Essen. Beim Essener Energieversorger Steag tobt ein Kampf um Macht und Kompetenzen im Konzern. Dabei geht es auch um millionenschwere Berater-Honorare.

Im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf des Essener Energiekonzerns Steag gibt es Streit um millionenschwere Berater-Honorare. Nach Informationen unserer Redaktion waren die Kosten für Berater in den vergangenen Monaten mehrfach Thema des Steag-Aufsichtsrats. Ende August gab Aufsichtsratschef Gerhard Jochum eine forensische Sonderuntersuchung bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Auftrag. Das geht aus Unterlagen hervor, die unserer Redaktion vorliegen. Demnach sollte von unabhängiger Seite geklärt werden, ob es zu möglichen Verfehlungen des Managements gekommen sein könnte. Von Berater-Honoraren in dreistelliger Millionenhöhe ist die Rede.

Das Vorgehen des Steag-Chefkontrolleures ist Auslöser interner Querelen. So sprach sich unter anderem Steag-Aufsichtsratsmitglied Dietmar Spohn, der Chef der Stadtwerke Bochum, intern gemeinsam mit einem weiteren Kontrolleur gegen eine „forensische Sonderuntersuchung“ aus. Auf Anfrage unserer Redaktion betonen die Stadtwerke Bochum, die Unterzeichner eines Schreibens an Jochum hätten sich nicht gegen eine Prüfung der Beraterkosten insgesamt ausgesprochen, sondern „gegen den Umfang der Prüfung“. Es solle „eine angemessene Prüfung“ erfolgen.

Konflikt zwischen Aufsichtsratschef und Chefsanierer

Ein Steag-Sprecher erklärte, der Aufsichtsrat habe in seiner Augustsitzung der Geschäftsführung den Auftrag erteilt, die Höhe und Angemessenheit der Beraterkosten extern überprüfen zu lassen. Diesen Auftrag habe der Steag-Aufsichtsrat am 12. September bestätigt.

Schon seit einigen Monaten tobt ein Kampf um Macht und Kompetenzen hinter den Kulissen der Steag. So wird beispielsweise in einem internen Bericht („Corporate Governance Review”), der im Unternehmen kursiert, schon Ende Juli 2022 eine Abberufung des Steag-Aufsichtsratschefs Jochum gefordert. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Steag-Chefsanierer Ralf Schmitz, der Mitglied der Geschäftsführung des Energiekonzerns ist. Schmitz habe erklärt, aus seiner Sicht sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden nicht mehr möglich, heißt es unumwunden in dem Bericht.

Als die Krise bei der Steag groß war, ist Schmitz mit Unterstützung von Gläubigerbanken eingesetzt worden, um die Sanierung des Konzerns voranzubringen. Im „Corporate Governance Review” wird auf ein Allein- und Letztentscheidungsrecht des Managers verwiesen. Diese Sonderrolle könnte auch beim Verkaufsprozess eine Rolle spielen.

Die Steag teilte auf Anfrage mit, zu internen Unternehmensangelegenheiten äußere sich das Unternehmen prinzipiell nicht. Darüber hinaus obliege die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschafterversammlung. Zu den Belangen der Eigentümer könne sich der Konzern grundsätzlich nicht äußern.

Steag-Verkauf soll Kassen von Stadtwerken aufbessern

Die Konflikte treten in einer für das Unternehmen sensiblen Phase zu Tage. Derzeit gehört die Steag mehreren Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet, die vor mehr als zehn Jahren eingestiegen sind. Für insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro übernahmen die kommunalen Betriebe den traditionsreichen Essener Energieversorger vom Chemiekonzern Evonik. Mittlerweile wollen sämtliche Steag-Städte – Dortmund, Essen, Bochum, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Dinslaken – wieder aussteigen. Die Investmentbank Morgan Stanley hat nach Unternehmensangaben bereits zahlreiche potenzielle Investoren angesprochen.

Spätestens im Laufe des kommenden Jahres soll der Energiekonzern mit rund 5700 Beschäftigten neue Eigentümer bekommen, sagte Guntram Pehlke, der Chef der Dortmunder Stadtwerke DSW21, vor wenigen Tagen. Mit einem Anteil von 36 Prozent an der kommunalen Muttergesellschaft KSBG hält Dortmund unter den Revierstädten die umfangreichste Steag-Beteiligung. Trotz einer Aufspaltung der Steag in einen grünen und einen schwarzen Geschäftsbereich geht Pehlke von einem Verkauf des Konzerns als Ganzes aus. Mit den Plänen zur Zweiteilung des Konzerns sollen sich in den kommenden Tagen auch Stadträte der Steag-Kommunen befassen. Die Steag sei „mitnichten ein Sanierungsfall mehr“, sagte Pehlke mit Blick auf die derzeit stark gefragten Kohlekraftwerke der Steag. Er gehe daher davon aus, dass die Stadtwerke durch den Verkaufserlös „ihr Investment wiederbekommen werden“.

Investmentbank Morgan Stanley soll mögliche Steag-Käufer suchen

Wirtschaftlich lief es bei der Steag zuletzt rund. In der aktuellen Energiekrise hat der Essener Energieversorger einen Gewinnsprung verbucht. In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres konnte die Steag den Umsatz eigenen Angaben zufolge auf rund 2,41 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Das Konzernergebnis nach Steuern vervielfachte sich auf rund 320 Millionen Euro – nach knapp 39 Millionen Euro im Vorjahreshalbjahr. Im bevorstehenden Winter könnten die Kohlekraftwerke der Steag besonders gefragt sein.

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Beim Steag-Verkauf dürfte auch der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis ein Wort mitzureden haben. So ist ein „Transaktionsausschuss“ geplant, der mit vier Vertretern aus dem Kreis der Arbeitnehmervertreter und der IGBCE sowie vier Stadtwerkevertretern besetzt sein soll.

„Es ist alles unterwegs, was im Markt Rang und Namen hat“, sagte Stadtwerke-Manager Pehlke mit Blick auf potenzielle Steag-Käufer, ohne Namen zu nennen. Sowohl institutionelle Anleger als auch Investmentfonds sowie Unternehmen aus der Energiebranche hätten Interesse an einer Steag-Übernahme gezeigt.

Die Investmentbank Morgan Stanley habe Finanzkreisen zufolge Kontakt zum tschechischen Investor EPH, der im Jahr 2016 das Braunkohlegeschäft von Vattenfall in Ostdeutschland gekauft hatte, sowie zum tschechischen Energieversorger CEZ und zur Essener RAG-Stiftung gesucht, schreibt das „Handelsblatt“. Allerdings könnte der Streit über das Führungspersonal Branchenkreisen zufolge mögliche Bieter verschrecken.