum Beispiel.“ Aber klar sei auch: „Wir brauchen wettbewerbsfähige Preise, damit sich die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht irgendwann für eine andere Technologie entscheiden.“

„Die Menschen haben große Sorgen“

Das Ruhrgebiet ist in sogenannte Fernwärme-Versorgungsgebiete aufgeteilt. Zum Versorgungsgebiet der Steag gehören Bottrop, Essen und Gelsenkirchen. Auch der vor der Verstaatlichung stehende Düsseldorfer Energiekonzern Uniper und Stadtwerke gehören zu den Fernwärmeversorgern.

„Wir erfahren täglich von den Sorgen und Nöten unserer Kundinnen und Kunden“, sagt der Steag-Fernwärme-Chef. „Noch nie haben wir so viele Anrufe bekommen. Die Menschen haben große Sorgen und dementsprechend auch viele Fragen.“ Seine Kolleginnen und Kollegen seien derzeit „maximal belastet“, erzählt Straus. „Es ist nicht einfach, kurzfristige Veränderungen wie die Dezember-Soforthilfe und die Preisbremse bei unserer IT und in den betrieblichen Abläufen zu berücksichtigen.“ Die Unterstützung der Bundesregierung für die Kundinnen und Kunden sei allerdings richtig und eine „große Hilfe für viele Menschen, die sich mit massiv gestiegenen Energiekosten konfrontiert sehen“.