Essen. Essens OB Kufen warnt: Strom und Gas könnten für viele unbezahlbar werden. Es drohten Stadtwerke-Insolvenzen, und Kufen legt Chefs Verzicht nahe.

Thomas Kufen hat als Essens Oberbürgermeister viele Aufgaben übernommen, etwa als Aufsichtsratschef der örtlichen Stadtwerke, als Konzernkontrolleur des Energieversorgers RWE oder als Kuratoriumsmitglied des Evonik-Großaktionärs RAG-Stiftung. Beim Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ schlüpft Kufen zwischenzeitlich auch in die Rolle des Energiesparberaters. In den Abendstunden durchs Rathaus gehen und die Lichter ausschalten – das habe er auch schon vor Ausbruch der Energiekrise getan. Für die Bürgerinnen und Bürger hat Kufen noch weitere Empfehlungen.

„Das dicke Sofa muss nicht direkt vor der Heizung stehen“, sagt er etwa. Es sollten auch nur die Zimmer beheizt werden, die gerade in Benutzung seien. Die Türen schließen, abends früher als sonst die Rollläden herunterlassen, „damit auch über die Scheiben nicht Wärme verloren geht“, das sei nun ebenfalls geboten, und der Fernseher müsse auch „nicht den ganzen Tag lang laufen“. Dann gebe es auch noch „den Klassiker“, wie Kufen sagt: Beim Kauf eines neuen, effizienten Kühlschranks lande der alte im Keller, wo das Bier gelagert werde. Es müsse ein Bewusstsein dafür her, „dass das Stromfresser sind, die wir uns jetzt einfach sparen müssen“.

Viele Bürger wüssten im Übrigen nicht, wie hoch ihr Energieverbrauch sei, merkt Kufen an. „Unsere Stromrechnungen sind auch nicht so angelegt, dass das jeder sofort erkennen kann“, räumt er zugleich ein.

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Nun sei jedenfalls Sparsamkeit angesagt, die er schon aus Omas Zeiten kenne, erzählt Kufen. Es gebe ein Geräusch, das ihm in Erinnerung geblieben sei, wenn er an seine Großmutter denke: „Das ist das Geräusch, wenn das Messer acht bis zehnmal über die Butterfolie kratzt.“ Gerade in der Nachkriegsgeneration seien Sparsamkeit und damit auch Nachhaltigkeit weit verbreitet. Ein bisschen davon, so sagt der CDU-Politiker, könnte Deutschland auch in der aktuellen Krise helfen.

Blick in die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger

Eindringlich ruft der Oberbürgermeister zum Energiesparen auf, damit auch seine Stadt unbeschadet und mit ausreichend Gas und Strom über den Winter kommt. Gleichzeitig treibe ihn die Sorge, dass die steigenden Energiepreise für viele Menschen unbezahlbar werden könnten. Die Krise dürfe nicht dazu führen, dass Bürgerinnen und Bürger in einer „kalten Wohnung sitzen“, sagt Kufen. Es gebe nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine soziale Dimension der Krise.

„Insbesondere über unser Sparkassen-Organisationen können wir sehr gut in die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger schauen. Wir wissen, was reinkommt. Wir wissen, was rauskommt“, berichtet Kufen. „Da kann ich Ihnen genau sagen, was das für Konsequenzen hat fürs Dispo, wenn ich nicht 150 Euro

Thomas Kufen (links) im Gespräch mit Redakteur Ulf Meinke: „Irgendeiner wird liefern müssen: Gas und Strom. Und er wird auch dann Gas und Strom liefern müssen, wenn nicht klar ist, ob die Rechnung auch bezahlt wird, später oder vielleicht gar nicht.“
Thomas Kufen (links) im Gespräch mit Redakteur Ulf Meinke: „Irgendeiner wird liefern müssen: Gas und Strom. Und er wird auch dann Gas und Strom liefern müssen, wenn nicht klar ist, ob die Rechnung auch bezahlt wird, später oder vielleicht gar nicht.“ © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

demnächst zurückbekomme von meinen Abschlagzahlungen von meinem Energieversorger, sondern vielleicht 750 zahlen muss. Dann ist Ende im Gelände.“ Übrigens gehe es dabei nicht vornehmlich um Menschen, die Sozialleistungen erhielten, sondern um „Knapp-drüber-Haushalte“, die alles selbst bestreiten müssten. Als Beispiel nennt Kufen „die alleinerziehende Mutter, die bei uns Busfahrerin ist bei der Ruhrbahn“. Die „sozialen Härten“ angesichts der Energiekrise müssten „abgefedert werden, damit wir als Gesellschaft beieinanderbleiben“. Hier seien die Bundes- und die Landesregierung gefragt.

Wenn es darum gehe, die Energieversorgung zu gewährleisten, hätten die Stadtwerke eine entscheidende Rolle. „Irgendeiner wird liefern müssen: Gas und Strom. Und er wird auch dann Gas und Strom liefern müssen, wenn nicht klar ist, ob die Rechnung auch bezahlt wird, später oder vielleicht gar nicht“, sagt Kufen. Er warnt in diesem Zusammenhang davor, „Stadtwerke in die Insolvenz zu schicken“. Sein „dringender Appell an die Bundespolitik“ sei, „die Stadtwerke im Blick zu behalten“.

Als das Ziel ausgerufen worden sei, bundesweit im Vergleich zum Vorjahr 20 Prozent der Energie einzusparen, um eine mögliche Gasmangellage zu verhindern, seien noch Lieferungen aus Russland eingeplant gewesen, gibt Kufen zu bedenken. Bei einem Komplettausfall russischer Gaslieferungen lediglich auf einen warmen Winter zu hoffen, „das ist eigentlich zu wenig“, mahnt Kufen. Essens Stadtverwaltung habe sich mit einem Krisenplan auch für den Fall eines akuten Gasmangels vorbereitet. Er hoffe, dass es nicht erforderlich werde, diesen Plan herauszuholen.

Entscheidungen zu niedrigeren Wassertemperaturen in Schwimmbädern stießen nicht nur auf Zustimmung, sondern riefen auch Kritik hervor, erzählt Kufen. „In einer so schwierigen herausfordernden Zeit Politik zu machen wie heute – da fliegen einem auch Blumen zu, und gelegentlich hängen die Blumentöpfe noch dran.“

Kufen zur Energiepauschale: „Brauche diese 300 Euro nicht“

Mit Blick auf die „Energiepauschale“, die verteilt werden soll, sagt Kufen, er als Oberbürgermeister „brauche diese 300 Euro nicht“, aber er „kenne sehr viele in Essen, die brauchen nicht 300, sondern 600 oder 900“. Es gebe eine Initiative unter Sparkassenchefs und Vorstandsmitgliedern von Stadtwerken, der er sich anschließen wolle, so Kufen. Die Idee sei: „Lasst uns zusammenschmeißen, wir sammeln die 300 Euro bei all denen ein, die es gar nicht brauchen und helfen damit.“

Die neue NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hatte die Stadtwerke-Chefs dazu aufgefordert, angesichts der Energiekrise freiwillig auf ihre Bonuszahlungen zu verzichten. Kufen lässt Sympathie dafür erkennen. „Wir hatten vergleichbare Fälle in Essen. Die haben wir auch gemeinsam gut entschieden. Als in der Corona-Zeit keine Messen stattfinden konnten, hat natürlich der Messechef auf seinen Bonus verzichtet“, sagt Kufen. „Ich glaube, eine ähnliche Haltung wird sich auch bei den Stadtwerke-Chefs durchaus durchsetzen.“